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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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oder im Hauptverfahrm freigesprochen wird. Rechtsmittel der Staatsanwalt¬
schaft hiergegen sind einflußlos betreffs der sofortigen Freilassung des Verhaf¬
teten. In allen Fällen indeß kann dessen Wiederverhaftung, besonders beim
Hervortreten neuer Verdachtsgründe, beschlossen werden.

Zuvor aber schreibt der Entwurf vor, erging der Haftbefehl vor Einleitung
des gerichtlichen Strafverfahrens, so muß der Staatsanwalt binnen 14 Tagen
nach Vollstreckung desselben entweder seine Aufhebung beantragen oder die Ein¬
leitung des gerichtlichen Strafverfahrens gegen den Verhafteten bewirken. Eine
unannehmbare Concession gegen die Geschäftsleitung der Staatsanwälte
auf Kosten der unschätzbaren persönlichen Freiheit. Wie lauten dagegen § 4,
§ 6 unsrer Habeas-Corpus-Acte von 12. Februar 1860: Bei jeder Verhaftung ist
sofort das Nöthige zu veranlassen, um den Beschuldigten dem Richter vorzu¬
führen, welcher den Befehl dazu erlassen hat. Jeder Verhaftete muß spätestens
im Laufe des folgenden Tages nach seiner Vorführung vor den zuständigen
Richter so vernommen worden, daß ihm der Gegenstand der Anschuldigung mit¬
getheilt und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben
werde.

Diese unveräußerliche Grundlage des Schutzes der persönlichen Freiheit
kennt der hier einschlagende Abschnitt des Entwurfs in §§ 137. 139. 140.
147 ebenfalls; aber was helfen dem Jnhaftirten die noch so schleunigen Ver¬
nehmungen, wenn die Staatsanwaltschaft erst zwei Wochen nach dem Anfange
seiner Freiheitsberaubung die ersten Schritte der Verfolgung seiner Sache bei
dem Gerichte zu thun verbunden ist. Auch diese letzte Norm des Entwurfs läßt
die oben gerügten Grundsätze desselben als äußerst harte und mit Recht ver¬
werfliche erscheinen.

Die Erörterung der weiteren Freiheitsbeschränkungen des neuen Entwurfs,
seiner Vorschriften über die Staatsanwaltschaft und über die Voruntersuchung
wird uns wiederholt Veranlassung geben, auf die hier behandelte Untersuchungs¬
haft zurückzukommen.




Literatur.
Herzog Adolf von Holstein-Gottorp, postulirter Coadjutor des Stifts
Lübeck, kaiserlicher Kricgsobcrst unter Tilly und Waldstein, Nach meist ungedruckten
Quellen. Von Heinrich Handclmann. Kiel, Schwerssche Buchhandlung 18ö5.
70. S.

Ein vielfach Interesse gewährendes Lebensbild aus dem ersten Drittel des dreißig¬
jährigen Krieges sowie aus den Kämpfen, welche zur Unterdrückung des Protcstan-


oder im Hauptverfahrm freigesprochen wird. Rechtsmittel der Staatsanwalt¬
schaft hiergegen sind einflußlos betreffs der sofortigen Freilassung des Verhaf¬
teten. In allen Fällen indeß kann dessen Wiederverhaftung, besonders beim
Hervortreten neuer Verdachtsgründe, beschlossen werden.

Zuvor aber schreibt der Entwurf vor, erging der Haftbefehl vor Einleitung
des gerichtlichen Strafverfahrens, so muß der Staatsanwalt binnen 14 Tagen
nach Vollstreckung desselben entweder seine Aufhebung beantragen oder die Ein¬
leitung des gerichtlichen Strafverfahrens gegen den Verhafteten bewirken. Eine
unannehmbare Concession gegen die Geschäftsleitung der Staatsanwälte
auf Kosten der unschätzbaren persönlichen Freiheit. Wie lauten dagegen § 4,
§ 6 unsrer Habeas-Corpus-Acte von 12. Februar 1860: Bei jeder Verhaftung ist
sofort das Nöthige zu veranlassen, um den Beschuldigten dem Richter vorzu¬
führen, welcher den Befehl dazu erlassen hat. Jeder Verhaftete muß spätestens
im Laufe des folgenden Tages nach seiner Vorführung vor den zuständigen
Richter so vernommen worden, daß ihm der Gegenstand der Anschuldigung mit¬
getheilt und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben
werde.

