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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Das östreichische Fußvolk.
3.

Nach dem Friedensschlüsse begann man die Ursachen des gehabten Mi߬
geschickes zu studiren und an deren Abhilfe zu denken.

Da man der Infanterie die größte Schuld zuschrieb, so schritt man auch hier
zuerst an das Reformwerk. Der Vorwurf, den man der Haltung des öst¬
reichischen Fußvolkes machte, war zwa.r nicht unbegründet, aber er traf auch
alle übrigen Truppengattungen in demselben, ja in noch höherem Grade. Denn
die Artillerie bewies, wie hier schon früher bemerkt wurde, bei verschiedenen
Gelegenheiten, welche Rückschritte die Ausbildung und Kriegstüchtigkeit ihres
Personals gemacht hatten und mit welchem Nachtheil ihr mangelhaftes Mate¬
rial dem ihrer Gegner gegenüberstand. Und die Cavallerie, obwohl einzelne
Individuen und Abtheilungen derselben wahre Wunder der Tapferkeit wirkten,
spielte mit ihrer Hauptmasse an dem Entscheidungstage bei Solferino doch eine
höchst klägliche Rolle. Es wäre zu weitläufig, auch die übrigen Heeresbestand¬
theile anzuführen, und so möge die Erwähnung des Gencralstnbes und der
Ingenieure genügen, bei denen sich nur zu Viele auf eine höchst gründliche Weise
blamirten.

Doch ließen schon die ersten Maßregeln, welche man zur Verbesserung des
Fußvolkes traf, erkennen, daß es nur auf eine Aenderung der äußeren Formen
abgesehen sei, und unbedeutende. Spielereien schienen durch längere Zeit die
ganze Thätigkeit der leitenden Behörden in Anspruch zu nehmen. Erst später,
nach dem Züricher Frieden, wurden umfassendere Veränderungen vorgenommen.

Die Grenadiere hörten als abgesonderte Truppe zu bestehen auf. Der
Name derselben verschwand zwar nicht, indem alle jene Soldaten und Unter¬
offiziere, welche eine zweite Kapitulation eingingen, zu Grenadieren ernannt
wurden, doch verblieben dieselben bei ihren Abtheilungen und unterschieden sich
von den übrigen Soldaten nur durch die auf dem Riemzeuge und dem Rock¬
kragen angebrachten Granaten.

Die Zahl der Regimenter wurde auf 80 erhöht, doch zählte das Regiment
nur drei Bataillone zu je sechs Compagnien, und es sollten die beiden ersten
Bataillone zweier Linienregimenter und ein Jägcrbatcnllon in eine Brigade zu¬
sammengestellt werden. Dagegen erhielt das Jägerregiment, da nun einmal
Tirol nicht mehr als ein Regiment stellen sollte, die enorme Stärke Fon acht
Bataillonen! Eine Aufrechthaltung ihrer Rechte, wofür die Tiroler der östrei¬
chischen Negierung eben keinen sonderlichen Dank wußten.

Die Jägerbataillvne wurden auf 32 vermehrt.

Diese Aenderung der Organisation brachte, die Vermehrung der Jäger ab¬
gerechnet, geringen Vortheil.


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Das östreichische Fußvolk.
3.

Nach dem Friedensschlüsse begann man die Ursachen des gehabten Mi߬
geschickes zu studiren und an deren Abhilfe zu denken.

Da man der Infanterie die größte Schuld zuschrieb, so schritt man auch hier
zuerst an das Reformwerk. Der Vorwurf, den man der Haltung des öst¬
reichischen Fußvolkes machte, war zwa.r nicht unbegründet, aber er traf auch
alle übrigen Truppengattungen in demselben, ja in noch höherem Grade. Denn
die Artillerie bewies, wie hier schon früher bemerkt wurde, bei verschiedenen
Gelegenheiten, welche Rückschritte die Ausbildung und Kriegstüchtigkeit ihres
Personals gemacht hatten und mit welchem Nachtheil ihr mangelhaftes Mate¬
rial dem ihrer Gegner gegenüberstand. Und die Cavallerie, obwohl einzelne
Individuen und Abtheilungen derselben wahre Wunder der Tapferkeit wirkten,
spielte mit ihrer Hauptmasse an dem Entscheidungstage bei Solferino doch eine
höchst klägliche Rolle. Es wäre zu weitläufig, auch die übrigen Heeresbestand¬
theile anzuführen, und so möge die Erwähnung des Gencralstnbes und der
Ingenieure genügen, bei denen sich nur zu Viele auf eine höchst gründliche Weise
blamirten.

