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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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keine Volksvertretung ist, ohne verantwortliches Ministerium, ohne eigentliche
Regierung, ohne eine Person, mit deren Geist und Charakter die Delegirten-
versammlung in Einklang oder Gegensatz zu verhandeln hat.

Für das gesammte Deutschland ist dieser Plan ohne große Modificationen
unannehmbar, seiner innern Mängel wegen, abgesehen von jeder andern Rück¬
sicht. Nichtsdestoweniger gebt man in Frankfurt ernstlich daran, etwas zu
schaffen. Die Politiker aller Regierungen sind versammelt, auch über sie ist die
Empfindung gekommen, daß in der Sache etwas Großes sei, und vielleicht ein
wenig von der Poesie der interessanten Situation.

Die östreichische Regierung hat erklärt, daß ihr Entwurf untheilbar und
im Ganzen anzunehmen sei, wodurch einzelne Amendements allerdings nicht
ausgeschlossen werden. Was die Fürsten unter solchen Umständen schaffen
werden, wer könnte das voraussagen! Was der König von Preußen thun
wird, ist unberechenbar, die preußische Regierung mag beschließen, was sie will,
ihre Lage ist so verzweifelt, daß jeder Beschluß ein Fehler wird, gleichviel ob
sie die herzfressenden Demüthigungen schweigend hinnehme und sich nachträglich
noch betheilige, ob sie schmollend zurückbleibe und ohnmächtig mit einem den
Gegnern erwünschten Austritt aus dem Bunde drohe.

Nur Eines steht uns fest, die achtzehn Million en Preußen nehmen
diesen Reformplan nicht an. Und sie werden in den nächsten Tagen
Gelegenheit haben, ihre deutschen Landsleute zu fragen, ob diese sich von ihnen
und von der Idee eines einheitlich organisirr-en Bundesstaates scheiden wol¬
len, weil Preußen jetzt an Unglück und innerer Krankheit darniederliegt.'




Vermischte Literatur.
Allgemeine Geschichte der Musik in übersichtlicher Darstellung.
Von Dr. Joseph Schlüter. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1863.
208 S.

Eine Ergänzung von Kiesewcttcrs "Geschichte der europäisch-abendländischen
oder unsrer heutigen Musik", welche das letzte Jahrhundert nur kurz und skizzenhaft
behandelte, während das vorliegende Buch gerade diesen Abschnitt der Musikgeschichte
mit besonderer Sorgfalt und Ausführlichkeit bespricht. Was vorhergeht und ebenso
die Zeit, welche "unsre heutige Musik", d. h. die Musik Wagners und seines Anhangs,


keine Volksvertretung ist, ohne verantwortliches Ministerium, ohne eigentliche
Regierung, ohne eine Person, mit deren Geist und Charakter die Delegirten-
versammlung in Einklang oder Gegensatz zu verhandeln hat.

Für das gesammte Deutschland ist dieser Plan ohne große Modificationen
unannehmbar, seiner innern Mängel wegen, abgesehen von jeder andern Rück¬
sicht. Nichtsdestoweniger gebt man in Frankfurt ernstlich daran, etwas zu
schaffen. Die Politiker aller Regierungen sind versammelt, auch über sie ist die
Empfindung gekommen, daß in der Sache etwas Großes sei, und vielleicht ein
wenig von der Poesie der interessanten Situation.

Die östreichische Regierung hat erklärt, daß ihr Entwurf untheilbar und
im Ganzen anzunehmen sei, wodurch einzelne Amendements allerdings nicht
ausgeschlossen werden. Was die Fürsten unter solchen Umständen schaffen
werden, wer könnte das voraussagen! Was der König von Preußen thun
wird, ist unberechenbar, die preußische Regierung mag beschließen, was sie will,
ihre Lage ist so verzweifelt, daß jeder Beschluß ein Fehler wird, gleichviel ob
sie die herzfressenden Demüthigungen schweigend hinnehme und sich nachträglich
noch betheilige, ob sie schmollend zurückbleibe und ohnmächtig mit einem den
Gegnern erwünschten Austritt aus dem Bunde drohe.

Nur Eines steht uns fest, die achtzehn Million en Preußen nehmen
diesen Reformplan nicht an. Und sie werden in den nächsten Tagen
Gelegenheit haben, ihre deutschen Landsleute zu fragen, ob diese sich von ihnen
und von der Idee eines einheitlich organisirr-en Bundesstaates scheiden wol¬
len, weil Preußen jetzt an Unglück und innerer Krankheit darniederliegt.'




Vermischte Literatur.
Allgemeine Geschichte der Musik in übersichtlicher Darstellung.
Von Dr. Joseph Schlüter. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1863.
208 S.

Eine Ergänzung von Kiesewcttcrs „Geschichte der europäisch-abendländischen
oder unsrer heutigen Musik", welche das letzte Jahrhundert nur kurz und skizzenhaft
behandelte, während das vorliegende Buch gerade diesen Abschnitt der Musikgeschichte
mit besonderer Sorgfalt und Ausführlichkeit bespricht. Was vorhergeht und ebenso
die Zeit, welche „unsre heutige Musik", d. h. die Musik Wagners und seines Anhangs,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/326>, abgerufen am 29.04.2024.