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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Aber mit den kleinen Agitationsmitteln arbeitet man nach wie vor weiter.
Die Kieler Zeitung weiß durch Verschweigen und Zweideutigkeiten, wie durch
positive Angaben ihre Leser so weit irre zu führen, wie es irgend die Rücksicht
auf die "factische" Regierung erlaubt. Aehnlich verfährt der Altonaer Merkur.
Um den Unschuldigen zu täuschen, verbirgt man seinen Preußenhaß und stellt
sich, als ob man eigentlich Preußen wohlwolle und nur dieses und jenes an
ihm nicht billige; man thut/ als überlege man, ob man die hannoverschett Re¬
solutionen nicht auch annehmen solle, und setzt die Gründe auseinander, welche
dies leider unthunlich machen, während man gar nicht daran gedacht hat, sich
mit ihnen zu befreunden. So verfährt man der gebildeten Welt gegenüber.
Dem gemeinen Mann kann man stärkere Kost bieten. Man hetzt ihn an, seine
dienstpflichtigen Söhne der bereits feststehenden Rekrutirung durch die Flucht
nach -- Dänemark zu entziehen, man spricht von den Leiden der Gegen"
wart und dem Wunsch, wieder dänisch zu werden, man erzählt wieder von der
ungünstigen Lage des preußischen Heeres -- in Eiderstedt heißt es nach der
Fi. Nordd. Zeitung, die Flucht der Oestreicher und der Rücktritt Benedeks sei
nur geschehen, um die Preußen recht sicher in die Falle zu locken und sie im
Innern des Reichs gründlich zu vernichten -- und was dergleichen unschuldige
Mittel mehr sind. Nachdem die preußische Partei damit begonnen hat, Samm¬
lungen für die Verwundeten zu veranstalten und zwar mit nicht unerheblichen
Erfolg, benutzt man die Gelegenheit zu einer östreichischen Demonstration, in"
dem man angeblich aus reinen Humanitätsgründen für die Verwundeten aller
Parteien zugleich sammelt und den größten Theil der Gelder und sonstigen
Gaben den Oestreichern und Bundestruppen schickt. Daß der Humanität voll-
ständig Genüge geschieht, wenn man die Gaben an die preußischen Lazarethe
sendet, in denen ja Oestreicher in größerer Zahl liegen als Preußen, glaubt
man ignoriren zu dürfen. Hier und da sind, jedoch mehr im Verborgenen,
sogar Specialsammlungen für die Oestreicher und für die Sachsen geschehen.
Leider hat der Oberpräsident grade eben wieder den Sammlern das Vergnügen
verdorben, indem er solche Demonstrationen verbietet. Ein neuer Beweis deS
unerträglichen Drucks, unter dem wir Schleswig-Holsteiner schmachten! Ihr
Correspondent aber ist boshaft zenug zu glauben, daß dieser und jener Patriot
dieses Verbot sehr gerne sieht, das ihn einesteils der unangenehmen Noth¬
wendigkeit überhebt, seine Gesinnung durch Bezahlen zu beweisen und andern-
theils Gelegenheit giebt, über die Barbarei der Preußen zu schimpfen.

Natürlich kann eine Organisation wie die der Schleswig-holsteinischen Vereine
nicht durch ein einfaches Verbot vernichtet werden, und es sind denn auch schon
Beweise d^ron ans Licht getreten, daß im Verborgenen noch weiter agitirt wird.
Die s. g. demokratische Partei, deren Führer von der Föderativrepublik träu¬
men und zu allen Zeiten über den Herzog mit Verachtung geredet haben, was-


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Aber mit den kleinen Agitationsmitteln arbeitet man nach wie vor weiter.
Die Kieler Zeitung weiß durch Verschweigen und Zweideutigkeiten, wie durch
positive Angaben ihre Leser so weit irre zu führen, wie es irgend die Rücksicht
auf die „factische" Regierung erlaubt. Aehnlich verfährt der Altonaer Merkur.
Um den Unschuldigen zu täuschen, verbirgt man seinen Preußenhaß und stellt
sich, als ob man eigentlich Preußen wohlwolle und nur dieses und jenes an
ihm nicht billige; man thut/ als überlege man, ob man die hannoverschett Re¬
solutionen nicht auch annehmen solle, und setzt die Gründe auseinander, welche
dies leider unthunlich machen, während man gar nicht daran gedacht hat, sich
mit ihnen zu befreunden. So verfährt man der gebildeten Welt gegenüber.
Dem gemeinen Mann kann man stärkere Kost bieten. Man hetzt ihn an, seine
dienstpflichtigen Söhne der bereits feststehenden Rekrutirung durch die Flucht
nach — Dänemark zu entziehen, man spricht von den Leiden der Gegen«
wart und dem Wunsch, wieder dänisch zu werden, man erzählt wieder von der
ungünstigen Lage des preußischen Heeres — in Eiderstedt heißt es nach der
Fi. Nordd. Zeitung, die Flucht der Oestreicher und der Rücktritt Benedeks sei
nur geschehen, um die Preußen recht sicher in die Falle zu locken und sie im
Innern des Reichs gründlich zu vernichten — und was dergleichen unschuldige
Mittel mehr sind. Nachdem die preußische Partei damit begonnen hat, Samm¬
lungen für die Verwundeten zu veranstalten und zwar mit nicht unerheblichen
Erfolg, benutzt man die Gelegenheit zu einer östreichischen Demonstration, in«
dem man angeblich aus reinen Humanitätsgründen für die Verwundeten aller
Parteien zugleich sammelt und den größten Theil der Gelder und sonstigen
Gaben den Oestreichern und Bundestruppen schickt. Daß der Humanität voll-
ständig Genüge geschieht, wenn man die Gaben an die preußischen Lazarethe
sendet, in denen ja Oestreicher in größerer Zahl liegen als Preußen, glaubt
man ignoriren zu dürfen. Hier und da sind, jedoch mehr im Verborgenen,
sogar Specialsammlungen für die Oestreicher und für die Sachsen geschehen.
Leider hat der Oberpräsident grade eben wieder den Sammlern das Vergnügen
verdorben, indem er solche Demonstrationen verbietet. Ein neuer Beweis deS
unerträglichen Drucks, unter dem wir Schleswig-Holsteiner schmachten! Ihr
Correspondent aber ist boshaft zenug zu glauben, daß dieser und jener Patriot
dieses Verbot sehr gerne sieht, das ihn einesteils der unangenehmen Noth¬
wendigkeit überhebt, seine Gesinnung durch Bezahlen zu beweisen und andern-
theils Gelegenheit giebt, über die Barbarei der Preußen zu schimpfen.