Doch ließen schon die ersten Maßregeln, welche man zur Verbesserung des
Fußvolkes traf, erkennen, daß es nur auf eine Aenderung der äußeren Formen
abgesehen sei, und unbedeutende. Spielereien schienen durch längere Zeit die
ganze Thätigkeit der leitenden Behörden in Anspruch zu nehmen. Erst später,
nach dem Züricher Frieden, wurden umfassendere Veränderungen vorgenommen.

Die Grenadiere hörten als abgesonderte Truppe zu bestehen auf. Der
Name derselben verschwand zwar nicht, indem alle jene Soldaten und Unter¬
offiziere, welche eine zweite Kapitulation eingingen, zu Grenadieren ernannt
wurden, doch verblieben dieselben bei ihren Abtheilungen und unterschieden sich
von den übrigen Soldaten nur durch die auf dem Riemzeuge und dem Rock¬
kragen angebrachten Granaten.

Die Zahl der Regimenter wurde auf 80 erhöht, doch zählte das Regiment
nur drei Bataillone zu je sechs Compagnien, und es sollten die beiden ersten
Bataillone zweier Linienregimenter und ein Jägcrbatcnllon in eine Brigade zu¬
sammengestellt werden. Dagegen erhielt das Jägerregiment, da nun einmal
Tirol nicht mehr als ein Regiment stellen sollte, die enorme Stärke Fon acht
Bataillonen! Eine Aufrechthaltung ihrer Rechte, wofür die Tiroler der östrei¬
chischen Negierung eben keinen sonderlichen Dank wußten.

Die Jägerbataillvne wurden auf 32 vermehrt.

Diese Aenderung der Organisation brachte, die Vermehrung der Jäger ab¬
gerechnet, geringen Vortheil.


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[0421] Das östreichische Fußvolk. 3. Nach dem Friedensschlüsse begann man die Ursachen des gehabten Mi߬ geschickes zu studiren und an deren Abhilfe zu denken. Da man der Infanterie die größte Schuld zuschrieb, so schritt man auch hier zuerst an das Reformwerk. Der Vorwurf, den man der Haltung des öst¬ reichischen Fußvolkes machte, war zwa.r nicht unbegründet, aber er traf auch alle übrigen Truppengattungen in demselben, ja in noch höherem Grade. Denn die Artillerie bewies, wie hier schon früher bemerkt wurde, bei verschiedenen Gelegenheiten, welche Rückschritte die Ausbildung und Kriegstüchtigkeit ihres Personals gemacht hatten und mit welchem Nachtheil ihr mangelhaftes Mate¬ rial dem ihrer Gegner gegenüberstand. Und die Cavallerie, obwohl einzelne Individuen und Abtheilungen derselben wahre Wunder der Tapferkeit wirkten, spielte mit ihrer Hauptmasse an dem Entscheidungstage bei Solferino doch eine höchst klägliche Rolle. Es wäre zu weitläufig, auch die übrigen Heeresbestand¬ theile anzuführen, und so möge die Erwähnung des Gencralstnbes und der Ingenieure genügen, bei denen sich nur zu Viele auf eine höchst gründliche Weise blamirten. Doch ließen schon die ersten Maßregeln, welche man zur Verbesserung des Fußvolkes traf, erkennen, daß es nur auf eine Aenderung der äußeren Formen abgesehen sei, und unbedeutende. Spielereien schienen durch längere Zeit die ganze Thätigkeit der leitenden Behörden in Anspruch zu nehmen. Erst später, nach dem Züricher Frieden, wurden umfassendere Veränderungen vorgenommen. Die Grenadiere hörten als abgesonderte Truppe zu bestehen auf. Der Name derselben verschwand zwar nicht, indem alle jene Soldaten und Unter¬ offiziere, welche eine zweite Kapitulation eingingen, zu Grenadieren ernannt wurden, doch verblieben dieselben bei ihren Abtheilungen und unterschieden sich von den übrigen Soldaten nur durch die auf dem Riemzeuge und dem Rock¬ kragen angebrachten Granaten. Die Zahl der Regimenter wurde auf 80 erhöht, doch zählte das Regiment nur drei Bataillone zu je sechs Compagnien, und es sollten die beiden ersten Bataillone zweier Linienregimenter und ein Jägcrbatcnllon in eine Brigade zu¬ sammengestellt werden. Dagegen erhielt das Jägerregiment, da nun einmal Tirol nicht mehr als ein Regiment stellen sollte, die enorme Stärke Fon acht Bataillonen! Eine Aufrechthaltung ihrer Rechte, wofür die Tiroler der östrei¬ chischen Negierung eben keinen sonderlichen Dank wußten. Die Jägerbataillvne wurden auf 32 vermehrt. Diese Aenderung der Organisation brachte, die Vermehrung der Jäger ab¬ gerechnet, geringen Vortheil. 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/421>, abgerufen am 29.04.2024.