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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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rend sie öffentlich wie die eingefleischter Legitimisten mit ihrer Holstentreue
prunkten, hatte in der letzten Zeit die Alleinherrschaft in jenen Vereinen erlangt
und scheint auch jetzt noch, soweit möglich, weiter zu wirken. Sie giebt sich
die Miene, noch immer auf die Einsetzung des Herzogs zu hoffen, während
unter den eigentlichen Legitimisten schon mancher Zweifel laut wird. Gefähr¬
lich sind diese Parteien der Regierung durchaus nicht, aber recht unbequem
können sie ihr noch werden. Wir erinnern nur an die bevorstehenden Parla¬
mentswahlen. Die neueste Parole lautet "nicht wählen!" Mag nun dieser
Befehl ausgeführt werden oder mag man sich entschließen, Leute des öffentlichen
Vertrauens, d. h. beschränkte oder verbitterte Particularisten zu wählen, vielleicht
unter Protest, so wird das keinenfalls ein erbauliches Resultat geben. Von den
zehn Abgeordneten, die etwa aus Schleswig-Holstein fallen, werden im günstig¬
sten Falle drei preußisch gesinnt sein; die übrigen, nach Abzug von einem oder
zwei dänisch Gesinnten, werden "echt Schleswig-holsteinische Patrioten" sein, wie
sie die staunende Welt schon auf dem letzten Abgeordnetentag gesehen hat. Die
physische Eroberung Schleswig-Holsteins ist vollendet, aber die moralische wird
noch sehr Viel Mühe machen. Daß sie endlich doch noch gelingen wird, daran
zu zweifeln wäre freilich ein Zweifel an Preußens Beruf.




Die Preußischen Sympathien in Ostfriesland.

Es ist eine allbekannte Sache, daß in Ostfriesland die Erinnerungen an
die Zeit der preußischen Herrschaft niemals ausgestorben sind. Der großdeutsch-
ultramontane Ostfriese und Geschichtschreiber Ostfrieslands freilich, Ouro Klopp,
hat sich viel Mühe gegeben, nachzuweisen, daß es seinem Heimathlande unter
dem Scepter der Hohenzollern keineswegs so gut ergangen sei, wie man dort
gegenwärtig anzunehmen beliebe. Es kann ja auch sein, daß der Duft der
Ferne, der überall herkömmliche Trugschluß von der "guten alten Zeit" Silber
vergoldet hat. In der That, es wäre nichts Besonderes, wenn die tief-
gewurzelte Abneigung gegen den Zusammenhang mit Hannover den früher be¬
stehenden Zusammenhang mit Preußen in verklärtem Lichte erscheinen ließe.
Die Vergleichung zwischen dem objectiven Werthe zweier Geschichtsepochen taugt
an sich ja überhaupt nicht viel. Sie wäre im vorliegenden Falle nur dann
von Bedeutung, wenn sie dahin geführt hätte oder führen könnte, die über¬
lieferten preußischen Sympathien Ostfrieslands zu schwächen. Das aber ist
Klopps guthannoverischem Eifer nicht gelungen. In Ostfriesland selbst scheint
seine Darstellung niemanden bekehrt zu haben; und wer ihr im übrigen Nord¬
deutschland einige Beachtung schenkte, den kann leicht die nachfolgende Ent-


rend sie öffentlich wie die eingefleischter Legitimisten mit ihrer Holstentreue
prunkten, hatte in der letzten Zeit die Alleinherrschaft in jenen Vereinen erlangt
und scheint auch jetzt noch, soweit möglich, weiter zu wirken. Sie giebt sich
die Miene, noch immer auf die Einsetzung des Herzogs zu hoffen, während
unter den eigentlichen Legitimisten schon mancher Zweifel laut wird. Gefähr¬
lich sind diese Parteien der Regierung durchaus nicht, aber recht unbequem
können sie ihr noch werden. Wir erinnern nur an die bevorstehenden Parla¬
mentswahlen. Die neueste Parole lautet „nicht wählen!" Mag nun dieser
Befehl ausgeführt werden oder mag man sich entschließen, Leute des öffentlichen
Vertrauens, d. h. beschränkte oder verbitterte Particularisten zu wählen, vielleicht
unter Protest, so wird das keinenfalls ein erbauliches Resultat geben. Von den
zehn Abgeordneten, die etwa aus Schleswig-Holstein fallen, werden im günstig¬
sten Falle drei preußisch gesinnt sein; die übrigen, nach Abzug von einem oder
zwei dänisch Gesinnten, werden „echt Schleswig-holsteinische Patrioten" sein, wie
sie die staunende Welt schon auf dem letzten Abgeordnetentag gesehen hat. Die
physische Eroberung Schleswig-Holsteins ist vollendet, aber die moralische wird
noch sehr Viel Mühe machen. Daß sie endlich doch noch gelingen wird, daran
zu zweifeln wäre freilich ein Zweifel an Preußens Beruf.




Die Preußischen Sympathien in Ostfriesland.

Es ist eine allbekannte Sache, daß in Ostfriesland die Erinnerungen an
die Zeit der preußischen Herrschaft niemals ausgestorben sind. Der großdeutsch-
ultramontane Ostfriese und Geschichtschreiber Ostfrieslands freilich, Ouro Klopp,
hat sich viel Mühe gegeben, nachzuweisen, daß es seinem Heimathlande unter
dem Scepter der Hohenzollern keineswegs so gut ergangen sei, wie man dort
gegenwärtig anzunehmen beliebe. Es kann ja auch sein, daß der Duft der
Ferne, der überall herkömmliche Trugschluß von der „guten alten Zeit" Silber
vergoldet hat. In der That, es wäre nichts Besonderes, wenn die tief-
gewurzelte Abneigung gegen den Zusammenhang mit Hannover den früher be¬
stehenden Zusammenhang mit Preußen in verklärtem Lichte erscheinen ließe.
Die Vergleichung zwischen dem objectiven Werthe zweier Geschichtsepochen taugt
an sich ja überhaupt nicht viel. Sie wäre im vorliegenden Falle nur dann
von Bedeutung, wenn sie dahin geführt hätte oder führen könnte, die über¬
lieferten preußischen Sympathien Ostfrieslands zu schwächen. Das aber ist
Klopps guthannoverischem Eifer nicht gelungen. In Ostfriesland selbst scheint
seine Darstellung niemanden bekehrt zu haben; und wer ihr im übrigen Nord¬
deutschland einige Beachtung schenkte, den kann leicht die nachfolgende Ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/214>, abgerufen am 04.05.2024.