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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Die auswärtige Politik Frankreichs während der Znlimonarchie.
Kuisot msmoirss xour ssrvir ä I'uiLtoire as nov temps.
Die orientalische Frage.
(Fortsetzung.)

In einem früheren Aufsatze haben wir die Entwicklung der orientalischen
Frage bis zum Rücktritt des Ministeriums Soult und der Sendung Guizots
nach London ausführlich besprochen und den weiteren Verlauf der Begebenheiten
mit wenigen Worten angedeutet. Der seitdem erschienene fünfte Band von
Guizots Memoiren schildert die fruchtlosen Bemühungen Frankreichs, die Wir¬
kungen der Note vom 27. Juli 1839 zu entkräften, das EinVerständniß zwischen
Rußland und England zu lösen und dadurch zugleich sich aus seiner Jsolirung
zu befreien, ohne seinen principiellen Standpunkt in der vorliegenden Frage
aufzugeben oder auch nur zu modificiren. Wir haben schon bemerkt, daß von
dem Augenblicke an, wo Rußland sich an die Politik Lord Palmerstons anschloß,
die Lösung der Frage in einem den französischen Wünschen ungünstigen Sinne
entschieden war, und daß Frankreich, falls es sich nicht zu einem Ausgeben
seines schroffen Standpunktes entschließen wollte, fortan im Grunde nichts Anderes
übrig blieb, als den Knoten mit dem Schwerte zu durchhauen oder dem Vorgehen der
Mächte einen Protest entgegenzusetzen. An ein kriegerisches Vorgehen Frankreichs
glaubte indessen niemand, und eben deshalb mußte auch ein Protest unfruchtbar
und wirkungslos bleiben. Die Situation gewinnt also den Charakter der Un-
beweglichkeit, der stets da eintritt, wo ein aus die Spitze getriebenes Princip,
von einem andern Princip überwunden, es nicht über sich gewinnen kann,
seine Niederlage einzugestehen. Guizots Sendung war daher von vorn herein
eine hoffnungslose, und nicht daraus ist ihm vom französischen Standpunkte
aus ein Vorwurf zu machen, daß es ihm nicht gelungen ist, dem Pascha den
erblichen Besitz Syriens, und damit Frankreich die leitende Rolle in der euro¬
päischen Politik zu verschaffen, sondern höchstens daraus, daß er, nachdem die
diplomatische Niederlage bereits völlig entschieden war, noch einen Augenblick
an die Möglichkeit eines Sieges mit diplomatischen Mitteln glaubte.


Grenzboten IV. 1SS2. 1
Die auswärtige Politik Frankreichs während der Znlimonarchie.
Kuisot msmoirss xour ssrvir ä I'uiLtoire as nov temps.
Die orientalische Frage.
(Fortsetzung.)

In einem früheren Aufsatze haben wir die Entwicklung der orientalischen
Frage bis zum Rücktritt des Ministeriums Soult und der Sendung Guizots
nach London ausführlich besprochen und den weiteren Verlauf der Begebenheiten
mit wenigen Worten angedeutet. Der seitdem erschienene fünfte Band von
Guizots Memoiren schildert die fruchtlosen Bemühungen Frankreichs, die Wir¬
kungen der Note vom 27. Juli 1839 zu entkräften, das EinVerständniß zwischen
Rußland und England zu lösen und dadurch zugleich sich aus seiner Jsolirung
zu befreien, ohne seinen principiellen Standpunkt in der vorliegenden Frage
aufzugeben oder auch nur zu modificiren. Wir haben schon bemerkt, daß von
dem Augenblicke an, wo Rußland sich an die Politik Lord Palmerstons anschloß,
die Lösung der Frage in einem den französischen Wünschen ungünstigen Sinne
entschieden war, und daß Frankreich, falls es sich nicht zu einem Ausgeben
seines schroffen Standpunktes entschließen wollte, fortan im Grunde nichts Anderes
übrig blieb, als den Knoten mit dem Schwerte zu durchhauen oder dem Vorgehen der
Mächte einen Protest entgegenzusetzen. An ein kriegerisches Vorgehen Frankreichs
glaubte indessen niemand, und eben deshalb mußte auch ein Protest unfruchtbar
und wirkungslos bleiben. Die Situation gewinnt also den Charakter der Un-
beweglichkeit, der stets da eintritt, wo ein aus die Spitze getriebenes Princip,
von einem andern Princip überwunden, es nicht über sich gewinnen kann,
seine Niederlage einzugestehen. Guizots Sendung war daher von vorn herein
eine hoffnungslose, und nicht daraus ist ihm vom französischen Standpunkte
aus ein Vorwurf zu machen, daß es ihm nicht gelungen ist, dem Pascha den
erblichen Besitz Syriens, und damit Frankreich die leitende Rolle in der euro¬
päischen Politik zu verschaffen, sondern höchstens daraus, daß er, nachdem die
diplomatische Niederlage bereits völlig entschieden war, noch einen Augenblick
an die Möglichkeit eines Sieges mit diplomatischen Mitteln glaubte.


Grenzboten IV. 1SS2. 1
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[0009] Die auswärtige Politik Frankreichs während der Znlimonarchie. Kuisot msmoirss xour ssrvir ä I'uiLtoire as nov temps. Die orientalische Frage. (Fortsetzung.) In einem früheren Aufsatze haben wir die Entwicklung der orientalischen Frage bis zum Rücktritt des Ministeriums Soult und der Sendung Guizots nach London ausführlich besprochen und den weiteren Verlauf der Begebenheiten mit wenigen Worten angedeutet. Der seitdem erschienene fünfte Band von Guizots Memoiren schildert die fruchtlosen Bemühungen Frankreichs, die Wir¬ kungen der Note vom 27. Juli 1839 zu entkräften, das EinVerständniß zwischen Rußland und England zu lösen und dadurch zugleich sich aus seiner Jsolirung zu befreien, ohne seinen principiellen Standpunkt in der vorliegenden Frage aufzugeben oder auch nur zu modificiren. Wir haben schon bemerkt, daß von dem Augenblicke an, wo Rußland sich an die Politik Lord Palmerstons anschloß, die Lösung der Frage in einem den französischen Wünschen ungünstigen Sinne entschieden war, und daß Frankreich, falls es sich nicht zu einem Ausgeben seines schroffen Standpunktes entschließen wollte, fortan im Grunde nichts Anderes übrig blieb, als den Knoten mit dem Schwerte zu durchhauen oder dem Vorgehen der Mächte einen Protest entgegenzusetzen. An ein kriegerisches Vorgehen Frankreichs glaubte indessen niemand, und eben deshalb mußte auch ein Protest unfruchtbar und wirkungslos bleiben. Die Situation gewinnt also den Charakter der Un- beweglichkeit, der stets da eintritt, wo ein aus die Spitze getriebenes Princip, von einem andern Princip überwunden, es nicht über sich gewinnen kann, seine Niederlage einzugestehen. Guizots Sendung war daher von vorn herein eine hoffnungslose, und nicht daraus ist ihm vom französischen Standpunkte aus ein Vorwurf zu machen, daß es ihm nicht gelungen ist, dem Pascha den erblichen Besitz Syriens, und damit Frankreich die leitende Rolle in der euro¬ päischen Politik zu verschaffen, sondern höchstens daraus, daß er, nachdem die diplomatische Niederlage bereits völlig entschieden war, noch einen Augenblick an die Möglichkeit eines Sieges mit diplomatischen Mitteln glaubte. Grenzboten IV. 1SS2. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/9>, abgerufen am 29.04.2024.