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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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So stand es in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts noch mit
den preußischen und braunschweigischen. und wahrscheinlich auch hessischen Trup¬
pen, die als die besten in Deutschland galten. Es ist zu verwundern, wie bei
solchen Spielereien und Sophismen mit der Ehre der Soldat noch so viel von
dieser sich erhielt, daß er. für sie muthig dem Tod und Verderben entgegen¬
ging und sich bestrebte, seinem Stande einen guten Namen zu erhalten.




Die Münchener Kunst der GefleMmrt.

Die Architektur. Die Bedeutung des antiken und des Renaissancestils für unsere Zeit.
Neue Aufgaben und Hoffnungen.

Auch außerhalb der Maximiliansstraße in München, die bekanntlich der
Geburtsort des "modernen Baustils" ist. sind fast alle in jüngster Zeit errichte¬
ten Privatgebäude nach seinen Schablonenhaften Zügen ausgeführt. Denn das
ist der neuen Bauart eigenthümlich, daß sie ungeachtet einer blinden und ^zu¬
fälligen Vermischung ganz verschiedener Stilelcmcntc nur ein paar magere
Hauptformen kennt, deren Zusammenstellung nach dem Muster, das an den
öffentlichen Bauten gegeben ist. dem ersten besten Maurermeister ebenso gut
gelingt, wie dem Architekten. Da zudem die Baubehörde, deren Prüfung
die neuen Pläne unterliegen, eben die ist. welche die Fahne des modernen
Stils aufgesteckt hat, so kann es nicht Wunder nehmen, daß nun ganze Stadt¬
theile nach der Regel der neuen Strccklisenenordnung in die Höhe schießen.

Diesen fehlt natürlich der Flitter des aufgeklebten Zicrraths, mit dem die
Staatsgebäude die Armuth wie die Verkehrtheit der Formen zu verhüllen suchen
und so tritt an ihnen die Mißgestalt des "neuen Stils" und die Hohlheit seines
gespreizten Wesens in abschreckender Nacktheit zu Tage. Das System, Füllung
Füllung zu schieben, die Mauer durch dünne Vertikale Streifen in lange
^PPen zu zerschneiden, den wagrechten Aufbau, den doch das moderne Bau¬
bedürfniß nicht verläugnen kann, mit ein paar zaghaften Gurten von der Dicke
""es Fadens und mit einer Miniaturkrönung, nur anzudeuten, dagegen durch
Serien und kleine Nundbogcnfricse am Profanbau des neunzehnten Jahrhun¬
derts dem romanischen Kirchenstil ein mageres Andenken zu stiften, endlich ferne-


So stand es in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts noch mit
den preußischen und braunschweigischen. und wahrscheinlich auch hessischen Trup¬
pen, die als die besten in Deutschland galten. Es ist zu verwundern, wie bei
solchen Spielereien und Sophismen mit der Ehre der Soldat noch so viel von
dieser sich erhielt, daß er. für sie muthig dem Tod und Verderben entgegen¬
ging und sich bestrebte, seinem Stande einen guten Namen zu erhalten.




Die Münchener Kunst der GefleMmrt.

Die Architektur. Die Bedeutung des antiken und des Renaissancestils für unsere Zeit.
Neue Aufgaben und Hoffnungen.

Auch außerhalb der Maximiliansstraße in München, die bekanntlich der
Geburtsort des „modernen Baustils" ist. sind fast alle in jüngster Zeit errichte¬
ten Privatgebäude nach seinen Schablonenhaften Zügen ausgeführt. Denn das
ist der neuen Bauart eigenthümlich, daß sie ungeachtet einer blinden und ^zu¬
fälligen Vermischung ganz verschiedener Stilelcmcntc nur ein paar magere
Hauptformen kennt, deren Zusammenstellung nach dem Muster, das an den
öffentlichen Bauten gegeben ist. dem ersten besten Maurermeister ebenso gut
gelingt, wie dem Architekten. Da zudem die Baubehörde, deren Prüfung
die neuen Pläne unterliegen, eben die ist. welche die Fahne des modernen
Stils aufgesteckt hat, so kann es nicht Wunder nehmen, daß nun ganze Stadt¬
theile nach der Regel der neuen Strccklisenenordnung in die Höhe schießen.

