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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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weiß die Chronik unserer vaterländischen Kunstentwickelung während der vorhin
genannten Periode nichts zu melden. Und andererseits war und ist Kloebers
Talent und das, was er schuf, von so liebenswürdiger und einschmeichelnder
Art, von so immer giltiger und wirksamer Heiterkeit und Anmuth beseelt, daß
es auch von schärferen, leidenschaftlicheren Fehden, als wir sie auf diesen Ge¬
bieten bei uns gesehen, nicht berührt, und inmitten aller hochgehenden Aufregung
künstlerischer Parteikämpfe respectirt geblieben sein mochte. ,

Nicht an Kämpfen, wohl aber an mannigfachen Schicksalen reich war dies
lange schöne Künstlerleben, das der letzte Tag des Jahres abschloß, und mit
einer Aufzählung der Schöpfungen, welche demselben erblühten, ist es keines¬
wegs erschöpft. Zumal der erste Theil seiner Laufbahn, ehe ihm Raum und
Muße zur stillen schönen Arbeit des Talents vergönnt wurde, war in hohem
Grade bewegt, angemessen der gewaltigen Zeit des allgemeinen Umsturzes aller
europäischen Verhältnisse, des kriegerischen Sturms, der zerstörend, reinigend,
aufrüttelnd über die alte Welt dcchinbrauste und auch den Knaben und Jüng¬
ling in seine Wirbel hineinzog. Am 21. August 1793 ist er zu Breslau
geboren, Sohn des Kammerdirectors. Geheimen Raths Ludwig v. Kloeber, den
er bereits im zweiten Lebensjahre durch den Tod verlor. Darin war seine
Jugend der aller bedeutenden Künstler ähnlich, daß sich "frühe schon" die Lust
und Neigung des Knaben zum Zeichnen kundgab. Freilich wurden diese ersten
Aeußerungen seines innern Berufs zunächst nicht für die Wahl desselben be¬
stimmend.

Denn mit dem zwölften Lebensjahre tritt er zu Berlin ins Kadetten¬
haus, und nur dem jähen Sturz der Macht seines preußischen Vaterlandes
dankte er es. daß der ihm vorgezeichnete, seinen Wünschen wenig entspre¬
chende Lebensplan nicht zur Durchführung gelangte. Die Schlacht bei Jena
löste wie die preußische Armee, so auch das berliner Kadettencorps auf, und
Kloeber wurde seiner Mutter wiedergegeben. Mit ihren Kindern übersiedelte
sie von Breslau nach Tarnowitz und von hier nach Troppau. Dieser Aufent¬
halt wurde für Kloeber von entscheidender Wichtigkeit. In den Kunstsammlun¬
gen eines östreichischen Gutsbesitzers, des Baron v. Skbrenski, und in dessen
freundlicher Theilnahme fanden seine künstlerischen Neigungen so viel Förderung
und Ermuthigung, daß wenigstens der Gedanke einer militärischen Laufbahn
für ihn aufgegeben und dagegen die eines Architekten erwählt wurde. Die zeich¬
nerische Thätigkeit, der er zu diesem Zweck auf der breslauer Bau- und Ge¬
werbeschule oblag, konnte aber seinem ursprünglichen Hange nur neue Stärke
verleihen und dem leidenschaftlich zu Tage tretenden Wunsch zur Malere,i mochte die
Mutter kein Hinderniß entgegensetzen. Mit neunzehn Jahren, im Winter 1812
kam er unter so veränderten Umständen zum zweiten Mal nach Berlin,


Grenzboten I. 1865. 65

weiß die Chronik unserer vaterländischen Kunstentwickelung während der vorhin
genannten Periode nichts zu melden. Und andererseits war und ist Kloebers
Talent und das, was er schuf, von so liebenswürdiger und einschmeichelnder
Art, von so immer giltiger und wirksamer Heiterkeit und Anmuth beseelt, daß
es auch von schärferen, leidenschaftlicheren Fehden, als wir sie auf diesen Ge¬
bieten bei uns gesehen, nicht berührt, und inmitten aller hochgehenden Aufregung
künstlerischer Parteikämpfe respectirt geblieben sein mochte. ,

Nicht an Kämpfen, wohl aber an mannigfachen Schicksalen reich war dies
lange schöne Künstlerleben, das der letzte Tag des Jahres abschloß, und mit
einer Aufzählung der Schöpfungen, welche demselben erblühten, ist es keines¬
wegs erschöpft. Zumal der erste Theil seiner Laufbahn, ehe ihm Raum und
Muße zur stillen schönen Arbeit des Talents vergönnt wurde, war in hohem
Grade bewegt, angemessen der gewaltigen Zeit des allgemeinen Umsturzes aller
europäischen Verhältnisse, des kriegerischen Sturms, der zerstörend, reinigend,
aufrüttelnd über die alte Welt dcchinbrauste und auch den Knaben und Jüng¬
ling in seine Wirbel hineinzog. Am 21. August 1793 ist er zu Breslau
geboren, Sohn des Kammerdirectors. Geheimen Raths Ludwig v. Kloeber, den
er bereits im zweiten Lebensjahre durch den Tod verlor. Darin war seine
Jugend der aller bedeutenden Künstler ähnlich, daß sich „frühe schon" die Lust
und Neigung des Knaben zum Zeichnen kundgab. Freilich wurden diese ersten
Aeußerungen seines innern Berufs zunächst nicht für die Wahl desselben be¬
stimmend.

Denn mit dem zwölften Lebensjahre tritt er zu Berlin ins Kadetten¬
haus, und nur dem jähen Sturz der Macht seines preußischen Vaterlandes
dankte er es. daß der ihm vorgezeichnete, seinen Wünschen wenig entspre¬
chende Lebensplan nicht zur Durchführung gelangte. Die Schlacht bei Jena
löste wie die preußische Armee, so auch das berliner Kadettencorps auf, und
Kloeber wurde seiner Mutter wiedergegeben. Mit ihren Kindern übersiedelte
sie von Breslau nach Tarnowitz und von hier nach Troppau. Dieser Aufent¬
halt wurde für Kloeber von entscheidender Wichtigkeit. In den Kunstsammlun¬
gen eines östreichischen Gutsbesitzers, des Baron v. Skbrenski, und in dessen
freundlicher Theilnahme fanden seine künstlerischen Neigungen so viel Förderung
und Ermuthigung, daß wenigstens der Gedanke einer militärischen Laufbahn
für ihn aufgegeben und dagegen die eines Architekten erwählt wurde. Die zeich¬
nerische Thätigkeit, der er zu diesem Zweck auf der breslauer Bau- und Ge¬
werbeschule oblag, konnte aber seinem ursprünglichen Hange nur neue Stärke
verleihen und dem leidenschaftlich zu Tage tretenden Wunsch zur Malere,i mochte die
Mutter kein Hinderniß entgegensetzen. Mit neunzehn Jahren, im Winter 1812
kam er unter so veränderten Umständen zum zweiten Mal nach Berlin,


Grenzboten I. 1865. 65
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/543>, abgerufen am 16.05.2024.