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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Privilegien. Aber doch nur auf die 99 Jahre, für welche sie concessionirt ist?
entgegnet der Leser, der 99 Jahre für eine lange Zeit, zumal in unseren
Tagen halten mag, aber doch meinen kann, sie seien keine endlose Zeit. Wir
antworten: keineswegs. Zwar ist die Dauer der Gesellschaft und der Privilegien
derselben in der Concession auf hundert Jahre weniger eins festgesetzt. Da
aber diese neunundneunzig Jahre erst von der Vollendung des großen Kanals
der beiden Meere zu rechnen sind (Z. compter ä<z I'aelrevement ach tra-vaux
et Ah I'ouvertui-e an canal maritime Z, ig. Zranäe Navigation), so braucht
Herr v. Lesseps mit seiner Gesellschaft, um sich für alle Zeiten im Besitz
jener Privilegien zu erhalten, eben nichts weiter zu thun, als sich auf die Be¬
wässerung und Bebauung des Wadi Tumeilat zu beschränken und den "canal
maritime a la granäe Navigation" unvollendet zu lassen. Im Obigen
ist bemerkt, daß dies vermuthlich schon jetzt seine Absicht ist, und stört ihm
nicht die hohe Politik den Plan, so wird in zehn Jahren der Vetter in Paris
eine sehr nützliche Kolonie mehr am Mittelmeer haben, die leicht einen Vor¬
wand zu Streitigkeiten mit der ägyptischen Regierung und zu Annectirungen
finden lassen wird.

Said Pascha, der Vicekönig, ist soeben zu seinen Vätern und Brüdern
in dem großen bunten Grabmal unter der Citadelle von Kairo versammelt worden.
Wäre er einer Leichenrede werth, so würde darin unter den vielen Thorheiten,
die er während seiner Regierung begangen hat, der Concession des Suezkanals
unzweifelhaft die erste Stelle gebühren. Vielleicht hoffte er für den Fall eines
ihm unbehaglichen Ausgangs der Angelegenheit auf ein quos eZv des britischen
Neptun; wahrscheinlicher ist, daß der wohlbeleibte Herr wie die Mehrzahl dieser
Türken gar nichts gedacht, nichts gefürchtet und nichts gehofft hat.




Als Ouvertüre gingen Heuer dem Landtage die Wahlen der Avgeord
reden voraus, wobei Herr Wildauer jedenfalls die erste Violine strich. Die
Ereignisse, welche sich dabei zutrugen, lassen sich erst jetzt mit voller Klarheit
überblicken. Da der Mann, um welchen sich der Kampf drehte, seit den Tagen
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Privilegien. Aber doch nur auf die 99 Jahre, für welche sie concessionirt ist?
entgegnet der Leser, der 99 Jahre für eine lange Zeit, zumal in unseren
Tagen halten mag, aber doch meinen kann, sie seien keine endlose Zeit. Wir
antworten: keineswegs. Zwar ist die Dauer der Gesellschaft und der Privilegien
derselben in der Concession auf hundert Jahre weniger eins festgesetzt. Da
aber diese neunundneunzig Jahre erst von der Vollendung des großen Kanals
der beiden Meere zu rechnen sind (Z. compter ä<z I'aelrevement ach tra-vaux
et Ah I'ouvertui-e an canal maritime Z, ig. Zranäe Navigation), so braucht
Herr v. Lesseps mit seiner Gesellschaft, um sich für alle Zeiten im Besitz
jener Privilegien zu erhalten, eben nichts weiter zu thun, als sich auf die Be¬
wässerung und Bebauung des Wadi Tumeilat zu beschränken und den „canal
maritime a la granäe Navigation" unvollendet zu lassen. Im Obigen
ist bemerkt, daß dies vermuthlich schon jetzt seine Absicht ist, und stört ihm
nicht die hohe Politik den Plan, so wird in zehn Jahren der Vetter in Paris
eine sehr nützliche Kolonie mehr am Mittelmeer haben, die leicht einen Vor¬
wand zu Streitigkeiten mit der ägyptischen Regierung und zu Annectirungen
finden lassen wird.

