Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

von Frankfurt ein gewisses Ansehen genoß, so gehört jedenfalls eine furze
Uebersicht jener Händel in die Zeitgeschichte.

Die östreichische Regierung war Wildauer für sein Auftreten gegen Metz
ganz gewiß zu größtem Dank verpflichtet; er stritt mit der Zunge glücklicher
für sie als ihre hochadeligen Generale mit dem Degen. Man begreift, daß ihr
sehr daran liegen mußte, einen so ergebenen Anhänger in den Landtag zu
bringen, um so mehr, da man auch von seinem Talent die übertriebensten Vor¬
stellungen hatte. Wildauer wurde daher als Regierungscandidat bezeichnet,
und er widersprach nicht. Der officielle Tirolerbote hatte von ihm schon vor
einem Jahre eine Reihe Artikel, "Worte der Verständigung" gedruckt, in denen
er das vorhandene Material mit unläugbarem Geschick gruppirt hatte, wie ihm
denn Niemand leicht eine saubere Durchführung seiner Arbeiten bestrei¬
kn wird. Dadurch erregte er den Grimm der Klerikalen, und diese behaup¬
teten , er habe sich im Jahre 1861 um ihre Stimmen für die Erlangung eines
Sitzes im Abgeordnetenhause beworben und dabei zugesagt, gegen die Ansiede¬
lung der Protestanten in Tirol zu wirken. Er wurde offen als politischer
Achselträger bezeichnet. Die Sache schien jedoch schon eingeschlafen, als er durch
sein Auftreten als Candidat die Asche von der Kohle blies. Die alten Gerüchte
von der Zweideutigkeit seines Charakters erwachten wieder, seine Freunde glaub¬
ten sie als Verläumdung vornehm beseitigen zu tonnen. Die Führer der
Ultramontanen hatten sich bisher schweigend verhalten, nun fühlten sie sich jedoch
in ihrer Ehre angegriffen und veröffentlichten, Grcuter an der Spitze, eine
Erklärung, worin sie, wenn auch in sehr gemäßigten Ausdrücken, sür die Wahr¬
heit jener Gerüchte einstanden.

Wildauer mußte erwidern, und er suchte den Pelz zu waschen , ohne ihn
naß zu machen. Die Klerikalen wiederholten ihre Anklage schärfer und bestimm¬
ter. Nun konnten auch die Liberalen nicht mehr ruhig bleiben, denn wollte
Wildauer als Kandidat durchdringen, so mußte es durch ihre Stimmen geschehen;
wie sollte man.ihnen aber zumuthen, einem unzuverlässigen Menschen, der nur
den Antrieben niedrigen Ehrgeizes folgend auf jede Weise sich emporzuarbeiten
trachtete, die Eselsbrücke zu bauen? Wildauer wurde daher in der Jnn-
zeitung aufgefordert, sich zu rechtfertigen. Die passendste Gelegenheit dazu bot
die Wahlversammlung der Liberalen am 27. December. Das Comite der
Mittelpartci. welches Wildauer auf seinen Schild geschrieben hatte, erschien
ebenfalls, ein Mitglied desselben. Professor Kleinschrod. hatte im vollen Ver¬
trauen des Sieges die ultramontanen Unterzeichner jener Erklärung aufgefordert,
als Ankläger zu kommen. Sie weigerten sich dessen anfangs, indem sie aus
ihren Charakter als Priester verwiesen, behauptend, daß demselben eine solche
Rolle nicht angemessen sei. Nun wählte aber Professor Kleinschrod solche Aus¬
drücke, daß sie nach ihren eigenen Worten kommen mußten, wenn sie nicht als


von Frankfurt ein gewisses Ansehen genoß, so gehört jedenfalls eine furze
Uebersicht jener Händel in die Zeitgeschichte.

Die östreichische Regierung war Wildauer für sein Auftreten gegen Metz
ganz gewiß zu größtem Dank verpflichtet; er stritt mit der Zunge glücklicher
für sie als ihre hochadeligen Generale mit dem Degen. Man begreift, daß ihr
sehr daran liegen mußte, einen so ergebenen Anhänger in den Landtag zu
bringen, um so mehr, da man auch von seinem Talent die übertriebensten Vor¬
stellungen hatte. Wildauer wurde daher als Regierungscandidat bezeichnet,
und er widersprach nicht. Der officielle Tirolerbote hatte von ihm schon vor
einem Jahre eine Reihe Artikel, „Worte der Verständigung" gedruckt, in denen
er das vorhandene Material mit unläugbarem Geschick gruppirt hatte, wie ihm
denn Niemand leicht eine saubere Durchführung seiner Arbeiten bestrei¬
kn wird. Dadurch erregte er den Grimm der Klerikalen, und diese behaup¬
teten , er habe sich im Jahre 1861 um ihre Stimmen für die Erlangung eines
Sitzes im Abgeordnetenhause beworben und dabei zugesagt, gegen die Ansiede¬
lung der Protestanten in Tirol zu wirken. Er wurde offen als politischer
Achselträger bezeichnet. Die Sache schien jedoch schon eingeschlafen, als er durch
sein Auftreten als Candidat die Asche von der Kohle blies. Die alten Gerüchte
von der Zweideutigkeit seines Charakters erwachten wieder, seine Freunde glaub¬
ten sie als Verläumdung vornehm beseitigen zu tonnen. Die Führer der
Ultramontanen hatten sich bisher schweigend verhalten, nun fühlten sie sich jedoch
in ihrer Ehre angegriffen und veröffentlichten, Grcuter an der Spitze, eine
Erklärung, worin sie, wenn auch in sehr gemäßigten Ausdrücken, sür die Wahr¬
heit jener Gerüchte einstanden.

