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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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fers ist Thaddäus von Suessa als der unbedingt Ergebene, der seine Treue
auch mit dem Tod besiegelt, von Anfang an in einen wirksamen Gegensatz zu
Pietro gestellt, während Hermann von Salza, der Großmeister des Deutsch¬
ordens, die national deutsche Sache im Gegensatz zu den universalistischen
Entwürfen Friedrichs vertritt. "In Deutschland gründet Euch, dort ist ein
Boden," ruft er dem Kaiser gleich in der ersten Scene vor, und als es mit
diesem zu Ende geht, ruft er ihm nach:


Auch du erfüllst es, was seit Karl dem Großen
Der Deutschen Elend war, der ferne schweifende
Gedanke, den die Fremde lockt, und der
An dies Phantom das Leben setzt, indessen
Nach eines Ordners Hand die Heimath schmachtet.

Daß dieses nationale Element im engeren Sinne nicht größeren Raum
im Drama einnimmt, ist nur zu loben. Ueberhaupt ist es dem Dichter als
Verdienst anzurechnen, daß er die Gelegenheit, die sich oft genug darbot, durch
wohlfeile Phrasen an die unklaren patriotischen Regungen der Menge zu
appelliren, durchaus vermieden hat. Er sucht durch einen vaterländischen Stoff
wahrhaft tragische Wirkung zu erreichen -- dies ist genug, und daß er sie im
Ganzen und Großen erreicht, glauben wir gezeigt zu haben. Die Probe der
Bühne wird das Stück ohne Zweifel wohl bestehen, um so eher, wenn die
Episoden, welche das Schwächste sind, auf das Nothwendigste beschränkt wer¬
den. Besonders im vierten und fünften Act sollte, nachdem die Höhe des
psychologischen Conflicts erreicht ist, auch der äußerliche Verlauf der Handlung
sich beflügeln und gleichsam nach den Gesetzen des Falls das Ende beschleunigt
werden. Was die Hauptsache ist, die echt tragische Verwicklung, erinnern wir
uns nicht bei irgend einem neuern Drama so rein durchgeführt zu finden.
Dies rechtfertigt trotz der nicht zu läugnenden Mängel eine eingehende Beur¬
theilung. Zugleich lag es nahe, den Unstern, der über unsern Hohenstaufen-
tragöoien überhaupt schwebt, bei diesem Anlaß näher ins Auge zu fassen. Das
einzelne Drama will freilich für sich betrachtet und beurtheilt werden. Der
Dichter ist allein dafür verantwortlich, die Vorzüge wie die Mängel kommen
auf seine Rechnung! Liegt aber eine fünfzigjährige Erfahrung vor, die fast
über eine ganze Gattung ein ungünstiges Urtheil zu fällen scheint, so muß es
erlaubt sein, zugleich nach allgemeineren Gründen zu suchen. Stellt sich dann
heraus, daß jene Erscheinung allerdings keine zufällige ist, so wird man wohl
dasjenige, was gleichwohl Tüchtiges auf diesem Gebiet geleistet worden ist,
doppelt anerkennen, aber auch zugleich bedauern müssen, bedeutende dichterische
Kräfte immer wieder auf Wegen wandeln zu sehen, auf welchen volle Lor¬
^V. Z^.. beeren nun einmal nicht zu holen sind.




fers ist Thaddäus von Suessa als der unbedingt Ergebene, der seine Treue
auch mit dem Tod besiegelt, von Anfang an in einen wirksamen Gegensatz zu
Pietro gestellt, während Hermann von Salza, der Großmeister des Deutsch¬
ordens, die national deutsche Sache im Gegensatz zu den universalistischen
Entwürfen Friedrichs vertritt. „In Deutschland gründet Euch, dort ist ein
Boden," ruft er dem Kaiser gleich in der ersten Scene vor, und als es mit
diesem zu Ende geht, ruft er ihm nach:


Auch du erfüllst es, was seit Karl dem Großen
Der Deutschen Elend war, der ferne schweifende
Gedanke, den die Fremde lockt, und der
An dies Phantom das Leben setzt, indessen
Nach eines Ordners Hand die Heimath schmachtet.

Daß dieses nationale Element im engeren Sinne nicht größeren Raum
im Drama einnimmt, ist nur zu loben. Ueberhaupt ist es dem Dichter als
Verdienst anzurechnen, daß er die Gelegenheit, die sich oft genug darbot, durch
wohlfeile Phrasen an die unklaren patriotischen Regungen der Menge zu
appelliren, durchaus vermieden hat. Er sucht durch einen vaterländischen Stoff
wahrhaft tragische Wirkung zu erreichen — dies ist genug, und daß er sie im
Ganzen und Großen erreicht, glauben wir gezeigt zu haben. Die Probe der
Bühne wird das Stück ohne Zweifel wohl bestehen, um so eher, wenn die
Episoden, welche das Schwächste sind, auf das Nothwendigste beschränkt wer¬
den. Besonders im vierten und fünften Act sollte, nachdem die Höhe des
psychologischen Conflicts erreicht ist, auch der äußerliche Verlauf der Handlung
sich beflügeln und gleichsam nach den Gesetzen des Falls das Ende beschleunigt
werden. Was die Hauptsache ist, die echt tragische Verwicklung, erinnern wir
uns nicht bei irgend einem neuern Drama so rein durchgeführt zu finden.
Dies rechtfertigt trotz der nicht zu läugnenden Mängel eine eingehende Beur¬
theilung. Zugleich lag es nahe, den Unstern, der über unsern Hohenstaufen-
tragöoien überhaupt schwebt, bei diesem Anlaß näher ins Auge zu fassen. Das
einzelne Drama will freilich für sich betrachtet und beurtheilt werden. Der
Dichter ist allein dafür verantwortlich, die Vorzüge wie die Mängel kommen
auf seine Rechnung! Liegt aber eine fünfzigjährige Erfahrung vor, die fast
über eine ganze Gattung ein ungünstiges Urtheil zu fällen scheint, so muß es
erlaubt sein, zugleich nach allgemeineren Gründen zu suchen. Stellt sich dann
heraus, daß jene Erscheinung allerdings keine zufällige ist, so wird man wohl
dasjenige, was gleichwohl Tüchtiges auf diesem Gebiet geleistet worden ist,
doppelt anerkennen, aber auch zugleich bedauern müssen, bedeutende dichterische
Kräfte immer wieder auf Wegen wandeln zu sehen, auf welchen volle Lor¬
^V. Z^.. beeren nun einmal nicht zu holen sind.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/390>, abgerufen am 15.05.2024.