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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Gebrauch. Am 26. August ging eine Depesche des Grafen Bernstorff nach
München ab, in welcher derselbe erklärte, Preußen werde auf dem Boden der
Vertrage vom 2. August verharren , es wünsche, daß der Zollverein die gegen¬
wärtigen Schwierigkeiten überwinde, theile jedoch nicht die Ansicht Bayerns,
daß dessen Ablehnung des Vertrags mit Frankreich den Verein nicht gefährden
könne, sondern müsse vielmehr offen aussprechen, daß man in Berlin eine de¬
finitive Ablehnung als Ausdruck des Willens auffassen werde, den Zollverein
mit Preußen nicht fortzusetzen.

Daraus erwiderte Bayern am 23. September mit einer Depesche des
Freiherr" v. Schrenck, in welcher die Gründe angeführt waren, die Bayern
zur Ablehnung veranlaßt hätten, und welche durch Darlegung dieser Gründe
den Weg zu einer Verständigung angebahnt zu sehen wünschte. Die Gründe
waren folgende: in dem Vertrage standen Leistungen und Gegenleistungen nicht
im richtigen Verhältnisse zu einander, manche der Tarifherabsetzungcn entsprächen
dem wahren Interesse der Vereinsindustrie nicht, einzelne Artikel des Vertrags
verstießen gegen die Natur und die Stellung des Vereins, endlich -- die
Hauptsache -- der Zollverein sei zu einem Vertragsabschlüsse wie der vorliegende
rechtlich nicht befugt, da ihm derselbe den Vollzug der im Artikel 26 des Ver¬
trags vom 19. Februar 1863 übernommenen Verpflichtungen gehen Oestreich
thatsächlich unmöglich machen würde. Aehnlich lautete die Antwort der würtem-
bergischen und der darmstädtischen Negierung, nur sprachen diese sich noch
schroffer in Betreff des Vertrags mit Frankreich aus. Hierauf Bezug nehmend
hieß es in der vom 12. November datirten preußischen Antwort nach München,
daß mau (es war jetzt Herr v. Bismarck) in den Rückäußcrnngen Würtembergs
und Hessen-Darmstadts nur den Ausdruck des Willens erblicke, den Zollverein
mit Preußen über die Dauer der laufenden Vertragsperiode nicht fortzusetzen.
Bayern dagegen scheine eine Verständigung zu wünschen, ja dieselbe für leicht
zu halten, und so gebe man in Berlin die Hoffnung nicht auf, daß hier eine
Annäherung in Aussicht genommen sei, und sehe einer näheren Aeußerung des
Freiherr" v. Schrenck entgegen.

Ehe die bayerische Regierung hieraus antwortete, lud sie die Bevollmächtigten
der Zollvereinsstaaten zu der bis dahin ausgesetzten fünfzehnten Gcneralzoll-
cvnfercnz zum Januar nach München ein, wobei sie ausdrücklich die Berathung
der östreichischen Vorschläge vom 10. Juli 18K2 als einen der Gegenstände der
Tagesordnung bezeichnete. Dann richtete (am 31. December) Freiherr v. Schrenck
eine Depesche nach Berlin, in welcher er sich über den Weg zur Verständigung
folgendermaßen ausließ: Eine Beseitigung der Gefahren der gegenwärtigen
Krisis des Zollvereins sei weder von Fortsetzung der bisherigen Discussion
noch von bloßer Zurückweisung der entgegenstehenden Ansichten und Anträge,
sondern nur von offner Rückkehr zum Standpunkte des Rechts zu hoffen.


Gebrauch. Am 26. August ging eine Depesche des Grafen Bernstorff nach
München ab, in welcher derselbe erklärte, Preußen werde auf dem Boden der
Vertrage vom 2. August verharren , es wünsche, daß der Zollverein die gegen¬
wärtigen Schwierigkeiten überwinde, theile jedoch nicht die Ansicht Bayerns,
daß dessen Ablehnung des Vertrags mit Frankreich den Verein nicht gefährden
könne, sondern müsse vielmehr offen aussprechen, daß man in Berlin eine de¬
finitive Ablehnung als Ausdruck des Willens auffassen werde, den Zollverein
mit Preußen nicht fortzusetzen.

Daraus erwiderte Bayern am 23. September mit einer Depesche des
Freiherr» v. Schrenck, in welcher die Gründe angeführt waren, die Bayern
zur Ablehnung veranlaßt hätten, und welche durch Darlegung dieser Gründe
den Weg zu einer Verständigung angebahnt zu sehen wünschte. Die Gründe
waren folgende: in dem Vertrage standen Leistungen und Gegenleistungen nicht
im richtigen Verhältnisse zu einander, manche der Tarifherabsetzungcn entsprächen
dem wahren Interesse der Vereinsindustrie nicht, einzelne Artikel des Vertrags
verstießen gegen die Natur und die Stellung des Vereins, endlich — die
Hauptsache — der Zollverein sei zu einem Vertragsabschlüsse wie der vorliegende
rechtlich nicht befugt, da ihm derselbe den Vollzug der im Artikel 26 des Ver¬
trags vom 19. Februar 1863 übernommenen Verpflichtungen gehen Oestreich
thatsächlich unmöglich machen würde. Aehnlich lautete die Antwort der würtem-
bergischen und der darmstädtischen Negierung, nur sprachen diese sich noch
schroffer in Betreff des Vertrags mit Frankreich aus. Hierauf Bezug nehmend
hieß es in der vom 12. November datirten preußischen Antwort nach München,
daß mau (es war jetzt Herr v. Bismarck) in den Rückäußcrnngen Würtembergs
und Hessen-Darmstadts nur den Ausdruck des Willens erblicke, den Zollverein
mit Preußen über die Dauer der laufenden Vertragsperiode nicht fortzusetzen.
Bayern dagegen scheine eine Verständigung zu wünschen, ja dieselbe für leicht
zu halten, und so gebe man in Berlin die Hoffnung nicht auf, daß hier eine
Annäherung in Aussicht genommen sei, und sehe einer näheren Aeußerung des
Freiherr» v. Schrenck entgegen.

Ehe die bayerische Regierung hieraus antwortete, lud sie die Bevollmächtigten
der Zollvereinsstaaten zu der bis dahin ausgesetzten fünfzehnten Gcneralzoll-
cvnfercnz zum Januar nach München ein, wobei sie ausdrücklich die Berathung
der östreichischen Vorschläge vom 10. Juli 18K2 als einen der Gegenstände der
Tagesordnung bezeichnete. Dann richtete (am 31. December) Freiherr v. Schrenck
eine Depesche nach Berlin, in welcher er sich über den Weg zur Verständigung
folgendermaßen ausließ: Eine Beseitigung der Gefahren der gegenwärtigen
Krisis des Zollvereins sei weder von Fortsetzung der bisherigen Discussion
noch von bloßer Zurückweisung der entgegenstehenden Ansichten und Anträge,
sondern nur von offner Rückkehr zum Standpunkte des Rechts zu hoffen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/386>, abgerufen am 17.06.2024.