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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Das östreichische Fußvolk.
2.

Ganz anders sah es mit den italienischen Regimentern aus. Dieselben
galten im Durchschnitt als die schlechtesten der ganzen Armee und waren es
auch in der That. Mochten nun diejenigen, welche behaupteten, daß der Ita¬
liener zum Soldaten nicht gut tauge, Recht haben, oder waren die Leute nur
darum verdrossen, nachlässig und unbotmäßig, weil sie östreichische Soldaten
waren, oder verstand man es nicht, diese Nationalität entsprechend zu 'be¬
handeln, genug -- ein italienisches Regiment bot einen weit unbefriedigenderen
Anblick als jede andere östreichische Truppe.

Da war nichts zu sehen von jener ernsten Ruhe und dem schwerfälligen,
aber sichern Auftreten, welches die Deutschen und Böhmen auszeichnete, oder
von der maschinenmäßiger Abgemessenheit der Polen und Rußniaken. denen
man es ansah, daß sie im vorkommenden Falle im heftigsten Kanonenfeuer,
ohne ein Glied zu rühren, aushalten würden; da war auch nicht die elastische
und doch so stramme Haltung der Ungarn, und auch bei dem Anzüge fehlte
sowohl die fast peinliche Sauberkeit des deutschen Soldaten als auch die
elegante Nettigkeit des Magyaren. Die meisten italienischen Soldaten behielten
trotz aller Drillmeisterei deutscher Unteroffiziere, welche ihnen zugetheilt worden
waren, bis an das Ende ihrer Dienstzeit eine schlechte, nachlässige Körperhaltung
und konnten sich nimmer die zu jener Zeit von dem in Reihe und Glied stehen¬
den Soldaten verlangte Ruhe angewöhnen. Mancher deutsche Stabsoffizier, in
ein solches Regiment versetzt, gerieth in Verzweiflung, wenn er trotz des wieder¬
holten "Stillerufes" in seinem Bataillon Hände, Füße und Köpfe mit queck¬
silberner Lebendigkeit sich bewegen sah und bald da bald dort leise Zuflüste¬
rungen, ja selbst laute Ausrufe vernahm. Auch hing die Montur den Soldaten
faltig und schmierig auf dem Leibe, oder sie hatten auch wohl dieselbe mit
allerlei unerlaubten Ausschmückungen versehen und sahen eher windigen Stu¬
tzern als Soldaten ähnlich.

Die Dienstsprache war hier, wie bei allen östreichischen Truppen, die
deutsche. Man weiß aber, wie schwer dem Italiener die Erlernung dieser
Sprache fällt, und wie wenig er schon damals dazu geneigt war. Somit ver¬
standen und sprachen auch nur wenige Unteroffiziere die Sprache, in welcher
ihr Reglement und alle übrigen Belehrungen über ihren Dienst gedruckt waren,
und konnten sich daher auch die Kenntniß des letzteren nur höchst unvollkommen
erwerben. Dagegen fand man wieder Offiziere, welche der italienischen Sprache


Das östreichische Fußvolk.
2.

Ganz anders sah es mit den italienischen Regimentern aus. Dieselben
galten im Durchschnitt als die schlechtesten der ganzen Armee und waren es
auch in der That. Mochten nun diejenigen, welche behaupteten, daß der Ita¬
liener zum Soldaten nicht gut tauge, Recht haben, oder waren die Leute nur
darum verdrossen, nachlässig und unbotmäßig, weil sie östreichische Soldaten
waren, oder verstand man es nicht, diese Nationalität entsprechend zu 'be¬
handeln, genug — ein italienisches Regiment bot einen weit unbefriedigenderen
Anblick als jede andere östreichische Truppe.

