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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Die Fürstenwoche in Frankfurt.

Zu den zahlreichen Volksfesten dieses Jahres, denen die deutsche Einheits¬
idee zu Grunde lag, ist jetzt auch ein glänzendes Fest der Fürsten gekommen;
ebenfalls in großem Stil mit Auffahrten statt der Aufzüge, mit Galladiners
statt der Festessen, aber ebenfalls mit deutschen Toasten und ebenfalls mit ernst¬
gemeinten Verhandlungen über Einheit des Vaterlandes, Ehre und Glück der
Zukunft. Diese Zukunft wird entscheiden, welches Festgepränge in der That
die relativ größere politische Bedeutung hatte, das patriotische Schützenfest im'
jauchzenden Frankfurt von 1862. oder der patriotische Fürstencongreß im jauch¬
zenden Frankfurt von 1863.

Wir unterschätzen die Bedeutung dieses Congresses keineswegs. Er ist
ein großes Merkmal der Erfolge, welche die Volksbewegung über den Egois¬
mus der Cabinete davon getragen hat; er ist ein glänzendes Zeugniß dafür,
daß unsre Fürsten die Nothwendigkeit erkannt haben, solche Bestrebungen zu
fördern, welche der Mehrzahl noch vor wenigen Jahren für sehr ruchlos galten.
Wir begreifen endlich sehr wohl die Gefahr dieser Tage, daß durch sie die Po¬
litik und die Sympathien deutscher Regierungen für einige Jahre eine östrei¬
chische Färbung erhalten werden, und wir erkennen mit großer Sorge, daß der¬
selbe Kongreß für die realen Interessen der Deutschen, für eine liberale Fort¬
bildung des Zollvereins und für die Bildung eines kräftig zusammengezogenen
Bundesstaats sehr nachtheilig werden kann, und das, was ein Symptom der
steigenden Volkskraft ist, auch der Beginn einer unheilvollen Verbildung deut¬
scher Kraft werden kann.

Wir wissen also recht gut, daß diese große Staatsaction für unsre Zu¬
kunft nicht gleichgültig sein mag; aber wir wissen auch, daß ein Congreß der
Fürsten der Nation ebensowenig den Staat zu geben vermag, wie der vor¬
jährige Schützentag von Frankfurt ein Bürgerbeer zu schaffen vermochte. Diese
Auffassung wird bestärkt durch die authentischen Berichte über die kaiserlichen
Propositionen, welche in diesen Tagen durch die Presse verbreitet sind. Das
Bestreben, die neue Reform der alten Bundesorganisation so viel als möglich
anzupassen, und die Furcht, der deutschen Demokratie zu viel einzuräumen, hat
ein Project veranlaßt, welches den Forderungen des deutschen Liberalismus in
keiner Weise Genüge thut. Denn während es einige von den Hemmnissen
wegräumt, welche die Thätigkeit der deutschen Bundesversammlung durch so
viele Jahre fast illusorisch machten, und während es in Wahrheit einige höchst


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Die Fürstenwoche in Frankfurt.

Zu den zahlreichen Volksfesten dieses Jahres, denen die deutsche Einheits¬
idee zu Grunde lag, ist jetzt auch ein glänzendes Fest der Fürsten gekommen;
ebenfalls in großem Stil mit Auffahrten statt der Aufzüge, mit Galladiners
statt der Festessen, aber ebenfalls mit deutschen Toasten und ebenfalls mit ernst¬
gemeinten Verhandlungen über Einheit des Vaterlandes, Ehre und Glück der
Zukunft. Diese Zukunft wird entscheiden, welches Festgepränge in der That
die relativ größere politische Bedeutung hatte, das patriotische Schützenfest im'
jauchzenden Frankfurt von 1862. oder der patriotische Fürstencongreß im jauch¬
zenden Frankfurt von 1863.

Wir unterschätzen die Bedeutung dieses Congresses keineswegs. Er ist
ein großes Merkmal der Erfolge, welche die Volksbewegung über den Egois¬
mus der Cabinete davon getragen hat; er ist ein glänzendes Zeugniß dafür,
daß unsre Fürsten die Nothwendigkeit erkannt haben, solche Bestrebungen zu
fördern, welche der Mehrzahl noch vor wenigen Jahren für sehr ruchlos galten.
Wir begreifen endlich sehr wohl die Gefahr dieser Tage, daß durch sie die Po¬
litik und die Sympathien deutscher Regierungen für einige Jahre eine östrei¬
chische Färbung erhalten werden, und wir erkennen mit großer Sorge, daß der¬
selbe Kongreß für die realen Interessen der Deutschen, für eine liberale Fort¬
bildung des Zollvereins und für die Bildung eines kräftig zusammengezogenen
Bundesstaats sehr nachtheilig werden kann, und das, was ein Symptom der
steigenden Volkskraft ist, auch der Beginn einer unheilvollen Verbildung deut¬
scher Kraft werden kann.

