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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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in dem bezüglichen Erlaß wieder von Häuserstürmen, Wegelagern, nächtlichem
Ueberfallen, Nottieren, Fenstereinschlagen und Singen schändlicher Lieder die
Rede ist.

In Königsberg ähnliche Klagen und Verordnungen schon 1646. zwei
Jahre nach Stiftung der Universität. Hier verbietet ein Gesetz den Studenten,
in der Weise eines Satyrs zu tanzen, und ein anderes sagt: "^.ring. non Zerat,
clomus civium non oxxugnvt, tores non ein'inMt, glvdos xlumdios in oivi-
täte von e^euletur, neminem g.ä xugnam xiovocet. nee provoeatus asssn-
tiatur provoeanti, Irertos non äexoxuletur."^)

In Jena gab e" gleich nach Errichtung der Universität im Jahre 1S58 so
gefährliche Studententumulte, daß der Herzog von Weimar sich bewogen fand,
einen besondern Amtmann dahin zu sehen. Rath und Senat waren theils
nicht im Stande, theils nicht gewillt, den Unordnungen zu steuern. Auffällig
ist dagegen, daß die ältesten Gesetze dieser Univeisität nichts von Duellen wissen,
und daß hier erst i" der zweiten Hälfte des nächsten Jahrhunderts Verbote
dieser Unsitte vorkommen.

"Schulen seyn auch Heerlager. Wenn man von einem hohen, ja höchsten
Berge das Heerlager des gelehrten Kriegsvolks, welches wider viel Feinde,
wider die Ketzer in der Theologia, wider die Unbilligkeit in der Jurisprudentia,
wider die Krankheit in der Medicin, wider die Unwissenheit in der Philosophia,
Künsten und Wissenschaften streitet, beschauete, könnte man sagen: O wie fein
sein eure Hütten, o ihr Akademien, und eure Wohnungen!"

So um die Mitte des dreißigjährigen Krieges der wackere und phantasie¬
volle erfurter Professor Mcyfart, wo er von der Universität spricht, wie sie
sein soll. Weiterhin, wo er die Universitäten schildert, wie sie zu seiner Zeit
waren, wird man geneigt, die hohen Schulen in weniger ehrenvoller Weise
mit Soldatenlagcrn zu vergleichen und eine frappante Ähnlichkeit zwischen beiden
zu behaupten. Das Vorstehende wird zur Gegnüge gezeigt haben, daß diese
Aehnlichfeit, wie oben bemerkt, schon lange vor dem großen Kriege
vorhanden war, und daß derselbe, wenn er der bestehenden Rohheit und
Verwilderung der deutschen Studentenwelt einige neue unholde Züge hinzufügte,
nicht allzu viel mehr zu verderben fand.

Die ersten Jahrzehnte nach der Reformation waren derb, oft grob und
unsauber nach heutigen Begriffen, aber von einer gesunden Frische und durch
die großen Gedanken und Bestrebungen deS Anbruchs der neuen Zeit gehoben
und verklärt. Die späteren sanken und verdunkelten sich wieder. Auf den
Kathedern nahm eine neue Scholastik Platz, an den protestantischen Universitäten
ganz ebenso wie auf den katholischen, wo jetzt die Jesuiten sich einzunisten de-



') Dolch (nach Arnold!. Historie der königMrgschen Universität) S, 6ö.
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in dem bezüglichen Erlaß wieder von Häuserstürmen, Wegelagern, nächtlichem
Ueberfallen, Nottieren, Fenstereinschlagen und Singen schändlicher Lieder die
Rede ist.

In Königsberg ähnliche Klagen und Verordnungen schon 1646. zwei
Jahre nach Stiftung der Universität. Hier verbietet ein Gesetz den Studenten,
in der Weise eines Satyrs zu tanzen, und ein anderes sagt: „^.ring. non Zerat,
clomus civium non oxxugnvt, tores non ein'inMt, glvdos xlumdios in oivi-
täte von e^euletur, neminem g.ä xugnam xiovocet. nee provoeatus asssn-
tiatur provoeanti, Irertos non äexoxuletur."^)

In Jena gab e» gleich nach Errichtung der Universität im Jahre 1S58 so
gefährliche Studententumulte, daß der Herzog von Weimar sich bewogen fand,
einen besondern Amtmann dahin zu sehen. Rath und Senat waren theils
nicht im Stande, theils nicht gewillt, den Unordnungen zu steuern. Auffällig
ist dagegen, daß die ältesten Gesetze dieser Univeisität nichts von Duellen wissen,
und daß hier erst i» der zweiten Hälfte des nächsten Jahrhunderts Verbote
dieser Unsitte vorkommen.

„Schulen seyn auch Heerlager. Wenn man von einem hohen, ja höchsten
Berge das Heerlager des gelehrten Kriegsvolks, welches wider viel Feinde,
wider die Ketzer in der Theologia, wider die Unbilligkeit in der Jurisprudentia,
wider die Krankheit in der Medicin, wider die Unwissenheit in der Philosophia,
Künsten und Wissenschaften streitet, beschauete, könnte man sagen: O wie fein
sein eure Hütten, o ihr Akademien, und eure Wohnungen!"

