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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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aus dem Boden. Waren diese Bauten auch von außen etwas unscheinbar,
so herrschte dafür im Innern nicht weniger der gesuchteste Luxus, wie man
diesen nur in den Gemächern der Hofburgen oder der reichen Aristokratie fand.
Darum oder seitwärts erhoben sich die elenden Zeltrcihen, in welchen der
Soldat ein nothdürftiges Unterkommen fand, das ihn nicht immer gegen die
Ungunst des Wetters schützt.

In einem solchen Lager strömte alles zusammen, was Genuß und Uep¬
pigkeit zu bieten vermochte. Wer nur irgend konnte, brachte seine Köche
und Courtisanen mit. Hier wurde ungescheut aller Unfug getrieben. Hatte
man das Auge an den Uebungen der bunten Massen, an Paraden u. drgl. ge¬
weidet, dann ging es zum schwelgerischen Mahle, von da in die Komödie und
von da zu Illumination, Ball und Souper, bis der Morgen wieder graute.
Schaulustige und Genußsüchtige wurden in Massen herbeigezogen und so
vereinigte sich alles in einem sinnlichen Taumel. Und das alles sah und
hörte der arme Soldat: bei hungernden Magen sah er die leckersten Gerüchte
vorübertragen oder verzehren, der köstliche Duft machte ihn noch lüster¬
ner, wenn er des Nachts, zum Tode von der Hitze des Tages ermüdet,
die süße Ruhe und Stärkung für den folgenden finden wollte, ließen
ihn das lärmende Geräusch, Frost, Wind oder Regen nicht dazu kommen.
Außer den Lustlocalen der fürstlichen Herrschaften, der höheren Hofchargen und
Offiziere war in dieser Beziehung auch für die zuströmende Volksmenge reichlich
gesorgt, denn da gabs Trink- und Schaubuden, Seiltänzer und Kunstreiter,
Carousselle und in entlegeneren Winkeln auch Spielhöllen und andere Laster¬
höhlen. Während der Soldat dieses ganze Treiben vor Augen hatte, mußte er
ein resignirter Zuschauer bleiben, denn weder erlaubte es sein schmaler Geld¬
beutel, noch die strenge Zucht, daran theilzunehmen.

Diese großartigen, üppigen Feste trugen nicht wenig dazu bei, die Ent¬
sittlichung von Oben herab auch in die niederen Schichten der Bevölkerung zu
verbreiten. Auch der Landmann bekam sein Theil, da bei den Manövern
"icht selten ein Theil seiner Frucht und seines Wieswachses in den Boden ge¬
treten wurde und er mit Frohnden, Vorspann und allerlei Lieferungen arg geplagt
wurde. In dieser Beziehung suchte der Kriegsherr auf Unkosten Anderer mög¬
lichst zu sparen, während zu den Vergnügungen und einer unnützen Prachtentwicke-
lnng Millionen verschwendet wurden. Der gemeine Soldat und der Bauer
hatten mithin dabei wenig Lust, wohl aber die möglichste Last.


Das Infam- und Wiederehrlichmachen.

Wurde ein Offizier unehrlich gemacht, so geschah dieses im Felde vor einem
hierzu commandirten Truppentheil und zwar zunächst demjenigen, dem der Ver¬
theilte angehörte. Im Frieden machte man das auf der Wachtparade ab.


Grenzboten I. 1865. 42

aus dem Boden. Waren diese Bauten auch von außen etwas unscheinbar,
so herrschte dafür im Innern nicht weniger der gesuchteste Luxus, wie man
diesen nur in den Gemächern der Hofburgen oder der reichen Aristokratie fand.
Darum oder seitwärts erhoben sich die elenden Zeltrcihen, in welchen der
Soldat ein nothdürftiges Unterkommen fand, das ihn nicht immer gegen die
Ungunst des Wetters schützt.

In einem solchen Lager strömte alles zusammen, was Genuß und Uep¬
pigkeit zu bieten vermochte. Wer nur irgend konnte, brachte seine Köche
und Courtisanen mit. Hier wurde ungescheut aller Unfug getrieben. Hatte
man das Auge an den Uebungen der bunten Massen, an Paraden u. drgl. ge¬
weidet, dann ging es zum schwelgerischen Mahle, von da in die Komödie und
von da zu Illumination, Ball und Souper, bis der Morgen wieder graute.
Schaulustige und Genußsüchtige wurden in Massen herbeigezogen und so
vereinigte sich alles in einem sinnlichen Taumel. Und das alles sah und
hörte der arme Soldat: bei hungernden Magen sah er die leckersten Gerüchte
vorübertragen oder verzehren, der köstliche Duft machte ihn noch lüster¬
ner, wenn er des Nachts, zum Tode von der Hitze des Tages ermüdet,
die süße Ruhe und Stärkung für den folgenden finden wollte, ließen
ihn das lärmende Geräusch, Frost, Wind oder Regen nicht dazu kommen.
Außer den Lustlocalen der fürstlichen Herrschaften, der höheren Hofchargen und
Offiziere war in dieser Beziehung auch für die zuströmende Volksmenge reichlich
gesorgt, denn da gabs Trink- und Schaubuden, Seiltänzer und Kunstreiter,
Carousselle und in entlegeneren Winkeln auch Spielhöllen und andere Laster¬
höhlen. Während der Soldat dieses ganze Treiben vor Augen hatte, mußte er
ein resignirter Zuschauer bleiben, denn weder erlaubte es sein schmaler Geld¬
beutel, noch die strenge Zucht, daran theilzunehmen.

Diese großartigen, üppigen Feste trugen nicht wenig dazu bei, die Ent¬
sittlichung von Oben herab auch in die niederen Schichten der Bevölkerung zu
verbreiten. Auch der Landmann bekam sein Theil, da bei den Manövern
"icht selten ein Theil seiner Frucht und seines Wieswachses in den Boden ge¬
treten wurde und er mit Frohnden, Vorspann und allerlei Lieferungen arg geplagt
wurde. In dieser Beziehung suchte der Kriegsherr auf Unkosten Anderer mög¬
lichst zu sparen, während zu den Vergnügungen und einer unnützen Prachtentwicke-
lnng Millionen verschwendet wurden. Der gemeine Soldat und der Bauer
hatten mithin dabei wenig Lust, wohl aber die möglichste Last.


Das Infam- und Wiederehrlichmachen.

Wurde ein Offizier unehrlich gemacht, so geschah dieses im Felde vor einem
hierzu commandirten Truppentheil und zwar zunächst demjenigen, dem der Ver¬
theilte angehörte. Im Frieden machte man das auf der Wachtparade ab.


Grenzboten I. 1865. 42
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/351>, abgerufen am 30.04.2024.