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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Ein Rückblick aus die letzte Zollvereinskrisis.

In wenigen Tagen wird endlich der deutsch-französische Handelsvertrag in
Kraft treten. Der Kampf um denselben war ein harter, der endliche Sieg Preußens
über die Gegner des Vertrags ein um so lehrreicherer und verheißungsvoller.
Im Folgenden ein kurzer Rückblick auf den Gang der Ereignisse, der zu diesem
Ziele sowie gleichzeitig zur Erneuerung und theilweisen Umgestaltung der Zoll-
Vereinsverträge führte*). ,

Nachdem das Abgeordnetenhaus den Ende März 1862 paraphirten
Verträgen mit Frankreich mit großer Majorität (264 gegen 12 Stimmen) die
verfassungsmäßige Zustimmung ertheilt, das Herrenhaus sie einstimmig genehmigt,
erfolgte am 2. August 1862 deren Unterzeichnung von Seiten Preußens. Von
den übrigen Mitgliedern des Zollvereins hatte zuerst Sachsen, dann Oldenburg,
ferner Weimar, Meiningen, Altenburg, Coburg-Gotha, die beiden Schwarzburg
und die beiden Reuß ihren Beitritt erklärt. Nach der Unterzeichnung erfolgte
noch die Zustimmung Braunschweigs. Dagegen lehnten Bayern und Würtem-
berg in der zweiten Woche des August die Verträge mit Frankreich ab, und in¬
folge dessen erklärte Hannover Mitte dieses Monats, daß es nun keine Veran¬
lassung mehr habe, sich über die Angelegenheit schlüssig zu machen. Einige
Tage später folgte Oestreich seinen mittelstaatlichen Vortruppen mit einer De¬
pesche, in welcher es hieß, da der Zollverein den Vertrag mit Frankreich ver-
werfe, die Bedingung also, an welche Preußen den Beginn von Verhandlungen
mit Oestreich über eine Zolleinigung geknüpft, weggefallen sei, so möge man
preußischerscits nicht mehr zögern, über die östreichischen Vorschläge vom 10.
Juli 1862 in Unterhandlung zu treten.

Die preußische Regierung vermochte die Voraussetzung dieses Verlangens
nicht zu zugeben. Sie kannte das Mittel, welches Bayern und Würtemberg sammt
ihren Genossen zur schließlichen Aenderung ihres Sinnes zu zwingen geeignet
war. und sie machte sofort, wenn auch zunächst nur andeutend, von demselben



') Wir folgen dabei vorzüglich dem Bericht der vereinigten Commissionen für Finanzen
und Zölle und für Handel und Gewerbe im preußischen Abgeordnetenhaus-.
Grenzboten II. 186ö. 46
Ein Rückblick aus die letzte Zollvereinskrisis.

In wenigen Tagen wird endlich der deutsch-französische Handelsvertrag in
Kraft treten. Der Kampf um denselben war ein harter, der endliche Sieg Preußens
über die Gegner des Vertrags ein um so lehrreicherer und verheißungsvoller.
Im Folgenden ein kurzer Rückblick auf den Gang der Ereignisse, der zu diesem
Ziele sowie gleichzeitig zur Erneuerung und theilweisen Umgestaltung der Zoll-
Vereinsverträge führte*). ,

