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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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doch nur Zeugniß für den ungemeinen, unauslöschlichen Eindruck, welchen diese
einzige Persönlichkeit in den Jüngern und durch sie in der ganzen Menschheit
W. Lang. zurückgelassen hat.




Die Katastrophe Hessens im napoleonischen Krieg.

Hessen spielte bekanntlich in dem großen Drama des letzten Krieges mit
Frankreich eine ganz abgesonderte Rolle. Dem Regenten wie dem Volke war
es versagt, selbstthätig nach irgendeiner Seite hin mit einzugreifen und so
wurde einer der tüchtigsten deutschen Volksstämme, in welchem Patriotis¬
mus, Muth und Aufopferung reichlich zu finden sind, zu kläglichster Passivität
verurtheilt, Dank deren er den harten Druck der übermüthigen Eroberer am
empfindlichsten und am längsten ertragen mußte.

Der Hesse ist sprichwörtlich bekannt als der beste, tapferste, hingebcndste
Soldat; aber bei keiner deutschen Truppe ist der Probierstein an all die gu¬
ten Eigenschaften schärfer angesetzt worden, als bei der hessischen. Trotz der
peinlichsten Situationen, der verführerischesten Anfechtungen, in die er gerieth,
hat sich der hessische Kriegerstand bis auf den heutigen Tag musterhaft verhalte",
nie ist er durch eigenes Verschulden mit einem Makel behaftet worden.

Was bei solcher Eigenschaft der hessische Soldat während der napoleonischen
Herrschaft gelitten, kann nur der ermessen, der diese Zeit bis ins Einzelne zu
würdigen weiß. Es drängt sich aber zunächst die Frage auf: wie sind die
armen Hessen in jene Calamität hineingcrc>N,en und war es möglich, ihr zu ent¬
gehen? Würde unter anderen Umständen der leichtfertige Jerome König von
Westphalen geworden sein und hätte er wohl seine luftige Negentenbude ge¬
rade im Herzen des Kattenlandes aufgeschlagen? Vom hessischen Gouvernement
ist bekanntlich am wenigsten gethan worden, Aufklärung zu geben, und Eingang
in die hessischen Archive sich zu verschaffen, ist bis jetzt ein Ding reiner Un¬
möglichkeit gewesen. Selbst sür den bekannten hessischen Geschichtsschreiber
Nommel blieb vieles unter Schloß und Riegel. So müssen uns denn Auf¬
zeichnungen einsichtiger, urteilsfähiger und solider Männer aus der betreffenden
Zeit besonders willkommen sein. Dem Einsender dieses liegen solche von einem
höheren hessischen Militär vor, wie er sie im März 1807 niedergeschrieben.


doch nur Zeugniß für den ungemeinen, unauslöschlichen Eindruck, welchen diese
einzige Persönlichkeit in den Jüngern und durch sie in der ganzen Menschheit
W. Lang. zurückgelassen hat.




Die Katastrophe Hessens im napoleonischen Krieg.

Hessen spielte bekanntlich in dem großen Drama des letzten Krieges mit
Frankreich eine ganz abgesonderte Rolle. Dem Regenten wie dem Volke war
es versagt, selbstthätig nach irgendeiner Seite hin mit einzugreifen und so
wurde einer der tüchtigsten deutschen Volksstämme, in welchem Patriotis¬
mus, Muth und Aufopferung reichlich zu finden sind, zu kläglichster Passivität
verurtheilt, Dank deren er den harten Druck der übermüthigen Eroberer am
empfindlichsten und am längsten ertragen mußte.

Der Hesse ist sprichwörtlich bekannt als der beste, tapferste, hingebcndste
Soldat; aber bei keiner deutschen Truppe ist der Probierstein an all die gu¬
ten Eigenschaften schärfer angesetzt worden, als bei der hessischen. Trotz der
peinlichsten Situationen, der verführerischesten Anfechtungen, in die er gerieth,
hat sich der hessische Kriegerstand bis auf den heutigen Tag musterhaft verhalte»,
nie ist er durch eigenes Verschulden mit einem Makel behaftet worden.

Was bei solcher Eigenschaft der hessische Soldat während der napoleonischen
Herrschaft gelitten, kann nur der ermessen, der diese Zeit bis ins Einzelne zu
würdigen weiß. Es drängt sich aber zunächst die Frage auf: wie sind die
armen Hessen in jene Calamität hineingcrc>N,en und war es möglich, ihr zu ent¬
gehen? Würde unter anderen Umständen der leichtfertige Jerome König von
Westphalen geworden sein und hätte er wohl seine luftige Negentenbude ge¬
rade im Herzen des Kattenlandes aufgeschlagen? Vom hessischen Gouvernement
ist bekanntlich am wenigsten gethan worden, Aufklärung zu geben, und Eingang
in die hessischen Archive sich zu verschaffen, ist bis jetzt ein Ding reiner Un¬
möglichkeit gewesen. Selbst sür den bekannten hessischen Geschichtsschreiber
Nommel blieb vieles unter Schloß und Riegel. So müssen uns denn Auf¬
zeichnungen einsichtiger, urteilsfähiger und solider Männer aus der betreffenden
Zeit besonders willkommen sein. Dem Einsender dieses liegen solche von einem
höheren hessischen Militär vor, wie er sie im März 1807 niedergeschrieben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/150>, abgerufen am 29.04.2024.