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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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nur die früheren Finanzmänner von altem Schrot und Korn, sondern über¬
haupt alle jene, die in der "correcten" Schule ergraut sind, zu unsern erklärten
Gegnern.




Vermischte Literatur.
Neis.> der Königlich Preußischen Gesandtschaft nach Persien 1860
und 1861, geschildert von Dr. Heinrich Brugsch. Erster Band. Leipzig, bei
Hinrichs. 1862. (XIV und 418 SS. 8.)

Dieser Reisebericht bestätigt von Neuem die in den Werken früherer Besucher
Persiens niedergelegten Erfahrungen über den tiefen politischen und moralischen Verfall
der Perser und gewährt manchen interessanten Aufschluß über das Land und noch
mehr über die Leute, namentlich die hochgestellten Kreise, mit denen die Gesandt¬
schaft in Berührung kam. Besondere Erwähnung verdient der von Brugsch ebenso
wie von Petermann bemerkte Haß des Volks gegen die regierende Kadfcharcndynastie
und die Theorie der Mollcchs, welche den Schah Nasrcddin als Usurpator, das
Haus Alis als das zur Herrschaft allein berechtigte ansehen. In Ausstaffirung
der Trümmer altoricntalischer Herrlichkeit mit den Blüthen europäischer Civilisation
haben die neuesten Kadscharcnhcrrscher Großes geleistet! die Wandbilder des Saals,
durch den die preußischen Diplomaten zur Audienz beim Schah geführt wurden,
stellten Wachtparaden dar, vielleicht um anheimelnde Vergleiche mit Charlottenburg
wachzurufen. Als die fremde" Gäste einmal Zeugen urwüchsiger und voltsthüm-
Ucher Schaustellungen wurden, die eine Hochzeitsfeier verherrlichten, betheuerte der
den Cicerone machende persische Dandy i "Oil, eine ^j'-ri bouts cle vous montrer
ess t>g,rhin-ich - !" Das hindert aber nicht, daß Alchymie und vor Allem Astro¬
logie in jeder Classe der persischen Gesellschaft eine sehr große Rolle spielen. In
dieser Hinsicht ist der angehängte persische Concordanzkalcndcr auf das Jahr 1860
sehr lehrreich. Die Darstellung ist leicht und gewandt, aber nicht frei von einer
gewissen manierirten Nonchalance. Wozu immer "Schießprügel" sagen statt "Flinte?"
wozu "meine Wenigkeit" oder "meine geringe Person" statt des einfachen "Ich",
da das Buch doch nicht für den Schah Nasrcddin, sondern für ein deutsches Publicum
bestimmt ist?


Geschichte der deutschen Freiheitskriege in Bildern. Von Georg
Bleibtreu und Ludwig Pietsch. Mit erläuternden Text. Erste Lieferung.
Berlin. Verlag von Franz Duncker. 1363.

Grenzboten II. 1863. 5

nur die früheren Finanzmänner von altem Schrot und Korn, sondern über¬
haupt alle jene, die in der „correcten" Schule ergraut sind, zu unsern erklärten
Gegnern.




Vermischte Literatur.
Neis.> der Königlich Preußischen Gesandtschaft nach Persien 1860
und 1861, geschildert von Dr. Heinrich Brugsch. Erster Band. Leipzig, bei
Hinrichs. 1862. (XIV und 418 SS. 8.)

