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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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erachteten, -- und es war dieses beinahe die Gesammtheit der Offiziere, un¬
gehalten gewesen zu sein. Dann ist aber doch die Ueberzeugung von dem
streng correcten Verhalten der Offiziere durchgedrungen. Haynau wurde vor¬
läufig von dem Obercommando entfernt; und seine definitive Ausscheidung
aus der Armee kann nur noch eine Frage der Zeit sein.

Auch Herr von Bismark hat sich in unseren Regierungskrisen durch seine
Note vom 4. December abermals unangenehm gemacht. UeberaUs kurz an¬
gebunden, bestätigt er darin lediglich den gesammten Inhalt der früheren Nöte.

Auf der nächsten Tagesordnung der Stände steht der Handelsvertrag mit
Frankreich. Ueber diese Sache herrscht im ganzen Lande vollkommene Klarheit
und vollkommene Einmüthigkeit. 'Die Stände werden den Handelsvertrag
durchaus willkommen heißen, und zugleich die großen Nachtheile, welche die
Verzögerung seiner Durchführung im Gefolge hat, nachdrücklich hervorheben.
Das Land wird sprechen. Ob dann die Negierung ihr bisheriges Schweigen
fortsetzt, muß sich zeigen.*)




Literatur.
An" früherer Zeit. Von Arnold Rüge. Erster Band. Berlin, Verlag
von Franz Duncker. 1862.

Eine Selbstbiographie, die von den ersten Erinnerungen des Verfassers bis zu
der Zeit geht, wo er die Universität Halle bezog, und in der wir recht ansprechenden
Bildern von den Zuständen, die in der Franzosenzeit und in den zwanziger Jahren
auf Rügen und im ehemaligen schwedischen PoMmcrn herrschten, sowie manchem
mit guter Laune erzählten Erlebniß aus der Kindheit und Schulzeit des Verfassers
begegnen. Mit Liebe und Glück schildert derselbe namentlich sein Vaterhaus, seine
Eltern, die Leute vom besten niederdeutschen Schlag gewesen sein müssen, seine
Streiche und Abenteuer in wilder Knabenzeit (vgl. das derbkomische Capitel "die
Reform der Schweine"), endlich den Beginn seiner Studien im Pastorhause zu
Langenhanshagcn. Dazwischen sind Excurse politischen Inhalts eingestreut, Mit¬
theilungen über alte Gebräuche in Pommern, Gespräche über religiöse Fragen (die
beiläufig ein wenig an die Komposition der Reden bei Livius erinnern) u. d. in.
Von den vielen hübschen Anekdoten des Buchs möge eine hier Platz finden. Als
1819 die Nachricht von Sands That nach Stralsund kam, hielt der dortige Con-
rector Kirchner seinen Primanern eine Rede über den "heldenmüthigen Jüngling",
welche die Zuhörer ungemein erbaute. Später, im Jahre 1838 traf Rüge, damals
Docent und Mitherausgeber der Hallischen Jahrbücher, mit Kirchner, der inzwischen
Rector von Pforta geworden und in politischen Dingen einen andern Sattel bestiegen,
in einer Gesellschaft zu Halle zusammen, an der Schmidt, Rector des Waisenhauses,



") Durch ein Versehen ist in dem vorletzten Brief der Graf von Jscnvurg-Meerholz aus
der Reihe der kurbesfischen Standesherrn ausgefallen.

erachteten, — und es war dieses beinahe die Gesammtheit der Offiziere, un¬
gehalten gewesen zu sein. Dann ist aber doch die Ueberzeugung von dem
streng correcten Verhalten der Offiziere durchgedrungen. Haynau wurde vor¬
läufig von dem Obercommando entfernt; und seine definitive Ausscheidung
aus der Armee kann nur noch eine Frage der Zeit sein.

Auch Herr von Bismark hat sich in unseren Regierungskrisen durch seine
Note vom 4. December abermals unangenehm gemacht. UeberaUs kurz an¬
gebunden, bestätigt er darin lediglich den gesammten Inhalt der früheren Nöte.

Auf der nächsten Tagesordnung der Stände steht der Handelsvertrag mit
Frankreich. Ueber diese Sache herrscht im ganzen Lande vollkommene Klarheit
und vollkommene Einmüthigkeit. 'Die Stände werden den Handelsvertrag
durchaus willkommen heißen, und zugleich die großen Nachtheile, welche die
Verzögerung seiner Durchführung im Gefolge hat, nachdrücklich hervorheben.
Das Land wird sprechen. Ob dann die Negierung ihr bisheriges Schweigen
fortsetzt, muß sich zeigen.*)




Literatur.
An« früherer Zeit. Von Arnold Rüge. Erster Band. Berlin, Verlag
von Franz Duncker. 1862.

