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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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der Centralbehörde der Finanzen angehörte. Eine gründliche Heilung des
Uebels kann -- darin stimmen wir mit ihm Vollkommen überein -- sich nur
dann ergeben, wenn auch die Abtragung der verzinslichen Staatsschuld im
Nennwerth von 2,ö00 Millionen Gulden mit in den Plan gezogen wird; denn
diejenige Herstellung eines annäherungsweisen Gleichgewichts zwischen Einnahme"
und Ausgaben verrückt sich bedeutend beim ersten feindlichen Kanonenschuß.
Pillersdorff beantragt als vorzüglichstes Mittel die freiwillige Ablösung der
Grundsteuer, an deren Stelle dann die indirecte Besteuerung allein einzutreten
hätte. Manche Naturprodukte, wie z. B. Wein, Branntwein u. s. w. werden
allerdings nachgerade doppelt versteuert, allein die Capitalisirung der Grund¬
steuer, die dem Besitzer nebst den Zinsen noch eine Theilzahlung der Schuld
selbst aufbürdet, führt kein billigeres Verhältniß ein, und der Staat wäre im
Irrthum, wenn er infolge langer Behebung einen Theil des ganzen Besitz-
thums als sein Eigenthum ansahe. Selbst die Neichsvertretung dürfte den
Wenigsten für die gänzliche Auflassung dieser Hilfsquelle bei künftigen Bedräng'
rissen genügende Gewähr bieten, zumal unser constitutionellcs Leben noch zu
wenig erstarkte, um von den Gönnern der "historisch-politischen Individualitäten"
nicht noch sehr gefährlichen Anfechtungen ausgesetzt zu sein. Ebenso hart
fänden wir es, wenn der Staat künftig alle seine Einnahmen in Silber, und
selbst die Grund- und Haussteucr wie die Salzauflage nur noch durch sechs
Monate in Papiergeld erheben würde, letzteres müßte dadurch nothwendig a"
Werth verlieren. Die Consolidirung der Bank endlich durch Verlängerung
ihres Privilegiums auf fernere fünfundzwanzig Jahre gegen Herabsetzung des
Zinsfußes von hundert Millionen auf ein Procent wurde wenigstens zum Theil
durch das neueste Uebereinkommen bewirkt. Nach unserer Ansicht ist sie nur
ein Palliativ und keine Nadicalkur.

Alle sogenannten Finanzoperationen, die nur auf einen Austausch von
Rechten gegen Geld hinauslaufen, sind am Ende halbe Maßregeln. Am nächste"
läge für Leute, die keine Bankiers sind, dre Verstopfung der sattsam bekannten
Grundursachen des Uebels, des großen Aufwandes der Armee und der kost¬
spieligen Steuerbehebung, jener theuern Erbstücke des absoluten Regimes-
Wenn man den activen Dienst der Armee auf vier Jahre beschränkt, den Sol¬
daten noch andere vier Jahre als Reservisten nur zu Herbstübungcn einzieht,
also den Stand des Heeres auf die Hälfte herabsetzt, wenn man ferner die
EinHebung aller Steuern und deren unmittelbare Abführung an die Central-
stellen den Gemeinden überträgt, und damit ein zweites Heer, jenes der Steuer¬
beamten und Finanzwächter mehr als decimirt, dürften sich auch Ueberschüsse
für einen Tilgungsfond ergeben. Daß hierdurch ein neuer, dem alten Ga¬
maschendienst entgegengesetzter und der Gemeindeautonomie entsprechender Orga¬
nismus eingeführt würde, wer kann es läugnen? Wir zählen aber dabei nicht


der Centralbehörde der Finanzen angehörte. Eine gründliche Heilung des
Uebels kann — darin stimmen wir mit ihm Vollkommen überein — sich nur
dann ergeben, wenn auch die Abtragung der verzinslichen Staatsschuld im
Nennwerth von 2,ö00 Millionen Gulden mit in den Plan gezogen wird; denn
diejenige Herstellung eines annäherungsweisen Gleichgewichts zwischen Einnahme»
und Ausgaben verrückt sich bedeutend beim ersten feindlichen Kanonenschuß.
Pillersdorff beantragt als vorzüglichstes Mittel die freiwillige Ablösung der
Grundsteuer, an deren Stelle dann die indirecte Besteuerung allein einzutreten
hätte. Manche Naturprodukte, wie z. B. Wein, Branntwein u. s. w. werden
allerdings nachgerade doppelt versteuert, allein die Capitalisirung der Grund¬
steuer, die dem Besitzer nebst den Zinsen noch eine Theilzahlung der Schuld
selbst aufbürdet, führt kein billigeres Verhältniß ein, und der Staat wäre im
Irrthum, wenn er infolge langer Behebung einen Theil des ganzen Besitz-
thums als sein Eigenthum ansahe. Selbst die Neichsvertretung dürfte den
Wenigsten für die gänzliche Auflassung dieser Hilfsquelle bei künftigen Bedräng'
rissen genügende Gewähr bieten, zumal unser constitutionellcs Leben noch zu
wenig erstarkte, um von den Gönnern der „historisch-politischen Individualitäten"
nicht noch sehr gefährlichen Anfechtungen ausgesetzt zu sein. Ebenso hart
fänden wir es, wenn der Staat künftig alle seine Einnahmen in Silber, und
selbst die Grund- und Haussteucr wie die Salzauflage nur noch durch sechs
Monate in Papiergeld erheben würde, letzteres müßte dadurch nothwendig a»
Werth verlieren. Die Consolidirung der Bank endlich durch Verlängerung
ihres Privilegiums auf fernere fünfundzwanzig Jahre gegen Herabsetzung des
Zinsfußes von hundert Millionen auf ein Procent wurde wenigstens zum Theil
durch das neueste Uebereinkommen bewirkt. Nach unserer Ansicht ist sie nur
ein Palliativ und keine Nadicalkur.

