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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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äschen Verständniß, und er sammelt über allerlei Verhältnisse, vorzüglich aber
über die Religion des Volkes, den Buddhismus, aus schriftlichen Original¬
quellen und Unterhaltungen mit Geistlichen und Mönchen einen reichen Schatz
von Notizen, der den Hauptwerth seines Buches ausmacht, und mit welchem
dasselbe besonders Mythologen willkommen sein wird. Im Uebrigen ist vor
Allein sein Bild von dem König und der Hofhaltung in Mandalay von Interesse,
doch würde dasselbe anschaulicher sein, wenn der Verfasser nicht, wie durch das
ganze Buch, die zufällige Aufeinanderfolge der Einträge in sein Tagebuch wieder¬
gegeben und so das Verschiedenste nebeneinandergestellt, sondern das Zusammen¬
gehörige zu passenden Gruppen vereinigt hätte. Wie die Sachen liegen, ist
Gelehrtes und für das große Publikum Verständliches so durcheinandergemischt,
daß man bei aller Anerkennung der Bemühungen und Erfolge des Verfassers
zu keiner rechte" Freude an dem Ganzen kommt, und schließlich läßt auch in
diesem Bande sein Deutsch häufiger, als entschuldigt werden kann, zu wünschen
übrig. Auch hier wären eine beträchtliche Anzahl ungrammatischer Wendungen
und Anglicismen zu rügen, vorzüglich im Gebrauch der Präpositionen, und das
mag in dem Tagebuch eines Reisenden, der einige Jahre wenig oder kein Deutsch
gesprochen, nicht auffallen, auf den deutschen Büchermarkt aber gehören der¬
artige Schwachheitssünden nicht. -


Geschichte des modernen Geschmacks von Jacob Falcke. Leipzig,
T. O. Weigel. 387 S.

Eine Erweiterung von Vorträgen, welche der Verfasser im östreichischen
Museum für Kunst und Industrie zu Wien gehalten hat. Im ersten Abschnitte
wird die Entartung des Geschmacks auf dem Gebiete künstlerischer und gewerb¬
licher Production besprochen, welche gegen das Ende des Mittelalters sich kund
gab, dann behandelt das Buch die Renaissance in Italien und Deutschland, den
Stil der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, den Jesuitenstil und die Ent¬
wickelung des französischen Kunstgeschmacks in dieser und der nächstfolgenden Zeit,
Rococo und Zopf, den antikisirendcn Geschmack in der Periode der französischen
Revolution, woraus er mit einem Blick auf die neueste Zeit und deren Er¬
scheinungen auf dem Gebiete künstlerischen Empfindens und Schaffens schließt.
Recht lehrreich ist, was er über den Einfluß der ersten londoner Industrie¬
ausstellung auf das Gebiet kunstgewerblicher Thätigkeit sagt, wie er denn über¬
haupt sein Augenmerk vorzüglich aus dieses Gebiet richtet. Besonders tief ist,
was er vorträgt, nicht grade, auch werden sich.einzelne seiner Ansichten wider¬
legen lassen. Im Ganzen aber kann man mit ihm einverstanden sein, und so
dürfen wir sein Buch namentlich dem strebsamen Industriellen als instructiv und
anregend empfehlen.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck vou C. E. Elbert in Leipzig.

äschen Verständniß, und er sammelt über allerlei Verhältnisse, vorzüglich aber
über die Religion des Volkes, den Buddhismus, aus schriftlichen Original¬
quellen und Unterhaltungen mit Geistlichen und Mönchen einen reichen Schatz
von Notizen, der den Hauptwerth seines Buches ausmacht, und mit welchem
dasselbe besonders Mythologen willkommen sein wird. Im Uebrigen ist vor
Allein sein Bild von dem König und der Hofhaltung in Mandalay von Interesse,
doch würde dasselbe anschaulicher sein, wenn der Verfasser nicht, wie durch das
ganze Buch, die zufällige Aufeinanderfolge der Einträge in sein Tagebuch wieder¬
gegeben und so das Verschiedenste nebeneinandergestellt, sondern das Zusammen¬
gehörige zu passenden Gruppen vereinigt hätte. Wie die Sachen liegen, ist
Gelehrtes und für das große Publikum Verständliches so durcheinandergemischt,
daß man bei aller Anerkennung der Bemühungen und Erfolge des Verfassers
zu keiner rechte» Freude an dem Ganzen kommt, und schließlich läßt auch in
diesem Bande sein Deutsch häufiger, als entschuldigt werden kann, zu wünschen
übrig. Auch hier wären eine beträchtliche Anzahl ungrammatischer Wendungen
und Anglicismen zu rügen, vorzüglich im Gebrauch der Präpositionen, und das
mag in dem Tagebuch eines Reisenden, der einige Jahre wenig oder kein Deutsch
gesprochen, nicht auffallen, auf den deutschen Büchermarkt aber gehören der¬
artige Schwachheitssünden nicht. -


Geschichte des modernen Geschmacks von Jacob Falcke. Leipzig,
T. O. Weigel. 387 S.

Eine Erweiterung von Vorträgen, welche der Verfasser im östreichischen
Museum für Kunst und Industrie zu Wien gehalten hat. Im ersten Abschnitte
wird die Entartung des Geschmacks auf dem Gebiete künstlerischer und gewerb¬
licher Production besprochen, welche gegen das Ende des Mittelalters sich kund
gab, dann behandelt das Buch die Renaissance in Italien und Deutschland, den
Stil der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, den Jesuitenstil und die Ent¬
wickelung des französischen Kunstgeschmacks in dieser und der nächstfolgenden Zeit,
Rococo und Zopf, den antikisirendcn Geschmack in der Periode der französischen
Revolution, woraus er mit einem Blick auf die neueste Zeit und deren Er¬
scheinungen auf dem Gebiete künstlerischen Empfindens und Schaffens schließt.
Recht lehrreich ist, was er über den Einfluß der ersten londoner Industrie¬
ausstellung auf das Gebiet kunstgewerblicher Thätigkeit sagt, wie er denn über¬
haupt sein Augenmerk vorzüglich aus dieses Gebiet richtet. Besonders tief ist,
was er vorträgt, nicht grade, auch werden sich.einzelne seiner Ansichten wider¬
legen lassen. Im Ganzen aber kann man mit ihm einverstanden sein, und so
dürfen wir sein Buch namentlich dem strebsamen Industriellen als instructiv und
anregend empfehlen.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck vou C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/386>, abgerufen am 29.04.2024.