Diesen fehlt natürlich der Flitter des aufgeklebten Zicrraths, mit dem die
Staatsgebäude die Armuth wie die Verkehrtheit der Formen zu verhüllen suchen
und so tritt an ihnen die Mißgestalt des „neuen Stils" und die Hohlheit seines
gespreizten Wesens in abschreckender Nacktheit zu Tage. Das System, Füllung
Füllung zu schieben, die Mauer durch dünne Vertikale Streifen in lange
^PPen zu zerschneiden, den wagrechten Aufbau, den doch das moderne Bau¬
bedürfniß nicht verläugnen kann, mit ein paar zaghaften Gurten von der Dicke
""es Fadens und mit einer Miniaturkrönung, nur anzudeuten, dagegen durch
Serien und kleine Nundbogcnfricse am Profanbau des neunzehnten Jahrhun¬
derts dem romanischen Kirchenstil ein mageres Andenken zu stiften, endlich ferne-


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[0357] So stand es in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts noch mit den preußischen und braunschweigischen. und wahrscheinlich auch hessischen Trup¬ pen, die als die besten in Deutschland galten. Es ist zu verwundern, wie bei solchen Spielereien und Sophismen mit der Ehre der Soldat noch so viel von dieser sich erhielt, daß er. für sie muthig dem Tod und Verderben entgegen¬ ging und sich bestrebte, seinem Stande einen guten Namen zu erhalten. Die Münchener Kunst der GefleMmrt. Die Architektur. Die Bedeutung des antiken und des Renaissancestils für unsere Zeit. Neue Aufgaben und Hoffnungen. Auch außerhalb der Maximiliansstraße in München, die bekanntlich der Geburtsort des „modernen Baustils" ist. sind fast alle in jüngster Zeit errichte¬ ten Privatgebäude nach seinen Schablonenhaften Zügen ausgeführt. Denn das ist der neuen Bauart eigenthümlich, daß sie ungeachtet einer blinden und ^zu¬ fälligen Vermischung ganz verschiedener Stilelcmcntc nur ein paar magere Hauptformen kennt, deren Zusammenstellung nach dem Muster, das an den öffentlichen Bauten gegeben ist. dem ersten besten Maurermeister ebenso gut gelingt, wie dem Architekten. Da zudem die Baubehörde, deren Prüfung die neuen Pläne unterliegen, eben die ist. welche die Fahne des modernen Stils aufgesteckt hat, so kann es nicht Wunder nehmen, daß nun ganze Stadt¬ theile nach der Regel der neuen Strccklisenenordnung in die Höhe schießen. Diesen fehlt natürlich der Flitter des aufgeklebten Zicrraths, mit dem die Staatsgebäude die Armuth wie die Verkehrtheit der Formen zu verhüllen suchen und so tritt an ihnen die Mißgestalt des „neuen Stils" und die Hohlheit seines gespreizten Wesens in abschreckender Nacktheit zu Tage. Das System, Füllung Füllung zu schieben, die Mauer durch dünne Vertikale Streifen in lange ^PPen zu zerschneiden, den wagrechten Aufbau, den doch das moderne Bau¬ bedürfniß nicht verläugnen kann, mit ein paar zaghaften Gurten von der Dicke ""es Fadens und mit einer Miniaturkrönung, nur anzudeuten, dagegen durch Serien und kleine Nundbogcnfricse am Profanbau des neunzehnten Jahrhun¬ derts dem romanischen Kirchenstil ein mageres Andenken zu stiften, endlich ferne-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/357>, abgerufen am 29.04.2024.