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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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die exponirte Lage von Casale gewesen ist. das nur durch die so gewonnene
Frist gerettet werden konnte (vgl. S. 117 ff.) Der zweite ist die Stellung
Wallensteins als Politiker, wie ihn uns der Verfasser auf Grund seiner Briefe
bei Chlumccky vorführt: er erscheint nach dieser Seite hin weit bedeutender, als
man sich ihn insgemein vorstellt, als ein scharfblickender, kühler, die für Oest¬
reich zu erstrebenden Ziele unverrückt im Auge behaltender Staatsmann, welcher
sich der unstäten Maßlosigkeit der von den Trugbildern römischen Imperiums
umnebelten kaiserlichen Politik, die nichts aufgeben, die unvereinbarsten Dinge
zugleich durchsetzen will, nach Kräften widersetzt, aber nicht mächtig genug ist,
um Thorheiten wie das Urhirten mit Frankreich im mantuanischen Erbfolge-
kriege zu verhindern (vgl. S. öl ff. 99 ff.), Ferdinand hat den erprobten Rath-
geber seinem beschränkt bigotten Gesichtspunkten geopfert. Die Nachwelt hat
alle Ursache, ihm dafür dankbar zu sein. Wären Wallensteins Rathschläge be¬
folgt worden, so wäre Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach eine einheitliche
Monarchie geworden , aber eine Monarchie nach spanischem Muster, in der zur
größeren Ehre Gottes Scheiterhaufen nicht blos den protestantischen Ketzern,
sondern bald auch den letzten Resten deutscher Gesittung heimgeleuchtet haben
würden.


Die Geschichte der Jndochi.nehm. Aus einheimischen Quellen von
Dr. Adolf Bastian. Leipzig, 1866. Verlag von Otto Wigand. 576 S. gr. 8.

Dieses Werk bildet den ersten Band eines größeren Ganzen von fünf
Bänden, welches die Resultate der Studien, die der Verfasser über die Völker
des östlichen Asien gemacht, und der Reisen, die er unter denselben und na¬
mentlich in Hinterindien unternommen hat, zu bringen bestimmt ist. Herr
Bastian ist ein Schriftsteller, der bereits vor seiner Tour nach Ostasten wieder¬
holt einen großen Theil der Erde durchstreift hatte, und dem wir schon damals
mancherlei schätzbare Mittheilungen aus dem Gebiete der Völkerkunde zu danken
hatten. Auch hier bietet er dieser Wissenschaft nicht weniger werthvolle Be¬
reicherungen, von denen wir nur wünschten, daß sie nicht großentheils als bloße
zusammenhangslose Notizen, wie sie sich grade aus dem Gedächtniß oder dem
Tagebuch darboten, sondern passend verbunden und geordnet an uns gelangt
wären. Nicht viel -weniger fällt dieser Mangel bei den eigentlich historischen
Abschnitten des Werkes auf, und zwar geht dieser unorganische Charakter des¬
selben so weit, daß man Anstand nehmen muß, dem Verfasser die Berechtigung
zuzugestehen, dasselbe, wie er gethan, eine Geschichte der Jndochinesen zu
nennen. Er hat nur die Materialien zu einem Theil dieser Geschichte herbei¬
geschafft, und von diesen Materialien eignet sich wieder nur Einiges, wie die
Mythen aus der Chronik Jnthapataburis, für das größere Publikum; das
Uebrige ist nur für den kleinen Kreis der Kenner dieser Menschenkreise, die dem


die exponirte Lage von Casale gewesen ist. das nur durch die so gewonnene
Frist gerettet werden konnte (vgl. S. 117 ff.) Der zweite ist die Stellung
Wallensteins als Politiker, wie ihn uns der Verfasser auf Grund seiner Briefe
bei Chlumccky vorführt: er erscheint nach dieser Seite hin weit bedeutender, als
man sich ihn insgemein vorstellt, als ein scharfblickender, kühler, die für Oest¬
reich zu erstrebenden Ziele unverrückt im Auge behaltender Staatsmann, welcher
sich der unstäten Maßlosigkeit der von den Trugbildern römischen Imperiums
umnebelten kaiserlichen Politik, die nichts aufgeben, die unvereinbarsten Dinge
zugleich durchsetzen will, nach Kräften widersetzt, aber nicht mächtig genug ist,
um Thorheiten wie das Urhirten mit Frankreich im mantuanischen Erbfolge-
kriege zu verhindern (vgl. S. öl ff. 99 ff.), Ferdinand hat den erprobten Rath-
geber seinem beschränkt bigotten Gesichtspunkten geopfert. Die Nachwelt hat
alle Ursache, ihm dafür dankbar zu sein. Wären Wallensteins Rathschläge be¬
folgt worden, so wäre Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach eine einheitliche
Monarchie geworden , aber eine Monarchie nach spanischem Muster, in der zur
größeren Ehre Gottes Scheiterhaufen nicht blos den protestantischen Ketzern,
sondern bald auch den letzten Resten deutscher Gesittung heimgeleuchtet haben
würden.


Die Geschichte der Jndochi.nehm. Aus einheimischen Quellen von
Dr. Adolf Bastian. Leipzig, 1866. Verlag von Otto Wigand. 576 S. gr. 8.

Dieses Werk bildet den ersten Band eines größeren Ganzen von fünf
Bänden, welches die Resultate der Studien, die der Verfasser über die Völker
des östlichen Asien gemacht, und der Reisen, die er unter denselben und na¬
mentlich in Hinterindien unternommen hat, zu bringen bestimmt ist. Herr
Bastian ist ein Schriftsteller, der bereits vor seiner Tour nach Ostasten wieder¬
holt einen großen Theil der Erde durchstreift hatte, und dem wir schon damals
mancherlei schätzbare Mittheilungen aus dem Gebiete der Völkerkunde zu danken
hatten. Auch hier bietet er dieser Wissenschaft nicht weniger werthvolle Be¬
reicherungen, von denen wir nur wünschten, daß sie nicht großentheils als bloße
zusammenhangslose Notizen, wie sie sich grade aus dem Gedächtniß oder dem
Tagebuch darboten, sondern passend verbunden und geordnet an uns gelangt
wären. Nicht viel -weniger fällt dieser Mangel bei den eigentlich historischen
Abschnitten des Werkes auf, und zwar geht dieser unorganische Charakter des¬
selben so weit, daß man Anstand nehmen muß, dem Verfasser die Berechtigung
zuzugestehen, dasselbe, wie er gethan, eine Geschichte der Jndochinesen zu
nennen. Er hat nur die Materialien zu einem Theil dieser Geschichte herbei¬
geschafft, und von diesen Materialien eignet sich wieder nur Einiges, wie die
Mythen aus der Chronik Jnthapataburis, für das größere Publikum; das
Uebrige ist nur für den kleinen Kreis der Kenner dieser Menschenkreise, die dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/384>, abgerufen am 29.04.2024.