Eine Selbstbiographie, die von den ersten Erinnerungen des Verfassers bis zu
der Zeit geht, wo er die Universität Halle bezog, und in der wir recht ansprechenden
Bildern von den Zuständen, die in der Franzosenzeit und in den zwanziger Jahren
auf Rügen und im ehemaligen schwedischen PoMmcrn herrschten, sowie manchem
mit guter Laune erzählten Erlebniß aus der Kindheit und Schulzeit des Verfassers
begegnen. Mit Liebe und Glück schildert derselbe namentlich sein Vaterhaus, seine
Eltern, die Leute vom besten niederdeutschen Schlag gewesen sein müssen, seine
Streiche und Abenteuer in wilder Knabenzeit (vgl. das derbkomische Capitel „die
Reform der Schweine"), endlich den Beginn seiner Studien im Pastorhause zu
Langenhanshagcn. Dazwischen sind Excurse politischen Inhalts eingestreut, Mit¬
theilungen über alte Gebräuche in Pommern, Gespräche über religiöse Fragen (die
beiläufig ein wenig an die Komposition der Reden bei Livius erinnern) u. d. in.
Von den vielen hübschen Anekdoten des Buchs möge eine hier Platz finden. Als
1819 die Nachricht von Sands That nach Stralsund kam, hielt der dortige Con-
rector Kirchner seinen Primanern eine Rede über den „heldenmüthigen Jüngling",
welche die Zuhörer ungemein erbaute. Später, im Jahre 1838 traf Rüge, damals
Docent und Mitherausgeber der Hallischen Jahrbücher, mit Kirchner, der inzwischen
Rector von Pforta geworden und in politischen Dingen einen andern Sattel bestiegen,
in einer Gesellschaft zu Halle zusammen, an der Schmidt, Rector des Waisenhauses,



") Durch ein Versehen ist in dem vorletzten Brief der Graf von Jscnvurg-Meerholz aus
der Reihe der kurbesfischen Standesherrn ausgefallen.
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[0531] erachteten, — und es war dieses beinahe die Gesammtheit der Offiziere, un¬ gehalten gewesen zu sein. Dann ist aber doch die Ueberzeugung von dem streng correcten Verhalten der Offiziere durchgedrungen. Haynau wurde vor¬ läufig von dem Obercommando entfernt; und seine definitive Ausscheidung aus der Armee kann nur noch eine Frage der Zeit sein. Auch Herr von Bismark hat sich in unseren Regierungskrisen durch seine Note vom 4. December abermals unangenehm gemacht. UeberaUs kurz an¬ gebunden, bestätigt er darin lediglich den gesammten Inhalt der früheren Nöte. Auf der nächsten Tagesordnung der Stände steht der Handelsvertrag mit Frankreich. Ueber diese Sache herrscht im ganzen Lande vollkommene Klarheit und vollkommene Einmüthigkeit. 'Die Stände werden den Handelsvertrag durchaus willkommen heißen, und zugleich die großen Nachtheile, welche die Verzögerung seiner Durchführung im Gefolge hat, nachdrücklich hervorheben. Das Land wird sprechen. Ob dann die Negierung ihr bisheriges Schweigen fortsetzt, muß sich zeigen.*) Literatur. An« früherer Zeit. Von Arnold Rüge. Erster Band. Berlin, Verlag von Franz Duncker. 1862. Eine Selbstbiographie, die von den ersten Erinnerungen des Verfassers bis zu der Zeit geht, wo er die Universität Halle bezog, und in der wir recht ansprechenden Bildern von den Zuständen, die in der Franzosenzeit und in den zwanziger Jahren auf Rügen und im ehemaligen schwedischen PoMmcrn herrschten, sowie manchem mit guter Laune erzählten Erlebniß aus der Kindheit und Schulzeit des Verfassers begegnen. Mit Liebe und Glück schildert derselbe namentlich sein Vaterhaus, seine Eltern, die Leute vom besten niederdeutschen Schlag gewesen sein müssen, seine Streiche und Abenteuer in wilder Knabenzeit (vgl. das derbkomische Capitel „die Reform der Schweine"), endlich den Beginn seiner Studien im Pastorhause zu Langenhanshagcn. Dazwischen sind Excurse politischen Inhalts eingestreut, Mit¬ theilungen über alte Gebräuche in Pommern, Gespräche über religiöse Fragen (die beiläufig ein wenig an die Komposition der Reden bei Livius erinnern) u. d. in. Von den vielen hübschen Anekdoten des Buchs möge eine hier Platz finden. Als 1819 die Nachricht von Sands That nach Stralsund kam, hielt der dortige Con- rector Kirchner seinen Primanern eine Rede über den „heldenmüthigen Jüngling", welche die Zuhörer ungemein erbaute. Später, im Jahre 1838 traf Rüge, damals Docent und Mitherausgeber der Hallischen Jahrbücher, mit Kirchner, der inzwischen Rector von Pforta geworden und in politischen Dingen einen andern Sattel bestiegen, in einer Gesellschaft zu Halle zusammen, an der Schmidt, Rector des Waisenhauses, ") Durch ein Versehen ist in dem vorletzten Brief der Graf von Jscnvurg-Meerholz aus der Reihe der kurbesfischen Standesherrn ausgefallen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/531>, abgerufen am 29.04.2024.