Wildauer mußte erwidern, und er suchte den Pelz zu waschen , ohne ihn
naß zu machen. Die Klerikalen wiederholten ihre Anklage schärfer und bestimm¬
ter. Nun konnten auch die Liberalen nicht mehr ruhig bleiben, denn wollte
Wildauer als Kandidat durchdringen, so mußte es durch ihre Stimmen geschehen;
wie sollte man.ihnen aber zumuthen, einem unzuverlässigen Menschen, der nur
den Antrieben niedrigen Ehrgeizes folgend auf jede Weise sich emporzuarbeiten
trachtete, die Eselsbrücke zu bauen? Wildauer wurde daher in der Jnn-
zeitung aufgefordert, sich zu rechtfertigen. Die passendste Gelegenheit dazu bot
die Wahlversammlung der Liberalen am 27. December. Das Comite der
Mittelpartci. welches Wildauer auf seinen Schild geschrieben hatte, erschien
ebenfalls, ein Mitglied desselben. Professor Kleinschrod. hatte im vollen Ver¬
trauen des Sieges die ultramontanen Unterzeichner jener Erklärung aufgefordert,
als Ankläger zu kommen. Sie weigerten sich dessen anfangs, indem sie aus
ihren Charakter als Priester verwiesen, behauptend, daß demselben eine solche
Rolle nicht angemessen sei. Nun wählte aber Professor Kleinschrod solche Aus¬
drücke, daß sie nach ihren eigenen Worten kommen mußten, wenn sie nicht als