Wir wissen also recht gut, daß diese große Staatsaction für unsre Zu¬
kunft nicht gleichgültig sein mag; aber wir wissen auch, daß ein Congreß der
Fürsten der Nation ebensowenig den Staat zu geben vermag, wie der vor¬
jährige Schützentag von Frankfurt ein Bürgerbeer zu schaffen vermochte. Diese
Auffassung wird bestärkt durch die authentischen Berichte über die kaiserlichen
Propositionen, welche in diesen Tagen durch die Presse verbreitet sind. Das
Bestreben, die neue Reform der alten Bundesorganisation so viel als möglich
anzupassen, und die Furcht, der deutschen Demokratie zu viel einzuräumen, hat
ein Project veranlaßt, welches den Forderungen des deutschen Liberalismus in
keiner Weise Genüge thut. Denn während es einige von den Hemmnissen
wegräumt, welche die Thätigkeit der deutschen Bundesversammlung durch so
viele Jahre fast illusorisch machten, und während es in Wahrheit einige höchst


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[0323] Die Fürstenwoche in Frankfurt. Zu den zahlreichen Volksfesten dieses Jahres, denen die deutsche Einheits¬ idee zu Grunde lag, ist jetzt auch ein glänzendes Fest der Fürsten gekommen; ebenfalls in großem Stil mit Auffahrten statt der Aufzüge, mit Galladiners statt der Festessen, aber ebenfalls mit deutschen Toasten und ebenfalls mit ernst¬ gemeinten Verhandlungen über Einheit des Vaterlandes, Ehre und Glück der Zukunft. Diese Zukunft wird entscheiden, welches Festgepränge in der That die relativ größere politische Bedeutung hatte, das patriotische Schützenfest im' jauchzenden Frankfurt von 1862. oder der patriotische Fürstencongreß im jauch¬ zenden Frankfurt von 1863. Wir unterschätzen die Bedeutung dieses Congresses keineswegs. Er ist ein großes Merkmal der Erfolge, welche die Volksbewegung über den Egois¬ mus der Cabinete davon getragen hat; er ist ein glänzendes Zeugniß dafür, daß unsre Fürsten die Nothwendigkeit erkannt haben, solche Bestrebungen zu fördern, welche der Mehrzahl noch vor wenigen Jahren für sehr ruchlos galten. Wir begreifen endlich sehr wohl die Gefahr dieser Tage, daß durch sie die Po¬ litik und die Sympathien deutscher Regierungen für einige Jahre eine östrei¬ chische Färbung erhalten werden, und wir erkennen mit großer Sorge, daß der¬ selbe Kongreß für die realen Interessen der Deutschen, für eine liberale Fort¬ bildung des Zollvereins und für die Bildung eines kräftig zusammengezogenen Bundesstaats sehr nachtheilig werden kann, und das, was ein Symptom der steigenden Volkskraft ist, auch der Beginn einer unheilvollen Verbildung deut¬ scher Kraft werden kann. Wir wissen also recht gut, daß diese große Staatsaction für unsre Zu¬ kunft nicht gleichgültig sein mag; aber wir wissen auch, daß ein Congreß der Fürsten der Nation ebensowenig den Staat zu geben vermag, wie der vor¬ jährige Schützentag von Frankfurt ein Bürgerbeer zu schaffen vermochte. Diese Auffassung wird bestärkt durch die authentischen Berichte über die kaiserlichen Propositionen, welche in diesen Tagen durch die Presse verbreitet sind. Das Bestreben, die neue Reform der alten Bundesorganisation so viel als möglich anzupassen, und die Furcht, der deutschen Demokratie zu viel einzuräumen, hat ein Project veranlaßt, welches den Forderungen des deutschen Liberalismus in keiner Weise Genüge thut. Denn während es einige von den Hemmnissen wegräumt, welche die Thätigkeit der deutschen Bundesversammlung durch so viele Jahre fast illusorisch machten, und während es in Wahrheit einige höchst 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/323>, abgerufen am 29.04.2024.