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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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sich die Hände reichen, und Deutschland würde wie zwischen zwei Mühlsteinen
zerrieben werden..um den Großmächten als Material zu ihrer eigenen Ver¬
größerung zu dienen. Die Verwirklichung der großdeutschen Pläne würde bei¬
den Großmächten das Programm der Mainlinie aufnöthigen. Der Dualis¬
mus erträgt keine Ausgleichung: er kann nur überwunden werden durch eine
völlige Trennung Oestreichs und Preußens, d. K. durch eine Ausscheidung
Oestreichs aus dem deutschen Bunde. Die kleindeutsche Idee will das ganze
Deutschland, soweit es nicht zu Oestreich gehört, zu einem Bundesstaate ver¬
einigen. Die großdeutsche Idee führt zur Lockerung des Bundes, zur völligen
Z. Nichtigkeit der Bundesgewalt und endlich zur Theilung.




Lord Byron.
(Schluß.)

Dilettantisch ist Lord Byrons Liberalismus immerdar geblieben -- ein
Grund mehr für den Widerwillen seiner Landsleute, die längst gelernt, die
großen Geschäfte des Staatslebens auch mit dem Ernste des Geschäftsmanns
zu behandeln. Die Langeweile, die Sehnsucht eines edlen ruhelosen Herzens
nach großen heldenhaften Gemüthsbewegungen haben an Byrons letzten Thaten
ebenso großen Antheil wie die romantische Schwärmerei für das Land und
Volk der Griechen. Aber man frage sich: was würde er, der Unstete und
Ungeschulte, geleistet haben, wenn er seinen Platz im Oberhause eingenommen
und mitgewirkt hätte an dem langsamen großen Werke der Reform, das die
Huskisson, Rüssel. Brougham und Byrons Schulkamerad Robert Peel auf
grundverschiedenen Wegen, aber alle mit dem gleichen zäh ausharrenden Sinne
begannen? Indem Byron sich hineinstürzte in die wilde Währung des Con-
tinents, die solcher vulkanischer Naturen bedürfte, hat er von seinem politischen
Talente den denkbar besten Gebrauch gemacht. Nur auf solche Weise konnte
dieser Mensch ein politischer Kämpfer werden. Und wenn ihr den unbestimm¬
ten, lediglich verneinenden Charakter seines Liberalismus tadelt: wer heißt euch
denn vom Lenze Trauben fordern? wer darf in dem Chaos jener südländischen
Revolutionen ein klares Parteiprogramm erwarten? Desgleichen läßt sich gar
leicht erweisen, daß des Dichters Freigeisterei nicht die reife Frucht stetigen


sich die Hände reichen, und Deutschland würde wie zwischen zwei Mühlsteinen
zerrieben werden..um den Großmächten als Material zu ihrer eigenen Ver¬
größerung zu dienen. Die Verwirklichung der großdeutschen Pläne würde bei¬
den Großmächten das Programm der Mainlinie aufnöthigen. Der Dualis¬
mus erträgt keine Ausgleichung: er kann nur überwunden werden durch eine
völlige Trennung Oestreichs und Preußens, d. K. durch eine Ausscheidung
Oestreichs aus dem deutschen Bunde. Die kleindeutsche Idee will das ganze
Deutschland, soweit es nicht zu Oestreich gehört, zu einem Bundesstaate ver¬
einigen. Die großdeutsche Idee führt zur Lockerung des Bundes, zur völligen
Z. Nichtigkeit der Bundesgewalt und endlich zur Theilung.




Lord Byron.
(Schluß.)

Dilettantisch ist Lord Byrons Liberalismus immerdar geblieben — ein
Grund mehr für den Widerwillen seiner Landsleute, die längst gelernt, die
großen Geschäfte des Staatslebens auch mit dem Ernste des Geschäftsmanns
zu behandeln. Die Langeweile, die Sehnsucht eines edlen ruhelosen Herzens
nach großen heldenhaften Gemüthsbewegungen haben an Byrons letzten Thaten
ebenso großen Antheil wie die romantische Schwärmerei für das Land und
Volk der Griechen. Aber man frage sich: was würde er, der Unstete und
Ungeschulte, geleistet haben, wenn er seinen Platz im Oberhause eingenommen
und mitgewirkt hätte an dem langsamen großen Werke der Reform, das die
Huskisson, Rüssel. Brougham und Byrons Schulkamerad Robert Peel auf
grundverschiedenen Wegen, aber alle mit dem gleichen zäh ausharrenden Sinne
begannen? Indem Byron sich hineinstürzte in die wilde Währung des Con-
tinents, die solcher vulkanischer Naturen bedürfte, hat er von seinem politischen
Talente den denkbar besten Gebrauch gemacht. Nur auf solche Weise konnte
dieser Mensch ein politischer Kämpfer werden. Und wenn ihr den unbestimm¬
ten, lediglich verneinenden Charakter seines Liberalismus tadelt: wer heißt euch
denn vom Lenze Trauben fordern? wer darf in dem Chaos jener südländischen
Revolutionen ein klares Parteiprogramm erwarten? Desgleichen läßt sich gar
leicht erweisen, daß des Dichters Freigeisterei nicht die reife Frucht stetigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/59>, abgerufen am 29.04.2024.