Alle sogenannten Finanzoperationen, die nur auf einen Austausch von
Rechten gegen Geld hinauslaufen, sind am Ende halbe Maßregeln. Am nächste»
läge für Leute, die keine Bankiers sind, dre Verstopfung der sattsam bekannten
Grundursachen des Uebels, des großen Aufwandes der Armee und der kost¬
spieligen Steuerbehebung, jener theuern Erbstücke des absoluten Regimes-
Wenn man den activen Dienst der Armee auf vier Jahre beschränkt, den Sol¬
daten noch andere vier Jahre als Reservisten nur zu Herbstübungcn einzieht,
also den Stand des Heeres auf die Hälfte herabsetzt, wenn man ferner die
EinHebung aller Steuern und deren unmittelbare Abführung an die Central-
stellen den Gemeinden überträgt, und damit ein zweites Heer, jenes der Steuer¬
beamten und Finanzwächter mehr als decimirt, dürften sich auch Ueberschüsse
für einen Tilgungsfond ergeben. Daß hierdurch ein neuer, dem alten Ga¬
maschendienst entgegengesetzter und der Gemeindeautonomie entsprechender Orga¬
nismus eingeführt würde, wer kann es läugnen? Wir zählen aber dabei nicht


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[0036] der Centralbehörde der Finanzen angehörte. Eine gründliche Heilung des Uebels kann — darin stimmen wir mit ihm Vollkommen überein — sich nur dann ergeben, wenn auch die Abtragung der verzinslichen Staatsschuld im Nennwerth von 2,ö00 Millionen Gulden mit in den Plan gezogen wird; denn diejenige Herstellung eines annäherungsweisen Gleichgewichts zwischen Einnahme» und Ausgaben verrückt sich bedeutend beim ersten feindlichen Kanonenschuß. Pillersdorff beantragt als vorzüglichstes Mittel die freiwillige Ablösung der Grundsteuer, an deren Stelle dann die indirecte Besteuerung allein einzutreten hätte. Manche Naturprodukte, wie z. B. Wein, Branntwein u. s. w. werden allerdings nachgerade doppelt versteuert, allein die Capitalisirung der Grund¬ steuer, die dem Besitzer nebst den Zinsen noch eine Theilzahlung der Schuld selbst aufbürdet, führt kein billigeres Verhältniß ein, und der Staat wäre im Irrthum, wenn er infolge langer Behebung einen Theil des ganzen Besitz- thums als sein Eigenthum ansahe. Selbst die Neichsvertretung dürfte den Wenigsten für die gänzliche Auflassung dieser Hilfsquelle bei künftigen Bedräng' rissen genügende Gewähr bieten, zumal unser constitutionellcs Leben noch zu wenig erstarkte, um von den Gönnern der „historisch-politischen Individualitäten" nicht noch sehr gefährlichen Anfechtungen ausgesetzt zu sein. Ebenso hart fänden wir es, wenn der Staat künftig alle seine Einnahmen in Silber, und selbst die Grund- und Haussteucr wie die Salzauflage nur noch durch sechs Monate in Papiergeld erheben würde, letzteres müßte dadurch nothwendig a» Werth verlieren. Die Consolidirung der Bank endlich durch Verlängerung ihres Privilegiums auf fernere fünfundzwanzig Jahre gegen Herabsetzung des Zinsfußes von hundert Millionen auf ein Procent wurde wenigstens zum Theil durch das neueste Uebereinkommen bewirkt. Nach unserer Ansicht ist sie nur ein Palliativ und keine Nadicalkur. Alle sogenannten Finanzoperationen, die nur auf einen Austausch von Rechten gegen Geld hinauslaufen, sind am Ende halbe Maßregeln. Am nächste» läge für Leute, die keine Bankiers sind, dre Verstopfung der sattsam bekannten Grundursachen des Uebels, des großen Aufwandes der Armee und der kost¬ spieligen Steuerbehebung, jener theuern Erbstücke des absoluten Regimes- Wenn man den activen Dienst der Armee auf vier Jahre beschränkt, den Sol¬ daten noch andere vier Jahre als Reservisten nur zu Herbstübungcn einzieht, also den Stand des Heeres auf die Hälfte herabsetzt, wenn man ferner die EinHebung aller Steuern und deren unmittelbare Abführung an die Central- stellen den Gemeinden überträgt, und damit ein zweites Heer, jenes der Steuer¬ beamten und Finanzwächter mehr als decimirt, dürften sich auch Ueberschüsse für einen Tilgungsfond ergeben. Daß hierdurch ein neuer, dem alten Ga¬ maschendienst entgegengesetzter und der Gemeindeautonomie entsprechender Orga¬ nismus eingeführt würde, wer kann es läugnen? Wir zählen aber dabei nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/36>, abgerufen am 19.05.2024.