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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Neue historische Literatur.
O. Heyne, Der Kurfürstentag zu Regensburg von 1630. Berlin, bei
I. Guttentag. 1866, 8.

Der regensburger Kurfürstentag 1630 bezeichnet einen der folgenschwersten
Wendepunkte in der Geschichte des dreißigjährigen Kriegs.

Hatte Ferdinand der Zweite anfangs den deutschen Krieg ganz mit ligisti-
schen Truppen führen müssen, war er dadurch für das Erste in völlige Abhän¬
gigkeit von der Liga gerathen, so war es ihm doch später gelungen, mit Wal-
lensteins Hilfe ein eignes gewaltiges Heer aufzustellen, sich nicht nur von der
Liga zu emancipiren, sondern die verbündeten katholischen Fürsten mehr und
mehr in den Hintergrund zu drängen, ja allmälig auf sie kaum minder schwer
zu drücken als auf die evangelischen Reichsstände: der Gedanke, ein die stän¬
dischen Selbständigkeiten niederbeugendes monarchisches Regiment im Reiche
durchzuführen, war in der Ausführung begriffen. In den letzten Jahren vor
1630 stand der Kaiser auf der Höhe seiner Macht. Das Streben der ligisti-
schen Kurfürsten ging unausgesetzt dahin, den Kaiser zu einer Armeereduction
zu bewegen, vor allem aber, den gefürchteten Wallenstein zu stürzen. Der Kai¬
ser, den sein Uebermuth auch nach Außen in eine Reihe neuer gefährlicher
Verwicklungen gebracht hatte, fühlte das Bedürfniß, den arg gelockerten Bund
mit der Liga zu erneuern, versteht sich mit möglichst wenig Opfern von seiner
Seite. So begegnete man sich auf dem Collegialtage von Regensburg. Das
Resultat desselben ist die Preisgabe Wallensteins; die kaiserliche Armee wird
auf denselben Fuß gesetzt wie die hündische, zum Feldherrn erhält sie einen
der Liga durchaus ergebenen, in ihrem Dienste emporgekommenen General; der
Kaiser verspricht, bei der Frage über Krieg und Frieden, bei Beschaffung der
Mittel zur Kriegsführung sich dem Willen der Fürsten anzubequemen: er tritt
fast wieder in das Verhältniß der Abhängigkeit von dem katholischen Bunde,
Wie in den erste" Jahren des Kriegs. Um solchen Preis erkaufte sich Ferdi¬
nand die Erneuerung des katholischen Bundes und Hilfe gegen die von Schwe¬
den drohende Gefahr.

Eine überaus klägliche Rolle spielten die beiden evangelischen Kurfürsten:
Brandenburg war von kaiserlichen Truppen überschwemmt; der sächsische Jo¬
hann Georg hatte die ganze erste Zeit des Kriegs als devoter Bundesgenosse
dem Kaiser und den katholischen Fürsten zur Seite gestanden; der maßlose Ge¬
brauch, der von der kaiserlichen Uebermacht gemacht worden, hatte die letzteren


Neue historische Literatur.
O. Heyne, Der Kurfürstentag zu Regensburg von 1630. Berlin, bei
I. Guttentag. 1866, 8.

Der regensburger Kurfürstentag 1630 bezeichnet einen der folgenschwersten
Wendepunkte in der Geschichte des dreißigjährigen Kriegs.

Hatte Ferdinand der Zweite anfangs den deutschen Krieg ganz mit ligisti-
schen Truppen führen müssen, war er dadurch für das Erste in völlige Abhän¬
gigkeit von der Liga gerathen, so war es ihm doch später gelungen, mit Wal-
lensteins Hilfe ein eignes gewaltiges Heer aufzustellen, sich nicht nur von der
Liga zu emancipiren, sondern die verbündeten katholischen Fürsten mehr und
mehr in den Hintergrund zu drängen, ja allmälig auf sie kaum minder schwer
zu drücken als auf die evangelischen Reichsstände: der Gedanke, ein die stän¬
dischen Selbständigkeiten niederbeugendes monarchisches Regiment im Reiche
durchzuführen, war in der Ausführung begriffen. In den letzten Jahren vor
1630 stand der Kaiser auf der Höhe seiner Macht. Das Streben der ligisti-
schen Kurfürsten ging unausgesetzt dahin, den Kaiser zu einer Armeereduction
zu bewegen, vor allem aber, den gefürchteten Wallenstein zu stürzen. Der Kai¬
ser, den sein Uebermuth auch nach Außen in eine Reihe neuer gefährlicher
Verwicklungen gebracht hatte, fühlte das Bedürfniß, den arg gelockerten Bund
mit der Liga zu erneuern, versteht sich mit möglichst wenig Opfern von seiner
Seite. So begegnete man sich auf dem Collegialtage von Regensburg. Das
Resultat desselben ist die Preisgabe Wallensteins; die kaiserliche Armee wird
auf denselben Fuß gesetzt wie die hündische, zum Feldherrn erhält sie einen
der Liga durchaus ergebenen, in ihrem Dienste emporgekommenen General; der
Kaiser verspricht, bei der Frage über Krieg und Frieden, bei Beschaffung der
Mittel zur Kriegsführung sich dem Willen der Fürsten anzubequemen: er tritt
fast wieder in das Verhältniß der Abhängigkeit von dem katholischen Bunde,
Wie in den erste» Jahren des Kriegs. Um solchen Preis erkaufte sich Ferdi¬
nand die Erneuerung des katholischen Bundes und Hilfe gegen die von Schwe¬
den drohende Gefahr.

