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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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dive Formen als Ornamente in einer allerdings unerhört neuen, d, h. wider¬
sinnigen Weise zu benutzen und mit solchen armseligen Mitteln sich das Gesicht
eines Palastes aninger zu wollen: dieses System mußte seinen Bankerott offen
bekennen, sobald ihm die täuschende Hülle, die das blöde Auge allenfalls noch
blenden konnte, abgezogen war und das häßliche verwachsene Gerippe an der
Straße stand. Doch von dem "modernen Münchener Baustil" ist schon früher
in diesen Blättern (Ur. 23. 24. 23 des Jahrgangs 1863) ausführlich die Rede
gewesen. Kommen wir hier daraus zurück, so ist es nur. um das Eine und
Andere nachzutragen, was die jüngste Zeit bei Vollendung der Bauten ans
Licht gebracht hat und um ein Wort von den Wirkungen zu sagen, welche eine
solche Architektur auf die Arbeit und die Bildung des Volkes über kurz oder
lang ausüben muß.

Zwar ihr Einfluß wird bald nicht mehr zu fürchten sein, denn ihr Reich
geht, so hat es allen Anschein, nun zu Ende. Nicht gerade, daß nur der Re¬
gierungswechsel ihrer Herrschaft ein Ziel setzte; auch unter König Max wäre
sie wohl nicht von längerer Dauer gewesen. Was schon in jenen Artikeln
ausgesprochen ist, daß nämlich diesen wohl der Gedanke leitete, durch neue
monumentale Bauten sowohl seiner Regierung ein würdiges Denkmal zu
setzen, als die Kunst und Gesittung seines Volkes zu heben, daß er aber
deshalb keineswegs selber zur Erfindung eines neuen Stiles anregen wollte,
das hat sich nun dem Referenten, wenn er recht berichtet ist. bestätigt. Ohne
Zweifel schwebte dem Fürsten im Sinne, daß die Baukunst unseres Zahrhun-
derts nicht nachahmend der Vergangenheit ihre Formen entlehnen, sondern diese
mit freier schöpferischer Phantasie, zugleich aber mit Verständniß im Geiste
und für die Zwecke des Zeitalters zu eigenthümlichen Werken verwerthen solle.
Der Gedanke war eines Königs wahrlich nicht unwerth, und an zwei wesent¬
lichen Punkten seines Planes, mit denen er die Hauptbedingungen für eine
fruchtbare Entwicklung der Baukunst traf, erwies sich, daß es ihm ebenso wenig
an Einsicht in den Charakter unserer Epoche als an seinem Sinn für eine
große wirkungsvolle Anordnung architektonischer Massen fehlte. Das erste zeigte
er in der Wahl der Zwecke, für die sich neue Gebäude erheben sollten ^
Zwecke, die mit den weltlichen Lebensmächten unserer Zeit im engsten Zusammen¬
hange stehen; das zweite in der Anlage der neuen Straße, die sowohl alle Be¬
dingungen eines monumentalen Platzes als die Anforderungen des städti¬
schen Verkehrs und Lebens erfüllt. Kam nur die Ausführung in die richtigen
Hände, so hätte das Festkleid, das in diesem Jahrhundert München angelegt,
seinen edelsten Schmuck erhalten können. War es des Fürsten Schuld,
daß sich Architekten fanden, die ihm mit drängenden Eiser die glänzende Per-
spective eines ganz neuen eigenthümlichen Stils eröffneten, als einer unerreich¬
ten königlichen That? Der vom König ins Leben gerufen als der endlich ge-


dive Formen als Ornamente in einer allerdings unerhört neuen, d, h. wider¬
sinnigen Weise zu benutzen und mit solchen armseligen Mitteln sich das Gesicht
eines Palastes aninger zu wollen: dieses System mußte seinen Bankerott offen
bekennen, sobald ihm die täuschende Hülle, die das blöde Auge allenfalls noch
blenden konnte, abgezogen war und das häßliche verwachsene Gerippe an der
Straße stand. Doch von dem „modernen Münchener Baustil" ist schon früher
in diesen Blättern (Ur. 23. 24. 23 des Jahrgangs 1863) ausführlich die Rede
gewesen. Kommen wir hier daraus zurück, so ist es nur. um das Eine und
Andere nachzutragen, was die jüngste Zeit bei Vollendung der Bauten ans
Licht gebracht hat und um ein Wort von den Wirkungen zu sagen, welche eine
solche Architektur auf die Arbeit und die Bildung des Volkes über kurz oder
lang ausüben muß.

