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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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zurück, aber man fühlte eben nicht überall so kräftig wie er. Der König gab
nach, und eS trat jene Pause ein. in der Napoleon alle disponibeln Mittel
heranzog, Oestreich mit seinen Armeen zu den Alliirten trat und Preußen durch
seine Landwehr und andere Neuformationen seine Heeresstärke verdoppelte. Gnei-
senau übernahm während des Waffenstillstands die Organisation der schlesischen
Landwehr.

Hier enden die reichen Materialien, welche Pertz in seinen beiden ersten
Bänden zum Leben Gneisenaus gegeben hat. Indem wir uns vorbehalten von
den später erscheinenden Bänden in diesen Blättern auch noch Auszüge zu geben,
wollen wir heute zur Abrundung des Gemäldes nur bemerken, daß Gneisenau.
nachdem er mit Blücher die Kriege 1813, 14 und 15 glorreich zu Ende ge¬
führt und dabei oft empfunden und ausgesprochen hat, wie er vor der Welt
doch immer nur die zweite, nicht die erste Rolle in diesem Drama spielte, im
Jahre 1816 als Feldmarschall das Gcncralcommando am Rhein, die Grenz¬
wacht gegen Frankreich erhielt, dann aber in dem allgemeinen Demagogeu-
schwindel in Erinnerung seiner frühern geheimen Verbindungen in Ungnade
fiel, in Berlin sehr vernachlässigt lebte und erst bei Gelegenheit des Polenauf¬
standes 1831 wieder hervorgerufen und an die Spitze eines ObservationscorpS
in Posen gestellt wurde, wo er an der Cholera starb.




Vermischte Literatur.
Physiologie des Geschmacks oder physiologische Anleitung zum Studium
der Tafelgcnüsse. Von Brillat-Savarin. Uebersetzt und mit Anmerkungen
begleitet von Carl Vogt. 2. Aufl. Braunschweig, 1866. Verlag von C. Vieweg.
423 S. ki. 8.

Herrn Vogts populäre Schriften gehören sonst nicht zu unsrer Lieblingslectüre.
Hier aber haben wir einmal eine Leistung von ihm vor uns. die uns aufrichtige
Freude macht, und für die ihm das Publikum in der That Dank schuldig ist. Er
hat einen der liebenswürdigsten Franzosen aller Zeiten zu unserm Landsmann
gemacht. Er hat, indem er Brillat-Savarins berühmtes Gesetzbuch des heiteren
Volkes der Gourmands und Gourmcts mit einer Virtuosität verdeutscht hat,
die alle Feinheiten des Originals so vollkommen wiedergiebt. wie sie nur die
begeisterte Versenkung einer gleichgestimmten Seele in das Denken und Empfinden


zurück, aber man fühlte eben nicht überall so kräftig wie er. Der König gab
nach, und eS trat jene Pause ein. in der Napoleon alle disponibeln Mittel
heranzog, Oestreich mit seinen Armeen zu den Alliirten trat und Preußen durch
seine Landwehr und andere Neuformationen seine Heeresstärke verdoppelte. Gnei-
senau übernahm während des Waffenstillstands die Organisation der schlesischen
Landwehr.

Hier enden die reichen Materialien, welche Pertz in seinen beiden ersten
Bänden zum Leben Gneisenaus gegeben hat. Indem wir uns vorbehalten von
den später erscheinenden Bänden in diesen Blättern auch noch Auszüge zu geben,
wollen wir heute zur Abrundung des Gemäldes nur bemerken, daß Gneisenau.
nachdem er mit Blücher die Kriege 1813, 14 und 15 glorreich zu Ende ge¬
führt und dabei oft empfunden und ausgesprochen hat, wie er vor der Welt
doch immer nur die zweite, nicht die erste Rolle in diesem Drama spielte, im
Jahre 1816 als Feldmarschall das Gcncralcommando am Rhein, die Grenz¬
wacht gegen Frankreich erhielt, dann aber in dem allgemeinen Demagogeu-
schwindel in Erinnerung seiner frühern geheimen Verbindungen in Ungnade
fiel, in Berlin sehr vernachlässigt lebte und erst bei Gelegenheit des Polenauf¬
standes 1831 wieder hervorgerufen und an die Spitze eines ObservationscorpS
in Posen gestellt wurde, wo er an der Cholera starb.




Vermischte Literatur.
Physiologie des Geschmacks oder physiologische Anleitung zum Studium
der Tafelgcnüsse. Von Brillat-Savarin. Uebersetzt und mit Anmerkungen
begleitet von Carl Vogt. 2. Aufl. Braunschweig, 1866. Verlag von C. Vieweg.
423 S. ki. 8.

Herrn Vogts populäre Schriften gehören sonst nicht zu unsrer Lieblingslectüre.
Hier aber haben wir einmal eine Leistung von ihm vor uns. die uns aufrichtige
Freude macht, und für die ihm das Publikum in der That Dank schuldig ist. Er
hat einen der liebenswürdigsten Franzosen aller Zeiten zu unserm Landsmann
gemacht. Er hat, indem er Brillat-Savarins berühmtes Gesetzbuch des heiteren
Volkes der Gourmands und Gourmcts mit einer Virtuosität verdeutscht hat,
die alle Feinheiten des Originals so vollkommen wiedergiebt. wie sie nur die
begeisterte Versenkung einer gleichgestimmten Seele in das Denken und Empfinden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/300>, abgerufen am 29.04.2024.