So um die Mitte des dreißigjährigen Krieges der wackere und phantasie¬
volle erfurter Professor Mcyfart, wo er von der Universität spricht, wie sie
sein soll. Weiterhin, wo er die Universitäten schildert, wie sie zu seiner Zeit
waren, wird man geneigt, die hohen Schulen in weniger ehrenvoller Weise
mit Soldatenlagcrn zu vergleichen und eine frappante Ähnlichkeit zwischen beiden
zu behaupten. Das Vorstehende wird zur Gegnüge gezeigt haben, daß diese
Aehnlichfeit, wie oben bemerkt, schon lange vor dem großen Kriege
vorhanden war, und daß derselbe, wenn er der bestehenden Rohheit und
Verwilderung der deutschen Studentenwelt einige neue unholde Züge hinzufügte,
nicht allzu viel mehr zu verderben fand.

Die ersten Jahrzehnte nach der Reformation waren derb, oft grob und
unsauber nach heutigen Begriffen, aber von einer gesunden Frische und durch
die großen Gedanken und Bestrebungen deS Anbruchs der neuen Zeit gehoben
und verklärt. Die späteren sanken und verdunkelten sich wieder. Auf den
Kathedern nahm eine neue Scholastik Platz, an den protestantischen Universitäten
ganz ebenso wie auf den katholischen, wo jetzt die Jesuiten sich einzunisten de-



') Dolch (nach Arnold!. Historie der königMrgschen Universität) S, 6ö.
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[0339] in dem bezüglichen Erlaß wieder von Häuserstürmen, Wegelagern, nächtlichem Ueberfallen, Nottieren, Fenstereinschlagen und Singen schändlicher Lieder die Rede ist. In Königsberg ähnliche Klagen und Verordnungen schon 1646. zwei Jahre nach Stiftung der Universität. Hier verbietet ein Gesetz den Studenten, in der Weise eines Satyrs zu tanzen, und ein anderes sagt: „^.ring. non Zerat, clomus civium non oxxugnvt, tores non ein'inMt, glvdos xlumdios in oivi- täte von e^euletur, neminem g.ä xugnam xiovocet. nee provoeatus asssn- tiatur provoeanti, Irertos non äexoxuletur."^) In Jena gab e» gleich nach Errichtung der Universität im Jahre 1S58 so gefährliche Studententumulte, daß der Herzog von Weimar sich bewogen fand, einen besondern Amtmann dahin zu sehen. Rath und Senat waren theils nicht im Stande, theils nicht gewillt, den Unordnungen zu steuern. Auffällig ist dagegen, daß die ältesten Gesetze dieser Univeisität nichts von Duellen wissen, und daß hier erst i» der zweiten Hälfte des nächsten Jahrhunderts Verbote dieser Unsitte vorkommen. „Schulen seyn auch Heerlager. Wenn man von einem hohen, ja höchsten Berge das Heerlager des gelehrten Kriegsvolks, welches wider viel Feinde, wider die Ketzer in der Theologia, wider die Unbilligkeit in der Jurisprudentia, wider die Krankheit in der Medicin, wider die Unwissenheit in der Philosophia, Künsten und Wissenschaften streitet, beschauete, könnte man sagen: O wie fein sein eure Hütten, o ihr Akademien, und eure Wohnungen!" So um die Mitte des dreißigjährigen Krieges der wackere und phantasie¬ volle erfurter Professor Mcyfart, wo er von der Universität spricht, wie sie sein soll. Weiterhin, wo er die Universitäten schildert, wie sie zu seiner Zeit waren, wird man geneigt, die hohen Schulen in weniger ehrenvoller Weise mit Soldatenlagcrn zu vergleichen und eine frappante Ähnlichkeit zwischen beiden zu behaupten. Das Vorstehende wird zur Gegnüge gezeigt haben, daß diese Aehnlichfeit, wie oben bemerkt, schon lange vor dem großen Kriege vorhanden war, und daß derselbe, wenn er der bestehenden Rohheit und Verwilderung der deutschen Studentenwelt einige neue unholde Züge hinzufügte, nicht allzu viel mehr zu verderben fand. Die ersten Jahrzehnte nach der Reformation waren derb, oft grob und unsauber nach heutigen Begriffen, aber von einer gesunden Frische und durch die großen Gedanken und Bestrebungen deS Anbruchs der neuen Zeit gehoben und verklärt. Die späteren sanken und verdunkelten sich wieder. Auf den Kathedern nahm eine neue Scholastik Platz, an den protestantischen Universitäten ganz ebenso wie auf den katholischen, wo jetzt die Jesuiten sich einzunisten de- ') Dolch (nach Arnold!. Historie der königMrgschen Universität) S, 6ö. 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/339>, abgerufen am 15.05.2024.