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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Der östreichische Resormplml und die Deutschen.

Wie zu erwarten war, ist der hochgespannter Hoffnung, womit ein Theil
der Deutschen dem östreichischen Entwurf einer Bundesreform entgegensah, die
Ernüchterung gefolgt. Der Wortlaut des Rcformplcmes ist durch die Presse
verbreitet, die Kritik hat begonnen, anerkennend, ruhig, schonend, der Abgeord¬
netentag hat sein Votum darüber abgegeben, auch er maßvoll und vorsichtig;
schon werden entschiedene Stimmen laut, welche den Plan für eine verfehlte
Arbeit erklären. Dem schnellen Urtheil der Tagespresse werden voraussichtlich
eingehende Flugschriften folgen. Je gründlicher die Erwägung wird, desto
großer erweisen sich die Bedenken, ja die Unmöglichkeit, diesen Plan ohne tief¬
einschneidende Veränderungen zur Ausführung zu bringen.

Unterdeß haben die Fürsten sich genöthigt gefunden, ihren Aufenthalt in
Frankfurt zu verlängern, auch in diesen Kreisen ist der Zauber des Eröffnungs¬
tages geschwunden. Die Erwägung des Details von zahlreichen Paragraphen
erweist sich als eine schwierige Sache, wobei unsre Fürsten die Thätigkeit ihrer
Minister und Diplomaten nicht entbehren können, die Angelegenheit entgleitet
unmerklich den Händen der Fürsten und kommt allmälig in das gewöhnliche
Gleis unter das Urtheil ihrer Beamten. Man darf sagen, daß vorzugsweise
das Gefühl, zu weit gegangen zu sein, die Verlegenheit, was werden soll und
die Scheu, ein so glänzend begonnenes Unternehmen ohne Resultate zu ver¬
lassen, die regierenden Herren bis jetzt zusammengehalten hat. Allerdings
dauert, so nehmen wir an, beim Kaiser und der Mehrzahl seiner Verbündeten
der feste Entschluß, ein Scheitern des Plans unter allen Umständen zu verhin¬
dern; die Aussichten dazu sind bis jetzt nicht glänzend. Die Sache ist jetzt
so weit gekommen, daß von denen, welche um das Neformproject arbeiten. Nie¬
mand weiß, was daraus werden soll. In gehobener und aufgeregter Stim¬
mung hat man ein Werk von unberechenbarem Einfluß auf die künftigen Ge¬
schicke Deutschlands begonnen. Aber man arbeitet eifrig, trotz der unheimlichen
Stimmungen, welche die Berathung der Paragraphen in der Stille kreuzen. Und
ohne Zweifel wird aus dem Rath der Fürsten ein Reformplan, hier und da
modificirt und den deutschen Wünschen ein wenig besser angepaßt, hervorgehen.
Ob auch eine Koalition der deutschen Fürsten mit Oestreich gegen Preußen?
Beide mögen so lange dauern, bis ein entschlossener Widerstand im deutschen
Volke sich dagegen ausspricht. Dann fällt der Plan in Trümmer und was
sich an ihn festhängt.*


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Der östreichische Resormplml und die Deutschen.

Wie zu erwarten war, ist der hochgespannter Hoffnung, womit ein Theil
der Deutschen dem östreichischen Entwurf einer Bundesreform entgegensah, die
Ernüchterung gefolgt. Der Wortlaut des Rcformplcmes ist durch die Presse
verbreitet, die Kritik hat begonnen, anerkennend, ruhig, schonend, der Abgeord¬
netentag hat sein Votum darüber abgegeben, auch er maßvoll und vorsichtig;
schon werden entschiedene Stimmen laut, welche den Plan für eine verfehlte
Arbeit erklären. Dem schnellen Urtheil der Tagespresse werden voraussichtlich
eingehende Flugschriften folgen. Je gründlicher die Erwägung wird, desto
großer erweisen sich die Bedenken, ja die Unmöglichkeit, diesen Plan ohne tief¬
einschneidende Veränderungen zur Ausführung zu bringen.

