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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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find doch kaum anders zu deuten, als auf eine Tochter des Sorguethals. Laura
de sate ward dagegen zu Avignon geboren. An einer andern Stelle (Sonett 174)
preist Petrarca die glücklichen Hügel, wo er sein Herz gelassen habe. Diese Hügel
seien Lauras Genossen in der Einsamkeit gewesen, und er grüßt den Strom, der
ihr schönes Antlitz badet, ihr himmlisches Auge erfrischt (Sonett 267). Und wenn
er endlich in demselben Gedicht sagt, die Geliebte habe ihn geheißen, die Sorgue statt
des Arno zu wählen, so paßt das doch auch sehr schlecht auf die Dame in Avignon
an der Rhone.

So ließe sich noch manches anführen, dem Verfasser jenes Schriftchens in seinem
Beweis gegen Laura von Avignon beizustehen.

Allein der Mann geht noch weiter. Um die Gläubigen durch einen andern
Namen zu entschädigen, hat er eine zweite Laura ausfindig gemacht. Er präsentirt
uns als seine Kandidatin Fräulein Laura d'Adhemar, Tochter des Herrn von
Cabriöres, der in seinem Schlosse beim Dorf Cabriörcs, etwa zwei Stunden von
Vaucluse entfernt wohnte und seine Tochter in der Benedictinerabtei Galas bei
Vaucluse erziehen ließ. Diese Abtei lag am Ufer der Sorgue und des oben er¬
wähnten Eichenwaldes.

Auch diese Laura starb frühe und wahrscheinlich unvermählt, -- ein nicht zu
verkennender Vortheil für sie in ihrem Proceß gegen Laura de sate. Sie soll acht¬
zehn Jahre gezählt haben, als sie der Dichter zuerst gesehen. Einundzwanzig Jahre
lang war er dann


"Im Feuer froh und hoffend in den Plagen,"

so daß auch diese Laura das Aller von neununddreißig Jahren erreicht hatte, als
sie, vielleicht auch an der Pest, die 1848 so furchtbar in ganz Europa wüthete, starb.

Erst im Jahr 1352 siedelte Petrarca ganz nach Italien über, wohin er jedoch
in der Zwischenzeit öfters und auf längere Zeit gegangen war. War er doch schon
1341 als Dichter in Rom gekrönt worden, und dieser letztere Umstand giebt wohl
den entscheidenden Wink.

Als Dichter war es ihm erlaubt, dichterisch zu lieben, und in seinen Phan¬
tasien ein Ideal zu sehn, dem die Wirklichkeit vielleicht nicht ganz entsprach.---

Angeregt von der melancholischen Schönheit des Thales einigten mir uns, als
wir wieder nach Avignon heimkehrten, dahin, daß es unserer bescheidenen Einsicht
ziemlich gleichgiltig erscheine, wer eigentlich des Dichters Flamme gewesen, daß wir
jedoch die reizende Laura d'Adhemar der Madonna in Avignon vorziehen würden-
Die gründliche Untersuchung dieser hochwichtige" Frage in gelehrten Abhandlungen
wollten wir jedoch gern de" Berufenen überlassen. Wir waren ja nur als einfache,
neugierige Reisende gekommen und schieden auch als solche, im Gefühl, daß, welche
Laura auch der Dichter gemeint habe, seine Verse ewig jung und schön bleiben
würden.


F. L.





Verantwortlicher Redacteur: Dr. Mo riß Busch.
Verlag von F. L. Herbi,,. -- Druck von C. E> Elbert in Leipzig.

find doch kaum anders zu deuten, als auf eine Tochter des Sorguethals. Laura
de sate ward dagegen zu Avignon geboren. An einer andern Stelle (Sonett 174)
preist Petrarca die glücklichen Hügel, wo er sein Herz gelassen habe. Diese Hügel
seien Lauras Genossen in der Einsamkeit gewesen, und er grüßt den Strom, der
ihr schönes Antlitz badet, ihr himmlisches Auge erfrischt (Sonett 267). Und wenn
er endlich in demselben Gedicht sagt, die Geliebte habe ihn geheißen, die Sorgue statt
des Arno zu wählen, so paßt das doch auch sehr schlecht auf die Dame in Avignon
an der Rhone.

So ließe sich noch manches anführen, dem Verfasser jenes Schriftchens in seinem
Beweis gegen Laura von Avignon beizustehen.

Allein der Mann geht noch weiter. Um die Gläubigen durch einen andern
Namen zu entschädigen, hat er eine zweite Laura ausfindig gemacht. Er präsentirt
uns als seine Kandidatin Fräulein Laura d'Adhemar, Tochter des Herrn von
Cabriöres, der in seinem Schlosse beim Dorf Cabriörcs, etwa zwei Stunden von
Vaucluse entfernt wohnte und seine Tochter in der Benedictinerabtei Galas bei
Vaucluse erziehen ließ. Diese Abtei lag am Ufer der Sorgue und des oben er¬
wähnten Eichenwaldes.

Auch diese Laura starb frühe und wahrscheinlich unvermählt, — ein nicht zu
verkennender Vortheil für sie in ihrem Proceß gegen Laura de sate. Sie soll acht¬
zehn Jahre gezählt haben, als sie der Dichter zuerst gesehen. Einundzwanzig Jahre
lang war er dann


„Im Feuer froh und hoffend in den Plagen,"

so daß auch diese Laura das Aller von neununddreißig Jahren erreicht hatte, als
sie, vielleicht auch an der Pest, die 1848 so furchtbar in ganz Europa wüthete, starb.

Erst im Jahr 1352 siedelte Petrarca ganz nach Italien über, wohin er jedoch
in der Zwischenzeit öfters und auf längere Zeit gegangen war. War er doch schon
1341 als Dichter in Rom gekrönt worden, und dieser letztere Umstand giebt wohl
den entscheidenden Wink.

Als Dichter war es ihm erlaubt, dichterisch zu lieben, und in seinen Phan¬
tasien ein Ideal zu sehn, dem die Wirklichkeit vielleicht nicht ganz entsprach.---

Angeregt von der melancholischen Schönheit des Thales einigten mir uns, als
wir wieder nach Avignon heimkehrten, dahin, daß es unserer bescheidenen Einsicht
ziemlich gleichgiltig erscheine, wer eigentlich des Dichters Flamme gewesen, daß wir
jedoch die reizende Laura d'Adhemar der Madonna in Avignon vorziehen würden-
Die gründliche Untersuchung dieser hochwichtige» Frage in gelehrten Abhandlungen
wollten wir jedoch gern de» Berufenen überlassen. Wir waren ja nur als einfache,
neugierige Reisende gekommen und schieden auch als solche, im Gefühl, daß, welche
Laura auch der Dichter gemeint habe, seine Verse ewig jung und schön bleiben
würden.


F. L.





Verantwortlicher Redacteur: Dr. Mo riß Busch.
Verlag von F. L. Herbi,,. — Druck von C. E> Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/340>, abgerufen am 25.05.2024.