Said Pascha, der Vicekönig, ist soeben zu seinen Vätern und Brüdern
in dem großen bunten Grabmal unter der Citadelle von Kairo versammelt worden.
Wäre er einer Leichenrede werth, so würde darin unter den vielen Thorheiten,
die er während seiner Regierung begangen hat, der Concession des Suezkanals
unzweifelhaft die erste Stelle gebühren. Vielleicht hoffte er für den Fall eines
ihm unbehaglichen Ausgangs der Angelegenheit auf ein quos eZv des britischen
Neptun; wahrscheinlicher ist, daß der wohlbeleibte Herr wie die Mehrzahl dieser
Türken gar nichts gedacht, nichts gefürchtet und nichts gehofft hat.




Als Ouvertüre gingen Heuer dem Landtage die Wahlen der Avgeord
reden voraus, wobei Herr Wildauer jedenfalls die erste Violine strich. Die
Ereignisse, welche sich dabei zutrugen, lassen sich erst jetzt mit voller Klarheit
überblicken. Da der Mann, um welchen sich der Kampf drehte, seit den Tagen
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[0235] Privilegien. Aber doch nur auf die 99 Jahre, für welche sie concessionirt ist? entgegnet der Leser, der 99 Jahre für eine lange Zeit, zumal in unseren Tagen halten mag, aber doch meinen kann, sie seien keine endlose Zeit. Wir antworten: keineswegs. Zwar ist die Dauer der Gesellschaft und der Privilegien derselben in der Concession auf hundert Jahre weniger eins festgesetzt. Da aber diese neunundneunzig Jahre erst von der Vollendung des großen Kanals der beiden Meere zu rechnen sind (Z. compter ä<z I'aelrevement ach tra-vaux et Ah I'ouvertui-e an canal maritime Z, ig. Zranäe Navigation), so braucht Herr v. Lesseps mit seiner Gesellschaft, um sich für alle Zeiten im Besitz jener Privilegien zu erhalten, eben nichts weiter zu thun, als sich auf die Be¬ wässerung und Bebauung des Wadi Tumeilat zu beschränken und den „canal maritime a la granäe Navigation" unvollendet zu lassen. Im Obigen ist bemerkt, daß dies vermuthlich schon jetzt seine Absicht ist, und stört ihm nicht die hohe Politik den Plan, so wird in zehn Jahren der Vetter in Paris eine sehr nützliche Kolonie mehr am Mittelmeer haben, die leicht einen Vor¬ wand zu Streitigkeiten mit der ägyptischen Regierung und zu Annectirungen finden lassen wird. Said Pascha, der Vicekönig, ist soeben zu seinen Vätern und Brüdern in dem großen bunten Grabmal unter der Citadelle von Kairo versammelt worden. Wäre er einer Leichenrede werth, so würde darin unter den vielen Thorheiten, die er während seiner Regierung begangen hat, der Concession des Suezkanals unzweifelhaft die erste Stelle gebühren. Vielleicht hoffte er für den Fall eines ihm unbehaglichen Ausgangs der Angelegenheit auf ein quos eZv des britischen Neptun; wahrscheinlicher ist, daß der wohlbeleibte Herr wie die Mehrzahl dieser Türken gar nichts gedacht, nichts gefürchtet und nichts gehofft hat. Als Ouvertüre gingen Heuer dem Landtage die Wahlen der Avgeord reden voraus, wobei Herr Wildauer jedenfalls die erste Violine strich. Die Ereignisse, welche sich dabei zutrugen, lassen sich erst jetzt mit voller Klarheit überblicken. Da der Mann, um welchen sich der Kampf drehte, seit den Tagen " 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/235>, abgerufen am 26.04.2024.