Diese unveräußerliche Grundlage des Schutzes der persönlichen Freiheit
kennt der hier einschlagende Abschnitt des Entwurfs in §§ 137. 139. 140.
147 ebenfalls; aber was helfen dem Jnhaftirten die noch so schleunigen Ver¬
nehmungen, wenn die Staatsanwaltschaft erst zwei Wochen nach dem Anfange
seiner Freiheitsberaubung die ersten Schritte der Verfolgung seiner Sache bei
dem Gerichte zu thun verbunden ist. Auch diese letzte Norm des Entwurfs läßt
die oben gerügten Grundsätze desselben als äußerst harte und mit Recht ver¬
werfliche erscheinen.

Die Erörterung der weiteren Freiheitsbeschränkungen des neuen Entwurfs,
seiner Vorschriften über die Staatsanwaltschaft und über die Voruntersuchung
wird uns wiederholt Veranlassung geben, auf die hier behandelte Untersuchungs¬
haft zurückzukommen.




Literatur.
Herzog Adolf von Holstein-Gottorp, postulirter Coadjutor des Stifts
Lübeck, kaiserlicher Kricgsobcrst unter Tilly und Waldstein, Nach meist ungedruckten
Quellen. Von Heinrich Handclmann. Kiel, Schwerssche Buchhandlung 18ö5.
70. S.

Ein vielfach Interesse gewährendes Lebensbild aus dem ersten Drittel des dreißig¬
jährigen Krieges sowie aus den Kämpfen, welche zur Unterdrückung des Protcstan-


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[0086] oder im Hauptverfahrm freigesprochen wird. Rechtsmittel der Staatsanwalt¬ schaft hiergegen sind einflußlos betreffs der sofortigen Freilassung des Verhaf¬ teten. In allen Fällen indeß kann dessen Wiederverhaftung, besonders beim Hervortreten neuer Verdachtsgründe, beschlossen werden. Zuvor aber schreibt der Entwurf vor, erging der Haftbefehl vor Einleitung des gerichtlichen Strafverfahrens, so muß der Staatsanwalt binnen 14 Tagen nach Vollstreckung desselben entweder seine Aufhebung beantragen oder die Ein¬ leitung des gerichtlichen Strafverfahrens gegen den Verhafteten bewirken. Eine unannehmbare Concession gegen die Geschäftsleitung der Staatsanwälte auf Kosten der unschätzbaren persönlichen Freiheit. Wie lauten dagegen § 4, § 6 unsrer Habeas-Corpus-Acte von 12. Februar 1860: Bei jeder Verhaftung ist sofort das Nöthige zu veranlassen, um den Beschuldigten dem Richter vorzu¬ führen, welcher den Befehl dazu erlassen hat. Jeder Verhaftete muß spätestens im Laufe des folgenden Tages nach seiner Vorführung vor den zuständigen Richter so vernommen worden, daß ihm der Gegenstand der Anschuldigung mit¬ getheilt und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben werde. Diese unveräußerliche Grundlage des Schutzes der persönlichen Freiheit kennt der hier einschlagende Abschnitt des Entwurfs in §§ 137. 139. 140. 147 ebenfalls; aber was helfen dem Jnhaftirten die noch so schleunigen Ver¬ nehmungen, wenn die Staatsanwaltschaft erst zwei Wochen nach dem Anfange seiner Freiheitsberaubung die ersten Schritte der Verfolgung seiner Sache bei dem Gerichte zu thun verbunden ist. Auch diese letzte Norm des Entwurfs läßt die oben gerügten Grundsätze desselben als äußerst harte und mit Recht ver¬ werfliche erscheinen. Die Erörterung der weiteren Freiheitsbeschränkungen des neuen Entwurfs, seiner Vorschriften über die Staatsanwaltschaft und über die Voruntersuchung wird uns wiederholt Veranlassung geben, auf die hier behandelte Untersuchungs¬ haft zurückzukommen. Literatur. Herzog Adolf von Holstein-Gottorp, postulirter Coadjutor des Stifts Lübeck, kaiserlicher Kricgsobcrst unter Tilly und Waldstein, Nach meist ungedruckten Quellen. Von Heinrich Handclmann. Kiel, Schwerssche Buchhandlung 18ö5. 70. S. Ein vielfach Interesse gewährendes Lebensbild aus dem ersten Drittel des dreißig¬ jährigen Krieges sowie aus den Kämpfen, welche zur Unterdrückung des Protcstan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/86>, abgerufen am 26.05.2024.