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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Einige lmgedrnckte Briefe Goethes.

Der folgende Briefwechsel 'Goethes mit Freiherrn von Lamezan ist ein
kleiner Beitrag zur Goetheliteratur, welcher auch in weiteren Kreisen Interesse
beanspruchen kann. Derselbe umfaßt zwar nichts als Verhandlungen aus
dem Jahre 1804 über eine Denkmünze, welche zu Ehren des Kurfürsten Karl
Theodor von Dalberg geprägt werden sollte, aber er enthält außer charakteristi¬
schen Briefen Goethes auch ein Memorial desselben über die Verhältnisse,
welche damals bei Prägung einer Medaille zu berücksichtigen waren, er zeigt den
Dichter in der behaglichen Theilnahme eines Kunstliebhabers und Rathgebers,
und rührt an politische Zustände, welche auch von anderer Seite her in der
Gegenwart eingehende Behandlung erfahren haben.

Die Persönlichkeit Karl Theodors von Dalberg und sein Verhältniß zu
der großen Culturbewegung am Ende des vorigen Jahrhunderts ist zuletzt von
Clemens Perthes (Politische Zustände und Personen, S. 355 und folgende).
besonders fein und ganz vortrefflich charakterisiert worden. Das liebens¬
würdige, anregende Wesen eines zartfühlenden, aber nicht charakterstarken Man¬
nes in bedeutender Stellung hatte auch auf die Freunde von Weimar Jahre
lang wohlthuenden Einfluß ausgeübt. Im Jahr 1804 war die Zeit vorüber,
wo der Reiz seiner vornehmen Humanität von Goethe, Schiller, Humboldt als ein
neuer Erwerb ihres Lebens freudig genossen worden war. Das Dilcttantenhcfte
seiner ungeordneten literarischen Production und seine urkräftige Politik waren
kein Geheimniß Weniger geblieben, aber in der Seele Goethes haftete eine
warme Erinnerung an die menschlichen Beziehungen früherer Jahre.

Aus den Briefen selbst erhalt, weshalb im Winter 1803 der Wunsch
entstand, dem Kurfürsten und Neichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg ein
Denkmal zu setzen. Der Gefeierte galt damals noch für einen guten Deutschen.

Der Mann aber, welcher mit Goethe über das Denkmal correspondirte,
Ferdinand Freiherr von Lamezan, zu Mannheim geboren, war selbst kurpfälzi¬
scher Beamter gewesen, zuerst in der Justiz, dann in der höheren Administration.
Als die Pfalz 1802 französisch wurde, wurde er Hosgenchtspräsidcnt zu Bam-
berg und 1806 entlassen. Von da lebte er als Privatmann in Mannheim, wo
^ am 15. December 1817 im Alter von 76 Jahren starb. Sein Nekrolog
steht in der Beilage der Allgemeinen Zeitung vom 31. Januar 1818.


Grenzboten II. 1863.
Einige lmgedrnckte Briefe Goethes.

Der folgende Briefwechsel 'Goethes mit Freiherrn von Lamezan ist ein
kleiner Beitrag zur Goetheliteratur, welcher auch in weiteren Kreisen Interesse
beanspruchen kann. Derselbe umfaßt zwar nichts als Verhandlungen aus
dem Jahre 1804 über eine Denkmünze, welche zu Ehren des Kurfürsten Karl
Theodor von Dalberg geprägt werden sollte, aber er enthält außer charakteristi¬
schen Briefen Goethes auch ein Memorial desselben über die Verhältnisse,
welche damals bei Prägung einer Medaille zu berücksichtigen waren, er zeigt den
Dichter in der behaglichen Theilnahme eines Kunstliebhabers und Rathgebers,
und rührt an politische Zustände, welche auch von anderer Seite her in der
Gegenwart eingehende Behandlung erfahren haben.

