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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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wohlverständliche Meinung war. sich selbst prophezeit und segnet, von jeher
verschieden beurtheilt worden. Die Einen haben musterhafte Bescheidenheit, die
Andern lächerliche Eitelkeit darin gefunden. Strauß findet den jugendlichen
Klopstock "hier nur grade so stolz, als er sein durfte", "er fühlte, was er
leisten konnte; und so bescheiden, als er sein mußte, sofern er es noch nicht
geleistet hatte: er tritt mit der ganzen Bedeutung auf, die er nachher bewährt,
und mit einer Liebenswürdigkeit, die er nicht immer behalten hat."




Das Leben Gneisenaus von Pertz.
3.

Gneisenau befand sich Mitte des Jahres 1810 im Privatleben, vereint mit
seiner Familie in Mittel-Kauffungen.

Wieder gerieth der Staat in eine Lage, aus welcher er sich nach der Ansicht der
Besten des Landes nur durch Kampf auf Leben und Tod erheben konnte.
Gneisenciu wurde deshalb in die Staatsgeschäfte zurückgerufen. Er setzte aber¬
mals alle Kräfte in Bewegung, um diesem Kampf eine günstige Entscheidung
zu sichern. Als aber im Herbst 1811 bis Frühjahr 1812 dieser Kampf geführt
werden sollte, entzog sich der König von Neuem der Entscheidung und gab sich
und sein Land freiwillig in die erniedrigenden Bande Napoleons. Gneisenau
forderte und erhielt zum zweiten Mal seinen Abschied, -- Im großen Ganzen
finden wir in diesem Lebensabschnitt Gneisenaus eine Wiederholung des früheren
Kampfes, nur mit dem Unterschied, daß Gneisenau mehr in den Vorder¬
grund und in nähere Beziehungen zum Könige und zum Mittelpunkt der Ge¬
schäfte tritt.

Die bedeutenden Erfolge, welche Napoleon im Kriege 1809 gegen Oestreich
gewonnen und seine Verheirathung mit einer östreichischen Erzherzogin hatten
Oestreich aus der Zahl seiner Feinde gestrichen und ihm zur vollen Unterjochung
Europas nur einen großen Feind gelassen, Rußland. -- Hatte Napoleon bis
dahin eine Freundschaft zu Kaiser Alexander geheuchelt, und diesen eiteln Mon¬
archen dadurch hingehalten, so ließ er jetzt die Maske langsam fallen, und
Preußen, das er bis dahin aus Rücksicht auf Kaiser Alexander noch einiger¬
maßen geschont, empfand zuerst den ganzen Wechsel seiner Laune. Die Dann-


wohlverständliche Meinung war. sich selbst prophezeit und segnet, von jeher
verschieden beurtheilt worden. Die Einen haben musterhafte Bescheidenheit, die
Andern lächerliche Eitelkeit darin gefunden. Strauß findet den jugendlichen
Klopstock „hier nur grade so stolz, als er sein durfte", „er fühlte, was er
leisten konnte; und so bescheiden, als er sein mußte, sofern er es noch nicht
geleistet hatte: er tritt mit der ganzen Bedeutung auf, die er nachher bewährt,
und mit einer Liebenswürdigkeit, die er nicht immer behalten hat."




Das Leben Gneisenaus von Pertz.
3.

Gneisenau befand sich Mitte des Jahres 1810 im Privatleben, vereint mit
seiner Familie in Mittel-Kauffungen.