Eine überaus klägliche Rolle spielten die beiden evangelischen Kurfürsten:
Brandenburg war von kaiserlichen Truppen überschwemmt; der sächsische Jo¬
hann Georg hatte die ganze erste Zeit des Kriegs als devoter Bundesgenosse
dem Kaiser und den katholischen Fürsten zur Seite gestanden; der maßlose Ge¬
brauch, der von der kaiserlichen Uebermacht gemacht worden, hatte die letzteren


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[0382] Neue historische Literatur. O. Heyne, Der Kurfürstentag zu Regensburg von 1630. Berlin, bei I. Guttentag. 1866, 8. Der regensburger Kurfürstentag 1630 bezeichnet einen der folgenschwersten Wendepunkte in der Geschichte des dreißigjährigen Kriegs. Hatte Ferdinand der Zweite anfangs den deutschen Krieg ganz mit ligisti- schen Truppen führen müssen, war er dadurch für das Erste in völlige Abhän¬ gigkeit von der Liga gerathen, so war es ihm doch später gelungen, mit Wal- lensteins Hilfe ein eignes gewaltiges Heer aufzustellen, sich nicht nur von der Liga zu emancipiren, sondern die verbündeten katholischen Fürsten mehr und mehr in den Hintergrund zu drängen, ja allmälig auf sie kaum minder schwer zu drücken als auf die evangelischen Reichsstände: der Gedanke, ein die stän¬ dischen Selbständigkeiten niederbeugendes monarchisches Regiment im Reiche durchzuführen, war in der Ausführung begriffen. In den letzten Jahren vor 1630 stand der Kaiser auf der Höhe seiner Macht. Das Streben der ligisti- schen Kurfürsten ging unausgesetzt dahin, den Kaiser zu einer Armeereduction zu bewegen, vor allem aber, den gefürchteten Wallenstein zu stürzen. Der Kai¬ ser, den sein Uebermuth auch nach Außen in eine Reihe neuer gefährlicher Verwicklungen gebracht hatte, fühlte das Bedürfniß, den arg gelockerten Bund mit der Liga zu erneuern, versteht sich mit möglichst wenig Opfern von seiner Seite. So begegnete man sich auf dem Collegialtage von Regensburg. Das Resultat desselben ist die Preisgabe Wallensteins; die kaiserliche Armee wird auf denselben Fuß gesetzt wie die hündische, zum Feldherrn erhält sie einen der Liga durchaus ergebenen, in ihrem Dienste emporgekommenen General; der Kaiser verspricht, bei der Frage über Krieg und Frieden, bei Beschaffung der Mittel zur Kriegsführung sich dem Willen der Fürsten anzubequemen: er tritt fast wieder in das Verhältniß der Abhängigkeit von dem katholischen Bunde, Wie in den erste» Jahren des Kriegs. Um solchen Preis erkaufte sich Ferdi¬ nand die Erneuerung des katholischen Bundes und Hilfe gegen die von Schwe¬ den drohende Gefahr. Eine überaus klägliche Rolle spielten die beiden evangelischen Kurfürsten: Brandenburg war von kaiserlichen Truppen überschwemmt; der sächsische Jo¬ hann Georg hatte die ganze erste Zeit des Kriegs als devoter Bundesgenosse dem Kaiser und den katholischen Fürsten zur Seite gestanden; der maßlose Ge¬ brauch, der von der kaiserlichen Uebermacht gemacht worden, hatte die letzteren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/382>, abgerufen am 29.04.2024.