Die Persönlichkeit Karl Theodors von Dalberg und sein Verhältniß zu
der großen Culturbewegung am Ende des vorigen Jahrhunderts ist zuletzt von
Clemens Perthes (Politische Zustände und Personen, S. 355 und folgende).
besonders fein und ganz vortrefflich charakterisiert worden. Das liebens¬
würdige, anregende Wesen eines zartfühlenden, aber nicht charakterstarken Man¬
nes in bedeutender Stellung hatte auch auf die Freunde von Weimar Jahre
lang wohlthuenden Einfluß ausgeübt. Im Jahr 1804 war die Zeit vorüber,
wo der Reiz seiner vornehmen Humanität von Goethe, Schiller, Humboldt als ein
neuer Erwerb ihres Lebens freudig genossen worden war. Das Dilcttantenhcfte
seiner ungeordneten literarischen Production und seine urkräftige Politik waren
kein Geheimniß Weniger geblieben, aber in der Seele Goethes haftete eine
warme Erinnerung an die menschlichen Beziehungen früherer Jahre.

Aus den Briefen selbst erhalt, weshalb im Winter 1803 der Wunsch
entstand, dem Kurfürsten und Neichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg ein
Denkmal zu setzen. Der Gefeierte galt damals noch für einen guten Deutschen.

Der Mann aber, welcher mit Goethe über das Denkmal correspondirte,
Ferdinand Freiherr von Lamezan, zu Mannheim geboren, war selbst kurpfälzi¬
scher Beamter gewesen, zuerst in der Justiz, dann in der höheren Administration.
Als die Pfalz 1802 französisch wurde, wurde er Hosgenchtspräsidcnt zu Bam-
berg und 1806 entlassen. Von da lebte er als Privatmann in Mannheim, wo
^ am 15. December 1817 im Alter von 76 Jahren starb. Sein Nekrolog
steht in der Beilage der Allgemeinen Zeitung vom 31. Januar 1818.


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[0085] Einige lmgedrnckte Briefe Goethes. Der folgende Briefwechsel 'Goethes mit Freiherrn von Lamezan ist ein kleiner Beitrag zur Goetheliteratur, welcher auch in weiteren Kreisen Interesse beanspruchen kann. Derselbe umfaßt zwar nichts als Verhandlungen aus dem Jahre 1804 über eine Denkmünze, welche zu Ehren des Kurfürsten Karl Theodor von Dalberg geprägt werden sollte, aber er enthält außer charakteristi¬ schen Briefen Goethes auch ein Memorial desselben über die Verhältnisse, welche damals bei Prägung einer Medaille zu berücksichtigen waren, er zeigt den Dichter in der behaglichen Theilnahme eines Kunstliebhabers und Rathgebers, und rührt an politische Zustände, welche auch von anderer Seite her in der Gegenwart eingehende Behandlung erfahren haben. Die Persönlichkeit Karl Theodors von Dalberg und sein Verhältniß zu der großen Culturbewegung am Ende des vorigen Jahrhunderts ist zuletzt von Clemens Perthes (Politische Zustände und Personen, S. 355 und folgende). besonders fein und ganz vortrefflich charakterisiert worden. Das liebens¬ würdige, anregende Wesen eines zartfühlenden, aber nicht charakterstarken Man¬ nes in bedeutender Stellung hatte auch auf die Freunde von Weimar Jahre lang wohlthuenden Einfluß ausgeübt. Im Jahr 1804 war die Zeit vorüber, wo der Reiz seiner vornehmen Humanität von Goethe, Schiller, Humboldt als ein neuer Erwerb ihres Lebens freudig genossen worden war. Das Dilcttantenhcfte seiner ungeordneten literarischen Production und seine urkräftige Politik waren kein Geheimniß Weniger geblieben, aber in der Seele Goethes haftete eine warme Erinnerung an die menschlichen Beziehungen früherer Jahre. Aus den Briefen selbst erhalt, weshalb im Winter 1803 der Wunsch entstand, dem Kurfürsten und Neichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg ein Denkmal zu setzen. Der Gefeierte galt damals noch für einen guten Deutschen. Der Mann aber, welcher mit Goethe über das Denkmal correspondirte, Ferdinand Freiherr von Lamezan, zu Mannheim geboren, war selbst kurpfälzi¬ scher Beamter gewesen, zuerst in der Justiz, dann in der höheren Administration. Als die Pfalz 1802 französisch wurde, wurde er Hosgenchtspräsidcnt zu Bam- berg und 1806 entlassen. Von da lebte er als Privatmann in Mannheim, wo ^ am 15. December 1817 im Alter von 76 Jahren starb. Sein Nekrolog steht in der Beilage der Allgemeinen Zeitung vom 31. Januar 1818. Grenzboten II. 1863.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/85>, abgerufen am 08.05.2024.