Da war nichts zu sehen von jener ernsten Ruhe und dem schwerfälligen,
aber sichern Auftreten, welches die Deutschen und Böhmen auszeichnete, oder
von der maschinenmäßiger Abgemessenheit der Polen und Rußniaken. denen
man es ansah, daß sie im vorkommenden Falle im heftigsten Kanonenfeuer,
ohne ein Glied zu rühren, aushalten würden; da war auch nicht die elastische
und doch so stramme Haltung der Ungarn, und auch bei dem Anzüge fehlte
sowohl die fast peinliche Sauberkeit des deutschen Soldaten als auch die
elegante Nettigkeit des Magyaren. Die meisten italienischen Soldaten behielten
trotz aller Drillmeisterei deutscher Unteroffiziere, welche ihnen zugetheilt worden
waren, bis an das Ende ihrer Dienstzeit eine schlechte, nachlässige Körperhaltung
und konnten sich nimmer die zu jener Zeit von dem in Reihe und Glied stehen¬
den Soldaten verlangte Ruhe angewöhnen. Mancher deutsche Stabsoffizier, in
ein solches Regiment versetzt, gerieth in Verzweiflung, wenn er trotz des wieder¬
holten „Stillerufes" in seinem Bataillon Hände, Füße und Köpfe mit queck¬
silberner Lebendigkeit sich bewegen sah und bald da bald dort leise Zuflüste¬
rungen, ja selbst laute Ausrufe vernahm. Auch hing die Montur den Soldaten
faltig und schmierig auf dem Leibe, oder sie hatten auch wohl dieselbe mit
allerlei unerlaubten Ausschmückungen versehen und sahen eher windigen Stu¬
tzern als Soldaten ähnlich.

Die Dienstsprache war hier, wie bei allen östreichischen Truppen, die
deutsche. Man weiß aber, wie schwer dem Italiener die Erlernung dieser
Sprache fällt, und wie wenig er schon damals dazu geneigt war. Somit ver¬
standen und sprachen auch nur wenige Unteroffiziere die Sprache, in welcher
ihr Reglement und alle übrigen Belehrungen über ihren Dienst gedruckt waren,
und konnten sich daher auch die Kenntniß des letzteren nur höchst unvollkommen
erwerben. Dagegen fand man wieder Offiziere, welche der italienischen Sprache


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[0391] Das östreichische Fußvolk. 2. Ganz anders sah es mit den italienischen Regimentern aus. Dieselben galten im Durchschnitt als die schlechtesten der ganzen Armee und waren es auch in der That. Mochten nun diejenigen, welche behaupteten, daß der Ita¬ liener zum Soldaten nicht gut tauge, Recht haben, oder waren die Leute nur darum verdrossen, nachlässig und unbotmäßig, weil sie östreichische Soldaten waren, oder verstand man es nicht, diese Nationalität entsprechend zu 'be¬ handeln, genug — ein italienisches Regiment bot einen weit unbefriedigenderen Anblick als jede andere östreichische Truppe. Da war nichts zu sehen von jener ernsten Ruhe und dem schwerfälligen, aber sichern Auftreten, welches die Deutschen und Böhmen auszeichnete, oder von der maschinenmäßiger Abgemessenheit der Polen und Rußniaken. denen man es ansah, daß sie im vorkommenden Falle im heftigsten Kanonenfeuer, ohne ein Glied zu rühren, aushalten würden; da war auch nicht die elastische und doch so stramme Haltung der Ungarn, und auch bei dem Anzüge fehlte sowohl die fast peinliche Sauberkeit des deutschen Soldaten als auch die elegante Nettigkeit des Magyaren. Die meisten italienischen Soldaten behielten trotz aller Drillmeisterei deutscher Unteroffiziere, welche ihnen zugetheilt worden waren, bis an das Ende ihrer Dienstzeit eine schlechte, nachlässige Körperhaltung und konnten sich nimmer die zu jener Zeit von dem in Reihe und Glied stehen¬ den Soldaten verlangte Ruhe angewöhnen. Mancher deutsche Stabsoffizier, in ein solches Regiment versetzt, gerieth in Verzweiflung, wenn er trotz des wieder¬ holten „Stillerufes" in seinem Bataillon Hände, Füße und Köpfe mit queck¬ silberner Lebendigkeit sich bewegen sah und bald da bald dort leise Zuflüste¬ rungen, ja selbst laute Ausrufe vernahm. Auch hing die Montur den Soldaten faltig und schmierig auf dem Leibe, oder sie hatten auch wohl dieselbe mit allerlei unerlaubten Ausschmückungen versehen und sahen eher windigen Stu¬ tzern als Soldaten ähnlich. Die Dienstsprache war hier, wie bei allen östreichischen Truppen, die deutsche. Man weiß aber, wie schwer dem Italiener die Erlernung dieser Sprache fällt, und wie wenig er schon damals dazu geneigt war. Somit ver¬ standen und sprachen auch nur wenige Unteroffiziere die Sprache, in welcher ihr Reglement und alle übrigen Belehrungen über ihren Dienst gedruckt waren, und konnten sich daher auch die Kenntniß des letzteren nur höchst unvollkommen erwerben. Dagegen fand man wieder Offiziere, welche der italienischen Sprache

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/391>, abgerufen am 29.04.2024.