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187730"/>
          <p xml:id="ID_926" prev="#ID_925"> von Frankfurt ein gewisses Ansehen genoß, so gehört jedenfalls eine furze<lb/>
Uebersicht jener Händel in die Zeitgeschichte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_927"> Die östreichische Regierung war Wildauer für sein Auftreten gegen Metz<lb/>
ganz gewiß zu größtem Dank verpflichtet; er stritt mit der Zunge glücklicher<lb/>
für sie als ihre hochadeligen Generale mit dem Degen. Man begreift, daß ihr<lb/>
sehr daran liegen mußte, einen so ergebenen Anhänger in den Landtag zu<lb/>
bringen, um so mehr, da man auch von seinem Talent die übertriebensten Vor¬<lb/>
stellungen hatte. Wildauer wurde daher als Regierungscandidat bezeichnet,<lb/>
und er widersprach nicht. Der officielle Tirolerbote hatte von ihm schon vor<lb/>
einem Jahre eine Reihe Artikel, &#x201E;Worte der Verständigung" gedruckt, in denen<lb/>
er das vorhandene Material mit unläugbarem Geschick gruppirt hatte, wie ihm<lb/>
denn Niemand leicht eine saubere Durchführung seiner Arbeiten bestrei¬<lb/>
kn wird. Dadurch erregte er den Grimm der Klerikalen, und diese behaup¬<lb/>
teten , er habe sich im Jahre 1861 um ihre Stimmen für die Erlangung eines<lb/>
Sitzes im Abgeordnetenhause beworben und dabei zugesagt, gegen die Ansiede¬<lb/>
lung der Protestanten in Tirol zu wirken. Er wurde offen als politischer<lb/>
Achselträger bezeichnet. Die Sache schien jedoch schon eingeschlafen, als er durch<lb/>
sein Auftreten als Candidat die Asche von der Kohle blies. Die alten Gerüchte<lb/>
von der Zweideutigkeit seines Charakters erwachten wieder, seine Freunde glaub¬<lb/>
ten sie als Verläumdung vornehm beseitigen zu tonnen. Die Führer der<lb/>
Ultramontanen hatten sich bisher schweigend verhalten, nun fühlten sie sich jedoch<lb/>
in ihrer Ehre angegriffen und veröffentlichten, Grcuter an der Spitze, eine<lb/>
Erklärung, worin sie, wenn auch in sehr gemäßigten Ausdrücken, sür die Wahr¬<lb/>
heit jener Gerüchte einstanden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_928" next="#ID_929"> Wildauer mußte erwidern, und er suchte den Pelz zu waschen , ohne ihn<lb/>
naß zu machen. Die Klerikalen wiederholten ihre Anklage schärfer und bestimm¬<lb/>
ter. Nun konnten auch die Liberalen nicht mehr ruhig bleiben, denn wollte<lb/>
Wildauer als Kandidat durchdringen, so mußte es durch ihre Stimmen geschehen;<lb/>
wie sollte man.ihnen aber zumuthen, einem unzuverlässigen Menschen, der nur<lb/>
den Antrieben niedrigen Ehrgeizes folgend auf jede Weise sich emporzuarbeiten<lb/>
trachtete, die Eselsbrücke zu bauen? Wildauer wurde daher in der Jnn-<lb/>
zeitung aufgefordert, sich zu rechtfertigen. Die passendste Gelegenheit dazu bot<lb/>
die Wahlversammlung der Liberalen am 27. December. Das Comite der<lb/>
Mittelpartci. welches Wildauer auf seinen Schild geschrieben hatte, erschien<lb/>
ebenfalls, ein Mitglied desselben. Professor Kleinschrod. hatte im vollen Ver¬<lb/>
trauen des Sieges die ultramontanen Unterzeichner jener Erklärung aufgefordert,<lb/>
als Ankläger zu kommen. Sie weigerten sich dessen anfangs, indem sie aus<lb/>
ihren Charakter als Priester verwiesen, behauptend, daß demselben eine solche<lb/>
Rolle nicht angemessen sei. Nun wählte aber Professor Kleinschrod solche Aus¬<lb/>
drücke, daß sie nach ihren eigenen Worten kommen mußten, wenn sie nicht als</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0236] von Frankfurt ein gewisses Ansehen genoß, so gehört jedenfalls eine furze Uebersicht jener Händel in die Zeitgeschichte. Die östreichische Regierung war Wildauer für sein Auftreten gegen Metz ganz gewiß zu größtem Dank verpflichtet; er stritt mit der Zunge glücklicher für sie als ihre hochadeligen Generale mit dem Degen. Man begreift, daß ihr sehr daran liegen mußte, einen so ergebenen Anhänger in den Landtag zu bringen, um so mehr, da man auch von seinem Talent die übertriebensten Vor¬ stellungen hatte. Wildauer wurde daher als Regierungscandidat bezeichnet, und er widersprach nicht. Der officielle Tirolerbote hatte von ihm schon vor einem Jahre eine Reihe Artikel, „Worte der Verständigung" gedruckt, in denen er das vorhandene Material mit unläugbarem Geschick gruppirt hatte, wie ihm denn Niemand leicht eine saubere Durchführung seiner Arbeiten bestrei¬ kn wird. Dadurch erregte er den Grimm der Klerikalen, und diese behaup¬ teten , er habe sich im Jahre 1861 um ihre Stimmen für die Erlangung eines Sitzes im Abgeordnetenhause beworben und dabei zugesagt, gegen die Ansiede¬ lung der Protestanten in Tirol zu wirken. Er wurde offen als politischer Achselträger bezeichnet. Die Sache schien jedoch schon eingeschlafen, als er durch sein Auftreten als Candidat die Asche von der Kohle blies. Die alten Gerüchte von der Zweideutigkeit seines Charakters erwachten wieder, seine Freunde glaub¬ ten sie als Verläumdung vornehm beseitigen zu tonnen. Die Führer der Ultramontanen hatten sich bisher schweigend verhalten, nun fühlten sie sich jedoch in ihrer Ehre angegriffen und veröffentlichten, Grcuter an der Spitze, eine Erklärung, worin sie, wenn auch in sehr gemäßigten Ausdrücken, sür die Wahr¬ heit jener Gerüchte einstanden. Wildauer mußte erwidern, und er suchte den Pelz zu waschen , ohne ihn naß zu machen. Die Klerikalen wiederholten ihre Anklage schärfer und bestimm¬ ter. Nun konnten auch die Liberalen nicht mehr ruhig bleiben, denn wollte Wildauer als Kandidat durchdringen, so mußte es durch ihre Stimmen geschehen; wie sollte man.ihnen aber zumuthen, einem unzuverlässigen Menschen, der nur den Antrieben niedrigen Ehrgeizes folgend auf jede Weise sich emporzuarbeiten trachtete, die Eselsbrücke zu bauen? Wildauer wurde daher in der Jnn- zeitung aufgefordert, sich zu rechtfertigen. Die passendste Gelegenheit dazu bot die Wahlversammlung der Liberalen am 27. December. Das Comite der Mittelpartci. welches Wildauer auf seinen Schild geschrieben hatte, erschien ebenfalls, ein Mitglied desselben. Professor Kleinschrod. hatte im vollen Ver¬ trauen des Sieges die ultramontanen Unterzeichner jener Erklärung aufgefordert, als Ankläger zu kommen. Sie weigerten sich dessen anfangs, indem sie aus ihren Charakter als Priester verwiesen, behauptend, daß demselben eine solche Rolle nicht angemessen sei. Nun wählte aber Professor Kleinschrod solche Aus¬ drücke, daß sie nach ihren eigenen Worten kommen mußten, wenn sie nicht als

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/236
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/236>, abgerufen am 07.05.2024.