Natürlich kann eine Organisation wie die der Schleswig-holsteinischen Vereine
nicht durch ein einfaches Verbot vernichtet werden, und es sind denn auch schon
Beweise d^ron ans Licht getreten, daß im Verborgenen noch weiter agitirt wird.
Die s. g. demokratische Partei, deren Führer von der Föderativrepublik träu¬
men und zu allen Zeiten über den Herzog mit Verachtung geredet haben, was-


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[0213] Aber mit den kleinen Agitationsmitteln arbeitet man nach wie vor weiter. Die Kieler Zeitung weiß durch Verschweigen und Zweideutigkeiten, wie durch positive Angaben ihre Leser so weit irre zu führen, wie es irgend die Rücksicht auf die „factische" Regierung erlaubt. Aehnlich verfährt der Altonaer Merkur. Um den Unschuldigen zu täuschen, verbirgt man seinen Preußenhaß und stellt sich, als ob man eigentlich Preußen wohlwolle und nur dieses und jenes an ihm nicht billige; man thut/ als überlege man, ob man die hannoverschett Re¬ solutionen nicht auch annehmen solle, und setzt die Gründe auseinander, welche dies leider unthunlich machen, während man gar nicht daran gedacht hat, sich mit ihnen zu befreunden. So verfährt man der gebildeten Welt gegenüber. Dem gemeinen Mann kann man stärkere Kost bieten. Man hetzt ihn an, seine dienstpflichtigen Söhne der bereits feststehenden Rekrutirung durch die Flucht nach — Dänemark zu entziehen, man spricht von den Leiden der Gegen« wart und dem Wunsch, wieder dänisch zu werden, man erzählt wieder von der ungünstigen Lage des preußischen Heeres — in Eiderstedt heißt es nach der Fi. Nordd. Zeitung, die Flucht der Oestreicher und der Rücktritt Benedeks sei nur geschehen, um die Preußen recht sicher in die Falle zu locken und sie im Innern des Reichs gründlich zu vernichten — und was dergleichen unschuldige Mittel mehr sind. Nachdem die preußische Partei damit begonnen hat, Samm¬ lungen für die Verwundeten zu veranstalten und zwar mit nicht unerheblichen Erfolg, benutzt man die Gelegenheit zu einer östreichischen Demonstration, in« dem man angeblich aus reinen Humanitätsgründen für die Verwundeten aller Parteien zugleich sammelt und den größten Theil der Gelder und sonstigen Gaben den Oestreichern und Bundestruppen schickt. Daß der Humanität voll- ständig Genüge geschieht, wenn man die Gaben an die preußischen Lazarethe sendet, in denen ja Oestreicher in größerer Zahl liegen als Preußen, glaubt man ignoriren zu dürfen. Hier und da sind, jedoch mehr im Verborgenen, sogar Specialsammlungen für die Oestreicher und für die Sachsen geschehen. Leider hat der Oberpräsident grade eben wieder den Sammlern das Vergnügen verdorben, indem er solche Demonstrationen verbietet. Ein neuer Beweis deS unerträglichen Drucks, unter dem wir Schleswig-Holsteiner schmachten! Ihr Correspondent aber ist boshaft zenug zu glauben, daß dieser und jener Patriot dieses Verbot sehr gerne sieht, das ihn einesteils der unangenehmen Noth¬ wendigkeit überhebt, seine Gesinnung durch Bezahlen zu beweisen und andern- theils Gelegenheit giebt, über die Barbarei der Preußen zu schimpfen. Natürlich kann eine Organisation wie die der Schleswig-holsteinischen Vereine nicht durch ein einfaches Verbot vernichtet werden, und es sind denn auch schon Beweise d^ron ans Licht getreten, daß im Verborgenen noch weiter agitirt wird. Die s. g. demokratische Partei, deren Führer von der Föderativrepublik träu¬ men und zu allen Zeiten über den Herzog mit Verachtung geredet haben, was- 25 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/213>, abgerufen am 22.05.2024.