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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Allerdings war die Stärke der östreichischen Regimenter ungewöhnlich groß,
doch lag der Nachtheil weniger in der Größe der Regimenter, als in der Un-
behilflichkeit der Bataillone. Durch eine Vermehrung der Letzteren hätte allen
Uebelständen vorgebeugt werden können. Aber man ließ die Bataillone in ihrer
bisherigen Stärke und schwächte die Regimenter, indem man aus dreien deren
vier formirte.

Ein eigentlicher Armeegeist, wie bei den Heeren anderer Staaten, wird sich
schon wegen der Verschiedenheit der Nationalitäten bei dem östreichischen Fu߬
volk niemals entwickeln, wohl aber ein ganz vorzüglicher Regimentsgeist.
Mehre kleine Provinzen, so z. B. Kärnthen, Krain, Schlesien, die Bukowina,
Kroatien und das Küstenland stellten gerade so viele Soldaten, um ein Regiment
nach dem alten Etat formiren zu können. Es war eine-gute Sache und übte
auf die Stimmung der Mannschaft einen wohlthätigen Einfluß, daß die Ange¬
hörigen eines Landes sich, wenn auch nicht auf dem Kampfplatze, so doch in
demselben Körper vereint wußten, dieselbe Kleidung trugen und unter demselben
Befehlshaber standen.

Nun aber wurden die Regimenter zerrissen und aus den einzelnen Ba¬
taillonen, ohne Rücksicht auf deren Nationalität, neue Regimenter formirt, so
daß z. B. das erste Bataillon aus Oberöstreichern, das zweite aus Italienern
und das dritte aus Ruthenen bestand. Diese heterogene Zusammensetzung mußte
jetzt um so nachtheiliger sein, als der früher eigentlich nur im Frieden be¬
stehende und mehr auf die Administration Bezug nehmende Regimentsverband
jetzt auch im Kriege aufrecht erhalten werden und das Regiment -- wie schon
in älterer Zeit, etwa im siebenjährigen Kriege -- einen für sich bestehenden
taktischen Körper bilden sollte.

Es dauerte über ein Jahr, bis man das Unzweckmäßige dieser Organisa¬
tion erkannte. Man verkleinerte nun die Bataillone und vermehrte deren Zahl,
indem man aus den bestehenden drei Bataillonen eines jeden Regiments ein
viertes errichtete.

Hierauf wurde ein neues Reglement eingeführt. Dasselbe unterscheidet sich
allerdings durch seine Einfachheit und Deutlichkeit von seinen Vorgängern in
sehr erfreulicher Weise, doch haben Pedanterie und Paradewesen es auch hier
schon verstanden, ihrer Thätigkeit ein ausgedehntes Gebiet zu verschaffen. Uebri-
gens hat man von der Sache größeres Aufheben gemacht, als sie in Wahr¬
heit verdiente, und sonderbar genug haben gerade ausländische Stimmen die
Vortrefflichkeit des neuen östreichischen Reglements zuerst ausposaunt und östrei¬
chische Journale die Sache in ihrem wahren Lichte dargestellt. So brachten
der "Spectateur militaire" und nach ihm das frankfurter "Militärwochenblatt"
Mittheilungen über diesen Gegenstand und äußerten sich, daß das neue östrei¬
chische Reglement von allen andern bisher erschienenen wesentlich abweiche, in-


Allerdings war die Stärke der östreichischen Regimenter ungewöhnlich groß,
doch lag der Nachtheil weniger in der Größe der Regimenter, als in der Un-
behilflichkeit der Bataillone. Durch eine Vermehrung der Letzteren hätte allen
Uebelständen vorgebeugt werden können. Aber man ließ die Bataillone in ihrer
bisherigen Stärke und schwächte die Regimenter, indem man aus dreien deren
vier formirte.

Ein eigentlicher Armeegeist, wie bei den Heeren anderer Staaten, wird sich
schon wegen der Verschiedenheit der Nationalitäten bei dem östreichischen Fu߬
volk niemals entwickeln, wohl aber ein ganz vorzüglicher Regimentsgeist.
Mehre kleine Provinzen, so z. B. Kärnthen, Krain, Schlesien, die Bukowina,
Kroatien und das Küstenland stellten gerade so viele Soldaten, um ein Regiment
nach dem alten Etat formiren zu können. Es war eine-gute Sache und übte
auf die Stimmung der Mannschaft einen wohlthätigen Einfluß, daß die Ange¬
hörigen eines Landes sich, wenn auch nicht auf dem Kampfplatze, so doch in
demselben Körper vereint wußten, dieselbe Kleidung trugen und unter demselben
Befehlshaber standen.

Nun aber wurden die Regimenter zerrissen und aus den einzelnen Ba¬
taillonen, ohne Rücksicht auf deren Nationalität, neue Regimenter formirt, so
daß z. B. das erste Bataillon aus Oberöstreichern, das zweite aus Italienern
und das dritte aus Ruthenen bestand. Diese heterogene Zusammensetzung mußte
jetzt um so nachtheiliger sein, als der früher eigentlich nur im Frieden be¬
stehende und mehr auf die Administration Bezug nehmende Regimentsverband
jetzt auch im Kriege aufrecht erhalten werden und das Regiment — wie schon
in älterer Zeit, etwa im siebenjährigen Kriege — einen für sich bestehenden
taktischen Körper bilden sollte.

Es dauerte über ein Jahr, bis man das Unzweckmäßige dieser Organisa¬
tion erkannte. Man verkleinerte nun die Bataillone und vermehrte deren Zahl,
indem man aus den bestehenden drei Bataillonen eines jeden Regiments ein
viertes errichtete.

Hierauf wurde ein neues Reglement eingeführt. Dasselbe unterscheidet sich
allerdings durch seine Einfachheit und Deutlichkeit von seinen Vorgängern in
sehr erfreulicher Weise, doch haben Pedanterie und Paradewesen es auch hier
schon verstanden, ihrer Thätigkeit ein ausgedehntes Gebiet zu verschaffen. Uebri-
gens hat man von der Sache größeres Aufheben gemacht, als sie in Wahr¬
heit verdiente, und sonderbar genug haben gerade ausländische Stimmen die
Vortrefflichkeit des neuen östreichischen Reglements zuerst ausposaunt und östrei¬
chische Journale die Sache in ihrem wahren Lichte dargestellt. So brachten
der „Spectateur militaire" und nach ihm das frankfurter „Militärwochenblatt"
Mittheilungen über diesen Gegenstand und äußerten sich, daß das neue östrei¬
chische Reglement von allen andern bisher erschienenen wesentlich abweiche, in-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/422>, abgerufen am 16.05.2024.