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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Der Preußische Jurist und die neue Examenordnung.

Die Thatsache, daß der preußische Richterstand, wenige Männer bei den
Gerichten erster, ja selbst zweiter und dritter Instanz ausgenommen, in rechts-
wissenschaftlicher Durchbildung hinter den Richtern der deutschen Länder des ge-
meinen Rechtes ein gutes Stück zurückstand und zurücksteht, kann bis diesen
Augenblick jedem erwiesen scheinen, welcher die von preußischen Gerichten bis
zum königlichen geheimen Obertribunal hinauf gefällten Erkenntnisse mit Grün¬
den unter Aufmerksamkeit auf die darin verarbeitete oder angezogene Literatur
der Rechtswissenschaft durchgeht und mit denen der Gerichte gemeinen Rechtes,
besonders der Obergerichte vergleicht, oder der die Bibliotheken der preußischen
Gerichte (zumal erster Instanz) und der preußischen Richter mustert; oder welcher
die wenigen, neuerdings um ein Minimum vermehrten, stets wiederkehrenden
Namen preußischer Rcchtspraktiker unter den Verfassern rechtswissenschaftlicher
Arbeiten in den Verzeichnissen der juristischen Verleger oder Zeitschriften ver¬
folgt. Nur theilweise erklärt diese bedenkliche Thatsache der Geist des preußischen
allgemeinen Landrechts, welcder seit der Publication des leßtercn, den S. Februar
1794 den Zusammenhang desselben mit den großen Grundlagen aller neueren
Rechtssysteme, mit dem römischen und deutschen Rechte, möglichst zu zerschneiden
trachtete (vergl. §. 1--8 und §. 18. des Publicationspatentes). Dieser Um¬
stand hätte nachhaltig die Entwicklung des preußischen Rechtes von jenen zwei
Hauptquellen alles Rechtes, der Rechtswissenschaft und der Rechtsgewohnheit,
kaum zu trennen vermocht, wenn nicht 1) das Rechtsstudium der angehenden
Preußischen Juristen auf ihren einheimischen und den übrigen deutschen Univer¬
sitäten , so wie 2) die weitere Aus b lib ung derselben in der Nechtspraxis
an den preußischen Gerichten, endlich wenn nicht 3) die Art der drei juri-


Grenzbotm I. 18t>5, 26
Der Preußische Jurist und die neue Examenordnung.

Die Thatsache, daß der preußische Richterstand, wenige Männer bei den
Gerichten erster, ja selbst zweiter und dritter Instanz ausgenommen, in rechts-
wissenschaftlicher Durchbildung hinter den Richtern der deutschen Länder des ge-
meinen Rechtes ein gutes Stück zurückstand und zurücksteht, kann bis diesen
Augenblick jedem erwiesen scheinen, welcher die von preußischen Gerichten bis
zum königlichen geheimen Obertribunal hinauf gefällten Erkenntnisse mit Grün¬
den unter Aufmerksamkeit auf die darin verarbeitete oder angezogene Literatur
der Rechtswissenschaft durchgeht und mit denen der Gerichte gemeinen Rechtes,
besonders der Obergerichte vergleicht, oder der die Bibliotheken der preußischen
Gerichte (zumal erster Instanz) und der preußischen Richter mustert; oder welcher
die wenigen, neuerdings um ein Minimum vermehrten, stets wiederkehrenden
Namen preußischer Rcchtspraktiker unter den Verfassern rechtswissenschaftlicher
Arbeiten in den Verzeichnissen der juristischen Verleger oder Zeitschriften ver¬
folgt. Nur theilweise erklärt diese bedenkliche Thatsache der Geist des preußischen
allgemeinen Landrechts, welcder seit der Publication des leßtercn, den S. Februar
1794 den Zusammenhang desselben mit den großen Grundlagen aller neueren
Rechtssysteme, mit dem römischen und deutschen Rechte, möglichst zu zerschneiden
trachtete (vergl. §. 1—8 und §. 18. des Publicationspatentes). Dieser Um¬
stand hätte nachhaltig die Entwicklung des preußischen Rechtes von jenen zwei
Hauptquellen alles Rechtes, der Rechtswissenschaft und der Rechtsgewohnheit,
kaum zu trennen vermocht, wenn nicht 1) das Rechtsstudium der angehenden
Preußischen Juristen auf ihren einheimischen und den übrigen deutschen Univer¬
sitäten , so wie 2) die weitere Aus b lib ung derselben in der Nechtspraxis
an den preußischen Gerichten, endlich wenn nicht 3) die Art der drei juri-


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[0217] Der Preußische Jurist und die neue Examenordnung. Die Thatsache, daß der preußische Richterstand, wenige Männer bei den Gerichten erster, ja selbst zweiter und dritter Instanz ausgenommen, in rechts- wissenschaftlicher Durchbildung hinter den Richtern der deutschen Länder des ge- meinen Rechtes ein gutes Stück zurückstand und zurücksteht, kann bis diesen Augenblick jedem erwiesen scheinen, welcher die von preußischen Gerichten bis zum königlichen geheimen Obertribunal hinauf gefällten Erkenntnisse mit Grün¬ den unter Aufmerksamkeit auf die darin verarbeitete oder angezogene Literatur der Rechtswissenschaft durchgeht und mit denen der Gerichte gemeinen Rechtes, besonders der Obergerichte vergleicht, oder der die Bibliotheken der preußischen Gerichte (zumal erster Instanz) und der preußischen Richter mustert; oder welcher die wenigen, neuerdings um ein Minimum vermehrten, stets wiederkehrenden Namen preußischer Rcchtspraktiker unter den Verfassern rechtswissenschaftlicher Arbeiten in den Verzeichnissen der juristischen Verleger oder Zeitschriften ver¬ folgt. Nur theilweise erklärt diese bedenkliche Thatsache der Geist des preußischen allgemeinen Landrechts, welcder seit der Publication des leßtercn, den S. Februar 1794 den Zusammenhang desselben mit den großen Grundlagen aller neueren Rechtssysteme, mit dem römischen und deutschen Rechte, möglichst zu zerschneiden trachtete (vergl. §. 1—8 und §. 18. des Publicationspatentes). Dieser Um¬ stand hätte nachhaltig die Entwicklung des preußischen Rechtes von jenen zwei Hauptquellen alles Rechtes, der Rechtswissenschaft und der Rechtsgewohnheit, kaum zu trennen vermocht, wenn nicht 1) das Rechtsstudium der angehenden Preußischen Juristen auf ihren einheimischen und den übrigen deutschen Univer¬ sitäten , so wie 2) die weitere Aus b lib ung derselben in der Nechtspraxis an den preußischen Gerichten, endlich wenn nicht 3) die Art der drei juri- Grenzbotm I. 18t>5, 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/217>, abgerufen am 29.04.2024.