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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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August von Kloeber.

Am letzten Tage des vergangenen Jahres starb in Berlin der Meister,
welcher als letzter Repräsentant der älteren berliner Malerschule gelten konnte,
August von Kloeber. Der eine, ihn und sie heute noch in frischer Kraft über¬
lebende Genosse ihrer besten Tage, Eduard Magnus, nahm immer eine Art
Sonderstellung zu ihr ein, welche ihn vor Anderen befähigt hat, an den künst¬
lerischen Bestrebungen der jüngeren Generation eine so lebendige thätige Be¬
theiligung zu beweisen, daß dies neue Malergeschlecht ihn nicht ohne Grund
wenigstens halb zu den Seinen zu zählen berechtigt ist. v. Kloeber, Wach,
Karl Begas, in zweiter Linie Kolbe und in der Landschaft jener tiefsinnige
Meister, dessen eigenartige Größe durch die spätere glänzende Entwickelung der
Landschaftsmalern nicht in Schatten gestellt, sondern vielmehr erst zur immer
volleren und allgemeineren Erkenntniß und Geltung gelangen sollte, Blechen,
-- diese Meister einer mit Schinkels Principien und Lehren in engstem Zu¬
sammenhang stehenden idealen Richtung, und als Gegensatz und Ergänzung,
der reich begabte Realist jener Epoche, Karl Keger, sind es, von welchen das
"malerische Berlin" der Zeit Friedrich Wilhelms des Dritten sein bestimmtes,
von dem des heutigen so grundverschiedenes Gepräge empfängt. Wenn ihre
Thätigkeit und Wirksamkeit sich auch noch ein Jahrzehnt und länger unter der
darauffolgenden Regierungsperiode des kunstfreundlichsten aller preußischen Kö¬
nige kundgiebt, so treten seit dessen Thronbesteigung doch mit und neben den
Genannten, herbeigerufen und neu erwachsen, viele wesentlich anders geartete
künstlerische Kräfte in Berlin auf, neue Gestaltungen bedingend und schaffend.
Kloeber, dem ein glückliches Geschick, heiter und friedlich, wie seine eigenste
Kunst, während seines ganzen Lebens jene Kämpfe, jenes schmerzvolle Ringen
mit Hinderniß und Mißgunst erspart hat, wie es so vieler großer Meister Lauf¬
bahn aufweist, ist auch die bittere Erfahrung eines in solche Perioden der Um¬
wandlung fallenden Künstlerdaseins erspart geblieben, sich von einer neuen
Strömung des Kunstgeschmacks plötzlich bei Seite geschoben zu sehen und
von einem jungen revolutionären Geschlecht zum Märtyrer seiner theuersten
Ideale gemacht zu werden. Einmal vollzogen sich während der letzten vierzig
Jahre derartige Umwandlungen bei uns in Deutschland überhaupt weit ge¬
linder und allmäliger als z. B. in Frankreich und von solch erbittertem An¬
sturm- und Vertheidigungskampf der Kunstprincipien, von solchen tragischen
Opfern, die denselben gefallen, wie die Geschichte der französischen Malerei aus
den zwanziger und dreißiger Jahren berichtet -- ich erinnere nur an Gros --


August von Kloeber.