Nachdem das Abgeordnetenhaus den Ende März 1862 paraphirten
Verträgen mit Frankreich mit großer Majorität (264 gegen 12 Stimmen) die
verfassungsmäßige Zustimmung ertheilt, das Herrenhaus sie einstimmig genehmigt,
erfolgte am 2. August 1862 deren Unterzeichnung von Seiten Preußens. Von
den übrigen Mitgliedern des Zollvereins hatte zuerst Sachsen, dann Oldenburg,
ferner Weimar, Meiningen, Altenburg, Coburg-Gotha, die beiden Schwarzburg
und die beiden Reuß ihren Beitritt erklärt. Nach der Unterzeichnung erfolgte
noch die Zustimmung Braunschweigs. Dagegen lehnten Bayern und Würtem-
berg in der zweiten Woche des August die Verträge mit Frankreich ab, und in¬
folge dessen erklärte Hannover Mitte dieses Monats, daß es nun keine Veran¬
lassung mehr habe, sich über die Angelegenheit schlüssig zu machen. Einige
Tage später folgte Oestreich seinen mittelstaatlichen Vortruppen mit einer De¬
pesche, in welcher es hieß, da der Zollverein den Vertrag mit Frankreich ver-
werfe, die Bedingung also, an welche Preußen den Beginn von Verhandlungen
mit Oestreich über eine Zolleinigung geknüpft, weggefallen sei, so möge man
preußischerscits nicht mehr zögern, über die östreichischen Vorschläge vom 10.
Juli 1862 in Unterhandlung zu treten.

Die preußische Regierung vermochte die Voraussetzung dieses Verlangens
nicht zu zugeben. Sie kannte das Mittel, welches Bayern und Würtemberg sammt
ihren Genossen zur schließlichen Aenderung ihres Sinnes zu zwingen geeignet
war. und sie machte sofort, wenn auch zunächst nur andeutend, von demselben



') Wir folgen dabei vorzüglich dem Bericht der vereinigten Commissionen für Finanzen
und Zölle und für Handel und Gewerbe im preußischen Abgeordnetenhaus-.
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[0385] Ein Rückblick aus die letzte Zollvereinskrisis. In wenigen Tagen wird endlich der deutsch-französische Handelsvertrag in Kraft treten. Der Kampf um denselben war ein harter, der endliche Sieg Preußens über die Gegner des Vertrags ein um so lehrreicherer und verheißungsvoller. Im Folgenden ein kurzer Rückblick auf den Gang der Ereignisse, der zu diesem Ziele sowie gleichzeitig zur Erneuerung und theilweisen Umgestaltung der Zoll- Vereinsverträge führte*). , Nachdem das Abgeordnetenhaus den Ende März 1862 paraphirten Verträgen mit Frankreich mit großer Majorität (264 gegen 12 Stimmen) die verfassungsmäßige Zustimmung ertheilt, das Herrenhaus sie einstimmig genehmigt, erfolgte am 2. August 1862 deren Unterzeichnung von Seiten Preußens. Von den übrigen Mitgliedern des Zollvereins hatte zuerst Sachsen, dann Oldenburg, ferner Weimar, Meiningen, Altenburg, Coburg-Gotha, die beiden Schwarzburg und die beiden Reuß ihren Beitritt erklärt. Nach der Unterzeichnung erfolgte noch die Zustimmung Braunschweigs. Dagegen lehnten Bayern und Würtem- berg in der zweiten Woche des August die Verträge mit Frankreich ab, und in¬ folge dessen erklärte Hannover Mitte dieses Monats, daß es nun keine Veran¬ lassung mehr habe, sich über die Angelegenheit schlüssig zu machen. Einige Tage später folgte Oestreich seinen mittelstaatlichen Vortruppen mit einer De¬ pesche, in welcher es hieß, da der Zollverein den Vertrag mit Frankreich ver- werfe, die Bedingung also, an welche Preußen den Beginn von Verhandlungen mit Oestreich über eine Zolleinigung geknüpft, weggefallen sei, so möge man preußischerscits nicht mehr zögern, über die östreichischen Vorschläge vom 10. Juli 1862 in Unterhandlung zu treten. Die preußische Regierung vermochte die Voraussetzung dieses Verlangens nicht zu zugeben. Sie kannte das Mittel, welches Bayern und Würtemberg sammt ihren Genossen zur schließlichen Aenderung ihres Sinnes zu zwingen geeignet war. und sie machte sofort, wenn auch zunächst nur andeutend, von demselben ') Wir folgen dabei vorzüglich dem Bericht der vereinigten Commissionen für Finanzen und Zölle und für Handel und Gewerbe im preußischen Abgeordnetenhaus-. Grenzboten II. 186ö. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/385>, abgerufen am 26.05.2024.