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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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früher die Geschichte beherrschten, dem Princip nach feindselig sind, daß die¬
selben die doppelte Gefahr bedroht, nicht nur von der Kritik bekämpft und
widerlegt, sondern auch trocken gelegt, d. h. absichtlich ignorirt und' todt¬
geschwiegen zu werden, so vermögen wir uns der Ueberzeugung nicht zu ver¬
schließen, daß sie, wie zäh auch die Volksmeinung an einzelnen derselben
festhält, doch in nicht gar langer Zeit verschwinden werden, und wir dürfen
uns nicht wundern, wenn schon die jetzt heranwachsende Generation gar vieles
als irrig und unglaubwürdig in den Schulen bezeichnen hört, was die Väter
noch als feststehende historische Wahrheit gelernt und behalten haben. Wir mö¬
gen das eben hinnehmen, wie wir es mit ansehen müssen, daß so man¬
ches andere, für das wir eine gewisse Anhänglichkeit fühlen, weil es mit aller¬
lei freundlichen Kindheitserinnerungen eng verwebt ist, von dem Rade der Zeit
in den Staub geworfen wird. Eine ruhige Vorurtheilsfreie Ueberlegung der
vielfachen Segnungen fortschreitender Entwickelung vermag bei allen solchen
C. G. Fällen Trost und Entschädigung in reichem Maße zu finden.




Die Pläne des Ministeriums für Umgestaltung der
Preußischen Schwurgerichte.

Das preußische Justizministerium hält die Juristen des Staates in'Athem.
Vor etwa einem Jahre warf es die langersehnte Hypothekenvrdnung ins Volk;
die neue juristische Examenordnung und eine Zahl anderer wesentlicher Verord¬
nungen griffen, während der Zwist der drei gesetzgebenden Factoren nur küm¬
merliche Früchte der Legislatur zeitigen läßt, inzwischen rege in das Räderwerk
des Rechts und der Verwaltung ein. Jetzt, vor wenigen Tagen, trat das Gespenst
des neuen Strafproceßentwurfes in die Zimmer der erschreckten Rechtslehrer
und Praktiker und rief sie zum Urtheil. Auch dies Blatt trägt sein Votum
zum Dingplatz. Die sehr tief greifende Bedeutung gerade dieses neuen Ge¬
setzentwurfes macht den Organen der öffentlichen Meinung eine eingehende Be¬
sprechung doppelt zur Pflicht.

Der neue Entwurf trägt eine Devise auf dem Schilde seiner Einleitung,


früher die Geschichte beherrschten, dem Princip nach feindselig sind, daß die¬
selben die doppelte Gefahr bedroht, nicht nur von der Kritik bekämpft und
widerlegt, sondern auch trocken gelegt, d. h. absichtlich ignorirt und' todt¬
geschwiegen zu werden, so vermögen wir uns der Ueberzeugung nicht zu ver¬
schließen, daß sie, wie zäh auch die Volksmeinung an einzelnen derselben
festhält, doch in nicht gar langer Zeit verschwinden werden, und wir dürfen
uns nicht wundern, wenn schon die jetzt heranwachsende Generation gar vieles
als irrig und unglaubwürdig in den Schulen bezeichnen hört, was die Väter
noch als feststehende historische Wahrheit gelernt und behalten haben. Wir mö¬
gen das eben hinnehmen, wie wir es mit ansehen müssen, daß so man¬
ches andere, für das wir eine gewisse Anhänglichkeit fühlen, weil es mit aller¬
lei freundlichen Kindheitserinnerungen eng verwebt ist, von dem Rade der Zeit
in den Staub geworfen wird. Eine ruhige Vorurtheilsfreie Ueberlegung der
vielfachen Segnungen fortschreitender Entwickelung vermag bei allen solchen
C. G. Fällen Trost und Entschädigung in reichem Maße zu finden.




Die Pläne des Ministeriums für Umgestaltung der
Preußischen Schwurgerichte.

Das preußische Justizministerium hält die Juristen des Staates in'Athem.
Vor etwa einem Jahre warf es die langersehnte Hypothekenvrdnung ins Volk;
die neue juristische Examenordnung und eine Zahl anderer wesentlicher Verord¬
nungen griffen, während der Zwist der drei gesetzgebenden Factoren nur küm¬
merliche Früchte der Legislatur zeitigen läßt, inzwischen rege in das Räderwerk
des Rechts und der Verwaltung ein. Jetzt, vor wenigen Tagen, trat das Gespenst
des neuen Strafproceßentwurfes in die Zimmer der erschreckten Rechtslehrer
und Praktiker und rief sie zum Urtheil. Auch dies Blatt trägt sein Votum
zum Dingplatz. Die sehr tief greifende Bedeutung gerade dieses neuen Ge¬
setzentwurfes macht den Organen der öffentlichen Meinung eine eingehende Be¬
sprechung doppelt zur Pflicht.

Der neue Entwurf trägt eine Devise auf dem Schilde seiner Einleitung,


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[0021] früher die Geschichte beherrschten, dem Princip nach feindselig sind, daß die¬ selben die doppelte Gefahr bedroht, nicht nur von der Kritik bekämpft und widerlegt, sondern auch trocken gelegt, d. h. absichtlich ignorirt und' todt¬ geschwiegen zu werden, so vermögen wir uns der Ueberzeugung nicht zu ver¬ schließen, daß sie, wie zäh auch die Volksmeinung an einzelnen derselben festhält, doch in nicht gar langer Zeit verschwinden werden, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn schon die jetzt heranwachsende Generation gar vieles als irrig und unglaubwürdig in den Schulen bezeichnen hört, was die Väter noch als feststehende historische Wahrheit gelernt und behalten haben. Wir mö¬ gen das eben hinnehmen, wie wir es mit ansehen müssen, daß so man¬ ches andere, für das wir eine gewisse Anhänglichkeit fühlen, weil es mit aller¬ lei freundlichen Kindheitserinnerungen eng verwebt ist, von dem Rade der Zeit in den Staub geworfen wird. Eine ruhige Vorurtheilsfreie Ueberlegung der vielfachen Segnungen fortschreitender Entwickelung vermag bei allen solchen C. G. Fällen Trost und Entschädigung in reichem Maße zu finden. Die Pläne des Ministeriums für Umgestaltung der Preußischen Schwurgerichte. Das preußische Justizministerium hält die Juristen des Staates in'Athem. Vor etwa einem Jahre warf es die langersehnte Hypothekenvrdnung ins Volk; die neue juristische Examenordnung und eine Zahl anderer wesentlicher Verord¬ nungen griffen, während der Zwist der drei gesetzgebenden Factoren nur küm¬ merliche Früchte der Legislatur zeitigen läßt, inzwischen rege in das Räderwerk des Rechts und der Verwaltung ein. Jetzt, vor wenigen Tagen, trat das Gespenst des neuen Strafproceßentwurfes in die Zimmer der erschreckten Rechtslehrer und Praktiker und rief sie zum Urtheil. Auch dies Blatt trägt sein Votum zum Dingplatz. Die sehr tief greifende Bedeutung gerade dieses neuen Ge¬ setzentwurfes macht den Organen der öffentlichen Meinung eine eingehende Be¬ sprechung doppelt zur Pflicht. Der neue Entwurf trägt eine Devise auf dem Schilde seiner Einleitung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/21>, abgerufen am 26.05.2024.