Am letzten Tage des vergangenen Jahres starb in Berlin der Meister,
welcher als letzter Repräsentant der älteren berliner Malerschule gelten konnte,
August von Kloeber. Der eine, ihn und sie heute noch in frischer Kraft über¬
lebende Genosse ihrer besten Tage, Eduard Magnus, nahm immer eine Art
Sonderstellung zu ihr ein, welche ihn vor Anderen befähigt hat, an den künst¬
lerischen Bestrebungen der jüngeren Generation eine so lebendige thätige Be¬
theiligung zu beweisen, daß dies neue Malergeschlecht ihn nicht ohne Grund
wenigstens halb zu den Seinen zu zählen berechtigt ist. v. Kloeber, Wach,
Karl Begas, in zweiter Linie Kolbe und in der Landschaft jener tiefsinnige
Meister, dessen eigenartige Größe durch die spätere glänzende Entwickelung der
Landschaftsmalern nicht in Schatten gestellt, sondern vielmehr erst zur immer
volleren und allgemeineren Erkenntniß und Geltung gelangen sollte, Blechen,
— diese Meister einer mit Schinkels Principien und Lehren in engstem Zu¬
sammenhang stehenden idealen Richtung, und als Gegensatz und Ergänzung,
der reich begabte Realist jener Epoche, Karl Keger, sind es, von welchen das
„malerische Berlin" der Zeit Friedrich Wilhelms des Dritten sein bestimmtes,
von dem des heutigen so grundverschiedenes Gepräge empfängt. Wenn ihre
Thätigkeit und Wirksamkeit sich auch noch ein Jahrzehnt und länger unter der
darauffolgenden Regierungsperiode des kunstfreundlichsten aller preußischen Kö¬
nige kundgiebt, so treten seit dessen Thronbesteigung doch mit und neben den
Genannten, herbeigerufen und neu erwachsen, viele wesentlich anders geartete
künstlerische Kräfte in Berlin auf, neue Gestaltungen bedingend und schaffend.
Kloeber, dem ein glückliches Geschick, heiter und friedlich, wie seine eigenste
Kunst, während seines ganzen Lebens jene Kämpfe, jenes schmerzvolle Ringen
mit Hinderniß und Mißgunst erspart hat, wie es so vieler großer Meister Lauf¬
bahn aufweist, ist auch die bittere Erfahrung eines in solche Perioden der Um¬
wandlung fallenden Künstlerdaseins erspart geblieben, sich von einer neuen
Strömung des Kunstgeschmacks plötzlich bei Seite geschoben zu sehen und
von einem jungen revolutionären Geschlecht zum Märtyrer seiner theuersten
Ideale gemacht zu werden. Einmal vollzogen sich während der letzten vierzig
Jahre derartige Umwandlungen bei uns in Deutschland überhaupt weit ge¬
linder und allmäliger als z. B. in Frankreich und von solch erbittertem An¬
sturm- und Vertheidigungskampf der Kunstprincipien, von solchen tragischen
Opfern, die denselben gefallen, wie die Geschichte der französischen Malerei aus
den zwanziger und dreißiger Jahren berichtet — ich erinnere nur an Gros —


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[0542] August von Kloeber. Am letzten Tage des vergangenen Jahres starb in Berlin der Meister, welcher als letzter Repräsentant der älteren berliner Malerschule gelten konnte, August von Kloeber. Der eine, ihn und sie heute noch in frischer Kraft über¬ lebende Genosse ihrer besten Tage, Eduard Magnus, nahm immer eine Art Sonderstellung zu ihr ein, welche ihn vor Anderen befähigt hat, an den künst¬ lerischen Bestrebungen der jüngeren Generation eine so lebendige thätige Be¬ theiligung zu beweisen, daß dies neue Malergeschlecht ihn nicht ohne Grund wenigstens halb zu den Seinen zu zählen berechtigt ist. v. Kloeber, Wach, Karl Begas, in zweiter Linie Kolbe und in der Landschaft jener tiefsinnige Meister, dessen eigenartige Größe durch die spätere glänzende Entwickelung der Landschaftsmalern nicht in Schatten gestellt, sondern vielmehr erst zur immer volleren und allgemeineren Erkenntniß und Geltung gelangen sollte, Blechen, — diese Meister einer mit Schinkels Principien und Lehren in engstem Zu¬ sammenhang stehenden idealen Richtung, und als Gegensatz und Ergänzung, der reich begabte Realist jener Epoche, Karl Keger, sind es, von welchen das „malerische Berlin" der Zeit Friedrich Wilhelms des Dritten sein bestimmtes, von dem des heutigen so grundverschiedenes Gepräge empfängt. Wenn ihre Thätigkeit und Wirksamkeit sich auch noch ein Jahrzehnt und länger unter der darauffolgenden Regierungsperiode des kunstfreundlichsten aller preußischen Kö¬ nige kundgiebt, so treten seit dessen Thronbesteigung doch mit und neben den Genannten, herbeigerufen und neu erwachsen, viele wesentlich anders geartete künstlerische Kräfte in Berlin auf, neue Gestaltungen bedingend und schaffend. Kloeber, dem ein glückliches Geschick, heiter und friedlich, wie seine eigenste Kunst, während seines ganzen Lebens jene Kämpfe, jenes schmerzvolle Ringen mit Hinderniß und Mißgunst erspart hat, wie es so vieler großer Meister Lauf¬ bahn aufweist, ist auch die bittere Erfahrung eines in solche Perioden der Um¬ wandlung fallenden Künstlerdaseins erspart geblieben, sich von einer neuen Strömung des Kunstgeschmacks plötzlich bei Seite geschoben zu sehen und von einem jungen revolutionären Geschlecht zum Märtyrer seiner theuersten Ideale gemacht zu werden. Einmal vollzogen sich während der letzten vierzig Jahre derartige Umwandlungen bei uns in Deutschland überhaupt weit ge¬ linder und allmäliger als z. B. in Frankreich und von solch erbittertem An¬ sturm- und Vertheidigungskampf der Kunstprincipien, von solchen tragischen Opfern, die denselben gefallen, wie die Geschichte der französischen Malerei aus den zwanziger und dreißiger Jahren berichtet — ich erinnere nur an Gros —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/542>, abgerufen am 29.04.2024.