Zwar ihr Einfluß wird bald nicht mehr zu fürchten sein, denn ihr Reich
geht, so hat es allen Anschein, nun zu Ende. Nicht gerade, daß nur der Re¬
gierungswechsel ihrer Herrschaft ein Ziel setzte; auch unter König Max wäre
sie wohl nicht von längerer Dauer gewesen. Was schon in jenen Artikeln
ausgesprochen ist, daß nämlich diesen wohl der Gedanke leitete, durch neue
monumentale Bauten sowohl seiner Regierung ein würdiges Denkmal zu
setzen, als die Kunst und Gesittung seines Volkes zu heben, daß er aber
deshalb keineswegs selber zur Erfindung eines neuen Stiles anregen wollte,
das hat sich nun dem Referenten, wenn er recht berichtet ist. bestätigt. Ohne
Zweifel schwebte dem Fürsten im Sinne, daß die Baukunst unseres Zahrhun-
derts nicht nachahmend der Vergangenheit ihre Formen entlehnen, sondern diese
mit freier schöpferischer Phantasie, zugleich aber mit Verständniß im Geiste
und für die Zwecke des Zeitalters zu eigenthümlichen Werken verwerthen solle.
Der Gedanke war eines Königs wahrlich nicht unwerth, und an zwei wesent¬
lichen Punkten seines Planes, mit denen er die Hauptbedingungen für eine
fruchtbare Entwicklung der Baukunst traf, erwies sich, daß es ihm ebenso wenig
an Einsicht in den Charakter unserer Epoche als an seinem Sinn für eine
große wirkungsvolle Anordnung architektonischer Massen fehlte. Das erste zeigte
er in der Wahl der Zwecke, für die sich neue Gebäude erheben sollten ^
Zwecke, die mit den weltlichen Lebensmächten unserer Zeit im engsten Zusammen¬
hange stehen; das zweite in der Anlage der neuen Straße, die sowohl alle Be¬
dingungen eines monumentalen Platzes als die Anforderungen des städti¬
schen Verkehrs und Lebens erfüllt. Kam nur die Ausführung in die richtigen
Hände, so hätte das Festkleid, das in diesem Jahrhundert München angelegt,
seinen edelsten Schmuck erhalten können. War es des Fürsten Schuld,
daß sich Architekten fanden, die ihm mit drängenden Eiser die glänzende Per-
spective eines ganz neuen eigenthümlichen Stils eröffneten, als einer unerreich¬
ten königlichen That? Der vom König ins Leben gerufen als der endlich ge-


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[0358] dive Formen als Ornamente in einer allerdings unerhört neuen, d, h. wider¬ sinnigen Weise zu benutzen und mit solchen armseligen Mitteln sich das Gesicht eines Palastes aninger zu wollen: dieses System mußte seinen Bankerott offen bekennen, sobald ihm die täuschende Hülle, die das blöde Auge allenfalls noch blenden konnte, abgezogen war und das häßliche verwachsene Gerippe an der Straße stand. Doch von dem „modernen Münchener Baustil" ist schon früher in diesen Blättern (Ur. 23. 24. 23 des Jahrgangs 1863) ausführlich die Rede gewesen. Kommen wir hier daraus zurück, so ist es nur. um das Eine und Andere nachzutragen, was die jüngste Zeit bei Vollendung der Bauten ans Licht gebracht hat und um ein Wort von den Wirkungen zu sagen, welche eine solche Architektur auf die Arbeit und die Bildung des Volkes über kurz oder lang ausüben muß. Zwar ihr Einfluß wird bald nicht mehr zu fürchten sein, denn ihr Reich geht, so hat es allen Anschein, nun zu Ende. Nicht gerade, daß nur der Re¬ gierungswechsel ihrer Herrschaft ein Ziel setzte; auch unter König Max wäre sie wohl nicht von längerer Dauer gewesen. Was schon in jenen Artikeln ausgesprochen ist, daß nämlich diesen wohl der Gedanke leitete, durch neue monumentale Bauten sowohl seiner Regierung ein würdiges Denkmal zu setzen, als die Kunst und Gesittung seines Volkes zu heben, daß er aber deshalb keineswegs selber zur Erfindung eines neuen Stiles anregen wollte, das hat sich nun dem Referenten, wenn er recht berichtet ist. bestätigt. Ohne Zweifel schwebte dem Fürsten im Sinne, daß die Baukunst unseres Zahrhun- derts nicht nachahmend der Vergangenheit ihre Formen entlehnen, sondern diese mit freier schöpferischer Phantasie, zugleich aber mit Verständniß im Geiste und für die Zwecke des Zeitalters zu eigenthümlichen Werken verwerthen solle. Der Gedanke war eines Königs wahrlich nicht unwerth, und an zwei wesent¬ lichen Punkten seines Planes, mit denen er die Hauptbedingungen für eine fruchtbare Entwicklung der Baukunst traf, erwies sich, daß es ihm ebenso wenig an Einsicht in den Charakter unserer Epoche als an seinem Sinn für eine große wirkungsvolle Anordnung architektonischer Massen fehlte. Das erste zeigte er in der Wahl der Zwecke, für die sich neue Gebäude erheben sollten ^ Zwecke, die mit den weltlichen Lebensmächten unserer Zeit im engsten Zusammen¬ hange stehen; das zweite in der Anlage der neuen Straße, die sowohl alle Be¬ dingungen eines monumentalen Platzes als die Anforderungen des städti¬ schen Verkehrs und Lebens erfüllt. Kam nur die Ausführung in die richtigen Hände, so hätte das Festkleid, das in diesem Jahrhundert München angelegt, seinen edelsten Schmuck erhalten können. War es des Fürsten Schuld, daß sich Architekten fanden, die ihm mit drängenden Eiser die glänzende Per- spective eines ganz neuen eigenthümlichen Stils eröffneten, als einer unerreich¬ ten königlichen That? Der vom König ins Leben gerufen als der endlich ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/358>, abgerufen am 16.05.2024.