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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Zur Schleswig-holsteinischen Frage.

Wenn man die gehobene Stimmung erwägt, die infolge des ruhmvollen
Tages von Düppel das Preußische Volk ohne Unterschied der Parteien ergriffen hat,
so kann man sich der Hoffnung nicht entschlagen, daß diesmal die gerechten For¬
derungen der Nation Befriedigung finden werden. Es ist nach der Erstürmung der
dänischen Schanzen im Sundewitt augenscheinlich, daß jede halbe Lösung einer
vollständigen Niederlage Preußens gleichkäme, und daß eine solche einen Rück¬
schlag auf das Selbstgefühl der Nation ausüben müßte, der sich in allen Rich¬
tungen des öffentlichen Lebens in nachtheiligster Weise geltend machen würde.
Auch sprechen manche Symptome dafür, daß die preußische Politik den durchaus
unbefriedigender Standpunkt, den sie noch Anfangs April, wie die von der
Kölnischen Zeitung veröffentlichten Actenstücke beweisen, einnahm, gegenwärtig als
antiquirt betrachtet. Ob sie schon den festen Entschluß gefaßt hat, die völlige Tren¬
nung der Herzogtümer von Dänemark als unverrückbares Ziel ihrer Bemühungen
hinzustellen, oder ob sie auch jetzt noch an die Möglichkeit glaubt, auf den Grund¬
lagen einer möglichst lockern Verbindung Dänemarks mit den Herzogtümern
eine Befriedigung der gerechten Forderungen dieser zu erzielen, das wissen wir
zwar nicht, glauben aber doch, daß die Unmöglichkeit der Vermittelung der
unvereinbarer Gegensätze auch in solchen.Kreisen erkannt wird, die, sei es aus
welcher Ursache es wolle, bisher sich gescheut haben, der preußischen Politik offen
ein dem Ernst der preußischen Kriegführung entsprechendes Ziel zu stecken.
Wenigstens darüber wird kein Zweifel herrschen, daß die Ansicht, welche in
der Erhaltung der Integrität der dänischen Monarchie ein dem preußischen
Interesse entsprechendes Resultat sieht, an leitender Stelle kaum noch eine
beachtenswerte Vertretung findet, daß also, wenn dennoch die Unabhängig¬
keit der Herzogtümer noch nicht mit voller Bestimmtheit als einzig mögliche
Bedingung des Friedens zwischen Deutschland und Dänemark aufgestellt wird,
dies nicht seinen Grund darin haben kann, daß von den Leitern der preußischen
Politik das Ziel als nicht wünschenswert!) angesehen wird, sondern nur in der
Furcht vor den Gefahren, die das Einschlagen einer entschiedenen Politik, welche
die Brücken zum Rückzug hinter sich abbricht, für Preußens politische Stellung


Grenzboten II. 1864. 36
Zur Schleswig-holsteinischen Frage.

