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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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garnen. Der Humanismus flüchtete vielfach vor den finstern, bittern, trocknen
Schwarzröcken und ihrem Gezänk um neue Glaubensformeln von den hohen
in die Mittelschulen, die dann länger als ein Jahrhundert seine eigentlichen
Wohnstätten und Culturgärten waren. Trägt das erste Drittel des Jahrhunderts
der Reformation auch im Leben der Studenten im Großen und Ganzen einen
gewissen morgendlichen Charakter, so zeigen die beiden andern schon, daß es
Abend werden will. Der Geist ist wieder im Entfliehen, von dem Gewaltigen,
welches die neue Zeit herauftrieb, ist nur die Gewaltthätigkeit geblieben, der
Wein im Becher ist Neige, das folgende Jahrhundert wird die Hefen und den
Katzenjammer bringen.

Davon in einem ferneren Capitel. Vorher aber im nächsten noch einen
Blick auf die fahrenden Studenten und auf das älteste Zecherrecht oder, studen¬
tisch zu reden, den ältesten Trinkcomment, die beide noch in das sechzehnte
Jahrhundert gehören.




Die Politische Lage.

Es ist weit gekommen in den letzten Wochen. Ganz Deutschland erhebt
sich in Waffen, die Leiden deö Krieges werden von der Bevölkerung empfun¬
den, bevor er begonnen hat. Und doch wird es schwer, zu glauben, daß wirklich
ein Krieg zwischen Deutschen und Deutsche" bevorstehe. Preußen, Oestreich,
Italien haben feierlich erklärt, daß sie nur zur Vertheidigung rüsten, sie haben
sich dadurch wenigstens den Beginn des Kampfes erschwert.

Preußen und Oestreich haben allerdings ihre Rollen gewechselt. Preußen
steht jetzt trotz der herausfordernden Nöten seines Ministerpräsidenten und der
drohenden Einberufung der gesammten Landwehr auf der Defensive. Oestreich
aber, das bis vor wenig Wochen widerwillig die Sprünge der preußischen Po¬
litik abwehrte, ist thatsächlich der angreifende Theil geworden, die Kriegslust
ist.dort in maßgebenden Kreisen, wenn auch nicht im Ministerium des Aus¬
wärtigen, größer als i" Preußen, auch im Volke flackert ein Haß gegen den
Nachbarstaat übermüthig und zcrsiörungsluslig auf, der Tscheche, der Magyar
und der Wiener versprechen freiwillig der Negierung die wärmste Unterstützung,
und die östreichische Presse schürt gewissenlos den Brand.

Wer jetzt mit Widerwillen dies wüste Kriegsgeschrei und die übermüthigen
Ausfälle auf Preußen mustert, wird darin rohe Antwort auf lange, ungeschickte
Angriffe der officiösen Presse Preußens erkennen. Es war ein großer Uebel¬
stand, daß der preußische Ministerpräsident Stolz und Widerstandskraft des
Verbündeten, den er in unglücklicher Stunde für Preußen geworben, viel zu
niedrig geschätzt hat, und es gehörte zu den vielen Tactivsigkeiten seiner Presse.


garnen. Der Humanismus flüchtete vielfach vor den finstern, bittern, trocknen
Schwarzröcken und ihrem Gezänk um neue Glaubensformeln von den hohen
in die Mittelschulen, die dann länger als ein Jahrhundert seine eigentlichen
Wohnstätten und Culturgärten waren. Trägt das erste Drittel des Jahrhunderts
der Reformation auch im Leben der Studenten im Großen und Ganzen einen
gewissen morgendlichen Charakter, so zeigen die beiden andern schon, daß es
Abend werden will. Der Geist ist wieder im Entfliehen, von dem Gewaltigen,
welches die neue Zeit herauftrieb, ist nur die Gewaltthätigkeit geblieben, der
Wein im Becher ist Neige, das folgende Jahrhundert wird die Hefen und den
Katzenjammer bringen.

Davon in einem ferneren Capitel. Vorher aber im nächsten noch einen
Blick auf die fahrenden Studenten und auf das älteste Zecherrecht oder, studen¬
tisch zu reden, den ältesten Trinkcomment, die beide noch in das sechzehnte
Jahrhundert gehören.




Die Politische Lage.

Es ist weit gekommen in den letzten Wochen. Ganz Deutschland erhebt
sich in Waffen, die Leiden deö Krieges werden von der Bevölkerung empfun¬
den, bevor er begonnen hat. Und doch wird es schwer, zu glauben, daß wirklich
ein Krieg zwischen Deutschen und Deutsche» bevorstehe. Preußen, Oestreich,
Italien haben feierlich erklärt, daß sie nur zur Vertheidigung rüsten, sie haben
sich dadurch wenigstens den Beginn des Kampfes erschwert.

Preußen und Oestreich haben allerdings ihre Rollen gewechselt. Preußen
steht jetzt trotz der herausfordernden Nöten seines Ministerpräsidenten und der
drohenden Einberufung der gesammten Landwehr auf der Defensive. Oestreich
aber, das bis vor wenig Wochen widerwillig die Sprünge der preußischen Po¬
litik abwehrte, ist thatsächlich der angreifende Theil geworden, die Kriegslust
ist.dort in maßgebenden Kreisen, wenn auch nicht im Ministerium des Aus¬
wärtigen, größer als i» Preußen, auch im Volke flackert ein Haß gegen den
Nachbarstaat übermüthig und zcrsiörungsluslig auf, der Tscheche, der Magyar
und der Wiener versprechen freiwillig der Negierung die wärmste Unterstützung,
und die östreichische Presse schürt gewissenlos den Brand.

Wer jetzt mit Widerwillen dies wüste Kriegsgeschrei und die übermüthigen
Ausfälle auf Preußen mustert, wird darin rohe Antwort auf lange, ungeschickte
Angriffe der officiösen Presse Preußens erkennen. Es war ein großer Uebel¬
stand, daß der preußische Ministerpräsident Stolz und Widerstandskraft des
Verbündeten, den er in unglücklicher Stunde für Preußen geworben, viel zu
niedrig geschätzt hat, und es gehörte zu den vielen Tactivsigkeiten seiner Presse.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/340>, abgerufen am 29.04.2024.