Dieser Reisebericht bestätigt von Neuem die in den Werken früherer Besucher
Persiens niedergelegten Erfahrungen über den tiefen politischen und moralischen Verfall
der Perser und gewährt manchen interessanten Aufschluß über das Land und noch
mehr über die Leute, namentlich die hochgestellten Kreise, mit denen die Gesandt¬
schaft in Berührung kam. Besondere Erwähnung verdient der von Brugsch ebenso
wie von Petermann bemerkte Haß des Volks gegen die regierende Kadfcharcndynastie
und die Theorie der Mollcchs, welche den Schah Nasrcddin als Usurpator, das
Haus Alis als das zur Herrschaft allein berechtigte ansehen. In Ausstaffirung
der Trümmer altoricntalischer Herrlichkeit mit den Blüthen europäischer Civilisation
haben die neuesten Kadscharcnhcrrscher Großes geleistet! die Wandbilder des Saals,
durch den die preußischen Diplomaten zur Audienz beim Schah geführt wurden,
stellten Wachtparaden dar, vielleicht um anheimelnde Vergleiche mit Charlottenburg
wachzurufen. Als die fremde» Gäste einmal Zeugen urwüchsiger und voltsthüm-
Ucher Schaustellungen wurden, die eine Hochzeitsfeier verherrlichten, betheuerte der
den Cicerone machende persische Dandy i „Oil, eine ^j'-ri bouts cle vous montrer
ess t>g,rhin-ich - !" Das hindert aber nicht, daß Alchymie und vor Allem Astro¬
logie in jeder Classe der persischen Gesellschaft eine sehr große Rolle spielen. In
dieser Hinsicht ist der angehängte persische Concordanzkalcndcr auf das Jahr 1860
sehr lehrreich. Die Darstellung ist leicht und gewandt, aber nicht frei von einer
gewissen manierirten Nonchalance. Wozu immer „Schießprügel" sagen statt „Flinte?"
wozu „meine Wenigkeit" oder „meine geringe Person" statt des einfachen „Ich",
da das Buch doch nicht für den Schah Nasrcddin, sondern für ein deutsches Publicum
bestimmt ist?


Geschichte der deutschen Freiheitskriege in Bildern. Von Georg
Bleibtreu und Ludwig Pietsch. Mit erläuternden Text. Erste Lieferung.
Berlin. Verlag von Franz Duncker. 1363.

Grenzboten II. 1863. 5
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[0037] nur die früheren Finanzmänner von altem Schrot und Korn, sondern über¬ haupt alle jene, die in der „correcten" Schule ergraut sind, zu unsern erklärten Gegnern. Vermischte Literatur. Neis.> der Königlich Preußischen Gesandtschaft nach Persien 1860 und 1861, geschildert von Dr. Heinrich Brugsch. Erster Band. Leipzig, bei Hinrichs. 1862. (XIV und 418 SS. 8.) Dieser Reisebericht bestätigt von Neuem die in den Werken früherer Besucher Persiens niedergelegten Erfahrungen über den tiefen politischen und moralischen Verfall der Perser und gewährt manchen interessanten Aufschluß über das Land und noch mehr über die Leute, namentlich die hochgestellten Kreise, mit denen die Gesandt¬ schaft in Berührung kam. Besondere Erwähnung verdient der von Brugsch ebenso wie von Petermann bemerkte Haß des Volks gegen die regierende Kadfcharcndynastie und die Theorie der Mollcchs, welche den Schah Nasrcddin als Usurpator, das Haus Alis als das zur Herrschaft allein berechtigte ansehen. In Ausstaffirung der Trümmer altoricntalischer Herrlichkeit mit den Blüthen europäischer Civilisation haben die neuesten Kadscharcnhcrrscher Großes geleistet! die Wandbilder des Saals, durch den die preußischen Diplomaten zur Audienz beim Schah geführt wurden, stellten Wachtparaden dar, vielleicht um anheimelnde Vergleiche mit Charlottenburg wachzurufen. Als die fremde» Gäste einmal Zeugen urwüchsiger und voltsthüm- Ucher Schaustellungen wurden, die eine Hochzeitsfeier verherrlichten, betheuerte der den Cicerone machende persische Dandy i „Oil, eine ^j'-ri bouts cle vous montrer ess t>g,rhin-ich - !" Das hindert aber nicht, daß Alchymie und vor Allem Astro¬ logie in jeder Classe der persischen Gesellschaft eine sehr große Rolle spielen. In dieser Hinsicht ist der angehängte persische Concordanzkalcndcr auf das Jahr 1860 sehr lehrreich. Die Darstellung ist leicht und gewandt, aber nicht frei von einer gewissen manierirten Nonchalance. Wozu immer „Schießprügel" sagen statt „Flinte?" wozu „meine Wenigkeit" oder „meine geringe Person" statt des einfachen „Ich", da das Buch doch nicht für den Schah Nasrcddin, sondern für ein deutsches Publicum bestimmt ist? Geschichte der deutschen Freiheitskriege in Bildern. Von Georg Bleibtreu und Ludwig Pietsch. Mit erläuternden Text. Erste Lieferung. Berlin. Verlag von Franz Duncker. 1363. Grenzboten II. 1863. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/37>, abgerufen am 09.05.2024.