Wieder gerieth der Staat in eine Lage, aus welcher er sich nach der Ansicht der
Besten des Landes nur durch Kampf auf Leben und Tod erheben konnte.
Gneisenciu wurde deshalb in die Staatsgeschäfte zurückgerufen. Er setzte aber¬
mals alle Kräfte in Bewegung, um diesem Kampf eine günstige Entscheidung
zu sichern. Als aber im Herbst 1811 bis Frühjahr 1812 dieser Kampf geführt
werden sollte, entzog sich der König von Neuem der Entscheidung und gab sich
und sein Land freiwillig in die erniedrigenden Bande Napoleons. Gneisenau
forderte und erhielt zum zweiten Mal seinen Abschied, — Im großen Ganzen
finden wir in diesem Lebensabschnitt Gneisenaus eine Wiederholung des früheren
Kampfes, nur mit dem Unterschied, daß Gneisenau mehr in den Vorder¬
grund und in nähere Beziehungen zum Könige und zum Mittelpunkt der Ge¬
schäfte tritt.

Die bedeutenden Erfolge, welche Napoleon im Kriege 1809 gegen Oestreich
gewonnen und seine Verheirathung mit einer östreichischen Erzherzogin hatten
Oestreich aus der Zahl seiner Feinde gestrichen und ihm zur vollen Unterjochung
Europas nur einen großen Feind gelassen, Rußland. — Hatte Napoleon bis
dahin eine Freundschaft zu Kaiser Alexander geheuchelt, und diesen eiteln Mon¬
archen dadurch hingehalten, so ließ er jetzt die Maske langsam fallen, und
Preußen, das er bis dahin aus Rücksicht auf Kaiser Alexander noch einiger¬
maßen geschont, empfand zuerst den ganzen Wechsel seiner Laune. Die Dann-


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[0252] wohlverständliche Meinung war. sich selbst prophezeit und segnet, von jeher verschieden beurtheilt worden. Die Einen haben musterhafte Bescheidenheit, die Andern lächerliche Eitelkeit darin gefunden. Strauß findet den jugendlichen Klopstock „hier nur grade so stolz, als er sein durfte", „er fühlte, was er leisten konnte; und so bescheiden, als er sein mußte, sofern er es noch nicht geleistet hatte: er tritt mit der ganzen Bedeutung auf, die er nachher bewährt, und mit einer Liebenswürdigkeit, die er nicht immer behalten hat." Das Leben Gneisenaus von Pertz. 3. Gneisenau befand sich Mitte des Jahres 1810 im Privatleben, vereint mit seiner Familie in Mittel-Kauffungen. Wieder gerieth der Staat in eine Lage, aus welcher er sich nach der Ansicht der Besten des Landes nur durch Kampf auf Leben und Tod erheben konnte. Gneisenciu wurde deshalb in die Staatsgeschäfte zurückgerufen. Er setzte aber¬ mals alle Kräfte in Bewegung, um diesem Kampf eine günstige Entscheidung zu sichern. Als aber im Herbst 1811 bis Frühjahr 1812 dieser Kampf geführt werden sollte, entzog sich der König von Neuem der Entscheidung und gab sich und sein Land freiwillig in die erniedrigenden Bande Napoleons. Gneisenau forderte und erhielt zum zweiten Mal seinen Abschied, — Im großen Ganzen finden wir in diesem Lebensabschnitt Gneisenaus eine Wiederholung des früheren Kampfes, nur mit dem Unterschied, daß Gneisenau mehr in den Vorder¬ grund und in nähere Beziehungen zum Könige und zum Mittelpunkt der Ge¬ schäfte tritt. Die bedeutenden Erfolge, welche Napoleon im Kriege 1809 gegen Oestreich gewonnen und seine Verheirathung mit einer östreichischen Erzherzogin hatten Oestreich aus der Zahl seiner Feinde gestrichen und ihm zur vollen Unterjochung Europas nur einen großen Feind gelassen, Rußland. — Hatte Napoleon bis dahin eine Freundschaft zu Kaiser Alexander geheuchelt, und diesen eiteln Mon¬ archen dadurch hingehalten, so ließ er jetzt die Maske langsam fallen, und Preußen, das er bis dahin aus Rücksicht auf Kaiser Alexander noch einiger¬ maßen geschont, empfand zuerst den ganzen Wechsel seiner Laune. Die Dann-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/252>, abgerufen am 29.04.2024.