Unterdeß haben die Fürsten sich genöthigt gefunden, ihren Aufenthalt in
Frankfurt zu verlängern, auch in diesen Kreisen ist der Zauber des Eröffnungs¬
tages geschwunden. Die Erwägung des Details von zahlreichen Paragraphen
erweist sich als eine schwierige Sache, wobei unsre Fürsten die Thätigkeit ihrer
Minister und Diplomaten nicht entbehren können, die Angelegenheit entgleitet
unmerklich den Händen der Fürsten und kommt allmälig in das gewöhnliche
Gleis unter das Urtheil ihrer Beamten. Man darf sagen, daß vorzugsweise
das Gefühl, zu weit gegangen zu sein, die Verlegenheit, was werden soll und
die Scheu, ein so glänzend begonnenes Unternehmen ohne Resultate zu ver¬
lassen, die regierenden Herren bis jetzt zusammengehalten hat. Allerdings
dauert, so nehmen wir an, beim Kaiser und der Mehrzahl seiner Verbündeten
der feste Entschluß, ein Scheitern des Plans unter allen Umständen zu verhin¬
dern; die Aussichten dazu sind bis jetzt nicht glänzend. Die Sache ist jetzt
so weit gekommen, daß von denen, welche um das Neformproject arbeiten. Nie¬
mand weiß, was daraus werden soll. In gehobener und aufgeregter Stim¬
mung hat man ein Werk von unberechenbarem Einfluß auf die künftigen Ge¬
schicke Deutschlands begonnen. Aber man arbeitet eifrig, trotz der unheimlichen
Stimmungen, welche die Berathung der Paragraphen in der Stille kreuzen. Und
ohne Zweifel wird aus dem Rath der Fürsten ein Reformplan, hier und da
modificirt und den deutschen Wünschen ein wenig besser angepaßt, hervorgehen.
Ob auch eine Koalition der deutschen Fürsten mit Oestreich gegen Preußen?
Beide mögen so lange dauern, bis ein entschlossener Widerstand im deutschen
Volke sich dagegen ausspricht. Dann fällt der Plan in Trümmer und was
sich an ihn festhängt.*


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[0362] Der östreichische Resormplml und die Deutschen. Wie zu erwarten war, ist der hochgespannter Hoffnung, womit ein Theil der Deutschen dem östreichischen Entwurf einer Bundesreform entgegensah, die Ernüchterung gefolgt. Der Wortlaut des Rcformplcmes ist durch die Presse verbreitet, die Kritik hat begonnen, anerkennend, ruhig, schonend, der Abgeord¬ netentag hat sein Votum darüber abgegeben, auch er maßvoll und vorsichtig; schon werden entschiedene Stimmen laut, welche den Plan für eine verfehlte Arbeit erklären. Dem schnellen Urtheil der Tagespresse werden voraussichtlich eingehende Flugschriften folgen. Je gründlicher die Erwägung wird, desto großer erweisen sich die Bedenken, ja die Unmöglichkeit, diesen Plan ohne tief¬ einschneidende Veränderungen zur Ausführung zu bringen. Unterdeß haben die Fürsten sich genöthigt gefunden, ihren Aufenthalt in Frankfurt zu verlängern, auch in diesen Kreisen ist der Zauber des Eröffnungs¬ tages geschwunden. Die Erwägung des Details von zahlreichen Paragraphen erweist sich als eine schwierige Sache, wobei unsre Fürsten die Thätigkeit ihrer Minister und Diplomaten nicht entbehren können, die Angelegenheit entgleitet unmerklich den Händen der Fürsten und kommt allmälig in das gewöhnliche Gleis unter das Urtheil ihrer Beamten. Man darf sagen, daß vorzugsweise das Gefühl, zu weit gegangen zu sein, die Verlegenheit, was werden soll und die Scheu, ein so glänzend begonnenes Unternehmen ohne Resultate zu ver¬ lassen, die regierenden Herren bis jetzt zusammengehalten hat. Allerdings dauert, so nehmen wir an, beim Kaiser und der Mehrzahl seiner Verbündeten der feste Entschluß, ein Scheitern des Plans unter allen Umständen zu verhin¬ dern; die Aussichten dazu sind bis jetzt nicht glänzend. Die Sache ist jetzt so weit gekommen, daß von denen, welche um das Neformproject arbeiten. Nie¬ mand weiß, was daraus werden soll. In gehobener und aufgeregter Stim¬ mung hat man ein Werk von unberechenbarem Einfluß auf die künftigen Ge¬ schicke Deutschlands begonnen. Aber man arbeitet eifrig, trotz der unheimlichen Stimmungen, welche die Berathung der Paragraphen in der Stille kreuzen. Und ohne Zweifel wird aus dem Rath der Fürsten ein Reformplan, hier und da modificirt und den deutschen Wünschen ein wenig besser angepaßt, hervorgehen. Ob auch eine Koalition der deutschen Fürsten mit Oestreich gegen Preußen? Beide mögen so lange dauern, bis ein entschlossener Widerstand im deutschen Volke sich dagegen ausspricht. Dann fällt der Plan in Trümmer und was sich an ihn festhängt.* 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/362>, abgerufen am 29.04.2024.