Wenn man die gehobene Stimmung erwägt, die infolge des ruhmvollen
Tages von Düppel das Preußische Volk ohne Unterschied der Parteien ergriffen hat,
so kann man sich der Hoffnung nicht entschlagen, daß diesmal die gerechten For¬
derungen der Nation Befriedigung finden werden. Es ist nach der Erstürmung der
dänischen Schanzen im Sundewitt augenscheinlich, daß jede halbe Lösung einer
vollständigen Niederlage Preußens gleichkäme, und daß eine solche einen Rück¬
schlag auf das Selbstgefühl der Nation ausüben müßte, der sich in allen Rich¬
tungen des öffentlichen Lebens in nachtheiligster Weise geltend machen würde.
Auch sprechen manche Symptome dafür, daß die preußische Politik den durchaus
unbefriedigender Standpunkt, den sie noch Anfangs April, wie die von der
Kölnischen Zeitung veröffentlichten Actenstücke beweisen, einnahm, gegenwärtig als
antiquirt betrachtet. Ob sie schon den festen Entschluß gefaßt hat, die völlige Tren¬
nung der Herzogtümer von Dänemark als unverrückbares Ziel ihrer Bemühungen
hinzustellen, oder ob sie auch jetzt noch an die Möglichkeit glaubt, auf den Grund¬
lagen einer möglichst lockern Verbindung Dänemarks mit den Herzogtümern
eine Befriedigung der gerechten Forderungen dieser zu erzielen, das wissen wir
zwar nicht, glauben aber doch, daß die Unmöglichkeit der Vermittelung der
unvereinbarer Gegensätze auch in solchen.Kreisen erkannt wird, die, sei es aus
welcher Ursache es wolle, bisher sich gescheut haben, der preußischen Politik offen
ein dem Ernst der preußischen Kriegführung entsprechendes Ziel zu stecken.
Wenigstens darüber wird kein Zweifel herrschen, daß die Ansicht, welche in
der Erhaltung der Integrität der dänischen Monarchie ein dem preußischen
Interesse entsprechendes Resultat sieht, an leitender Stelle kaum noch eine
beachtenswerte Vertretung findet, daß also, wenn dennoch die Unabhängig¬
keit der Herzogtümer noch nicht mit voller Bestimmtheit als einzig mögliche
Bedingung des Friedens zwischen Deutschland und Dänemark aufgestellt wird,
dies nicht seinen Grund darin haben kann, daß von den Leitern der preußischen
Politik das Ziel als nicht wünschenswert!) angesehen wird, sondern nur in der
Furcht vor den Gefahren, die das Einschlagen einer entschiedenen Politik, welche
die Brücken zum Rückzug hinter sich abbricht, für Preußens politische Stellung


Grenzboten II. 1864. 36
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[0289] Zur Schleswig-holsteinischen Frage. Wenn man die gehobene Stimmung erwägt, die infolge des ruhmvollen Tages von Düppel das Preußische Volk ohne Unterschied der Parteien ergriffen hat, so kann man sich der Hoffnung nicht entschlagen, daß diesmal die gerechten For¬ derungen der Nation Befriedigung finden werden. Es ist nach der Erstürmung der dänischen Schanzen im Sundewitt augenscheinlich, daß jede halbe Lösung einer vollständigen Niederlage Preußens gleichkäme, und daß eine solche einen Rück¬ schlag auf das Selbstgefühl der Nation ausüben müßte, der sich in allen Rich¬ tungen des öffentlichen Lebens in nachtheiligster Weise geltend machen würde. Auch sprechen manche Symptome dafür, daß die preußische Politik den durchaus unbefriedigender Standpunkt, den sie noch Anfangs April, wie die von der Kölnischen Zeitung veröffentlichten Actenstücke beweisen, einnahm, gegenwärtig als antiquirt betrachtet. Ob sie schon den festen Entschluß gefaßt hat, die völlige Tren¬ nung der Herzogtümer von Dänemark als unverrückbares Ziel ihrer Bemühungen hinzustellen, oder ob sie auch jetzt noch an die Möglichkeit glaubt, auf den Grund¬ lagen einer möglichst lockern Verbindung Dänemarks mit den Herzogtümern eine Befriedigung der gerechten Forderungen dieser zu erzielen, das wissen wir zwar nicht, glauben aber doch, daß die Unmöglichkeit der Vermittelung der unvereinbarer Gegensätze auch in solchen.Kreisen erkannt wird, die, sei es aus welcher Ursache es wolle, bisher sich gescheut haben, der preußischen Politik offen ein dem Ernst der preußischen Kriegführung entsprechendes Ziel zu stecken. Wenigstens darüber wird kein Zweifel herrschen, daß die Ansicht, welche in der Erhaltung der Integrität der dänischen Monarchie ein dem preußischen Interesse entsprechendes Resultat sieht, an leitender Stelle kaum noch eine beachtenswerte Vertretung findet, daß also, wenn dennoch die Unabhängig¬ keit der Herzogtümer noch nicht mit voller Bestimmtheit als einzig mögliche Bedingung des Friedens zwischen Deutschland und Dänemark aufgestellt wird, dies nicht seinen Grund darin haben kann, daß von den Leitern der preußischen Politik das Ziel als nicht wünschenswert!) angesehen wird, sondern nur in der Furcht vor den Gefahren, die das Einschlagen einer entschiedenen Politik, welche die Brücken zum Rückzug hinter sich abbricht, für Preußens politische Stellung Grenzboten II. 1864. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/289>, abgerufen am 06.05.2024.