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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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kommt, die neue Stellung, welche Preußen in Europa gewonnen hat. be¬
festigen, und die höchsten Interessen unsers Vaterlandes in preußischem Sinne
entscheiden helfen.




Hamburg und Bremen.

Zwischen Deutschlands beiden großen Welthandelplätzen besteht eine rege alte
Eifersucht. Die letzten Monate haben nicht verfehlen können, derselben neue Nah¬
rung zu geben. Der Contrast zwischen Bremens eifrig-freiwilligem Anschluß an
Preußen und Hamburgs halb erzwungenem, die Ueberbietung der voikrcichcrn und
vermögender" Stadt durch die andere bei Gelegenheit der Gaben für die Opfer des
Krieges, endlich die erfolgreichen Unterhandlungen des Herrn H. H. Meier in Berlin,
haben in Hamburg, wie es scheint, eine ziemlich allgemeine Mißstimmung gegen
Bremen hervorgerufen. Nur aus einer solchen wenigstens läßt es sich leidlich er¬
klären, wenn nicht allein mehr im Privatgespräch, sondern auch in Hamburger
Blättern über Bremens Preußenfrcundschaft die Nase gerümpft wird, als wäre sie
lediglich ein Product kaufmännischer Speculation. Es ist wahr, den Bremern ver¬
spricht ihre Parteilichkeit für Preußen gut zu bekommen. Aber was hielt die Ham¬
burger ab, sich gleiche oder noch größere Vortheile zu verschaffen? Es war eben, als
man sich zu entscheiden hatte, für Preußens definitiven Triumph noch keinerlei Ga¬
rantie gegeben. Bremen wagte es darauf hin, daß Oestreich und seine Verbündeten
den Sieg davontrugen, in welchem Falle ihm ein hartes Schicksal, vielleicht sogar
die Einverleibung in das Wclfenrcich nicht erspart geblieben sein würde. Wenn der
damit an den Tag gelegte politische Muth jetzt seine Belohnung findet, so wird vom
rein kaufmännischen Standpunkt am wenigsten dagegen zu sagen sein. Aber es
war in der Hingebung Bremens an die preußische Sache lange nicht Alles, nicht
einmal das Meiste, nicht einmal Viel Berechnung und Wagniß. Eine ganze Bevöl¬
kerung, gemischt aus alleu verschiedenen Classen der Gesellschaft, stimmt und steuert
nicht nach speculativen Gesichtspunkten. Die monatlichen Haussammlungcn für die
Verwundeten -- in denen einzelne Hamburger Stimmen abcnteuerlicherweisc einen
besonders drastischen Beleg für den in Bremen geübten Terrorismus erblicken wollen
--'wären unmöglich gewesen, wenn nicht ein übereinstimmendes, mächtiges Gefühl Hoch
und Niedrig beherrscht hätte. Ohne die Aussicht, in der großen Mehrzahl der Häuser
gut aufgenommen zu werden, entschließen sich Hunderte von unabhängigen Männern
nicht, von Haus zu Haus den Sammelbcutel zu tragen. Der Einfluß der gebildeten
Classen aus die weniger gebildeten aber ist in einer Handelsstadt nirgends so groß,
daß die letzteren etwa nicht riskiren sollten ihren Beitrag zu verweigern, wenn er
für "me nicht durchaus populäre Sache in Anspruch genommen würde.


kommt, die neue Stellung, welche Preußen in Europa gewonnen hat. be¬
festigen, und die höchsten Interessen unsers Vaterlandes in preußischem Sinne
entscheiden helfen.




Hamburg und Bremen.

Zwischen Deutschlands beiden großen Welthandelplätzen besteht eine rege alte
Eifersucht. Die letzten Monate haben nicht verfehlen können, derselben neue Nah¬
rung zu geben. Der Contrast zwischen Bremens eifrig-freiwilligem Anschluß an
Preußen und Hamburgs halb erzwungenem, die Ueberbietung der voikrcichcrn und
vermögender» Stadt durch die andere bei Gelegenheit der Gaben für die Opfer des
Krieges, endlich die erfolgreichen Unterhandlungen des Herrn H. H. Meier in Berlin,
haben in Hamburg, wie es scheint, eine ziemlich allgemeine Mißstimmung gegen
Bremen hervorgerufen. Nur aus einer solchen wenigstens läßt es sich leidlich er¬
klären, wenn nicht allein mehr im Privatgespräch, sondern auch in Hamburger
Blättern über Bremens Preußenfrcundschaft die Nase gerümpft wird, als wäre sie
lediglich ein Product kaufmännischer Speculation. Es ist wahr, den Bremern ver¬
spricht ihre Parteilichkeit für Preußen gut zu bekommen. Aber was hielt die Ham¬
burger ab, sich gleiche oder noch größere Vortheile zu verschaffen? Es war eben, als
man sich zu entscheiden hatte, für Preußens definitiven Triumph noch keinerlei Ga¬
rantie gegeben. Bremen wagte es darauf hin, daß Oestreich und seine Verbündeten
den Sieg davontrugen, in welchem Falle ihm ein hartes Schicksal, vielleicht sogar
die Einverleibung in das Wclfenrcich nicht erspart geblieben sein würde. Wenn der
damit an den Tag gelegte politische Muth jetzt seine Belohnung findet, so wird vom
rein kaufmännischen Standpunkt am wenigsten dagegen zu sagen sein. Aber es
war in der Hingebung Bremens an die preußische Sache lange nicht Alles, nicht
einmal das Meiste, nicht einmal Viel Berechnung und Wagniß. Eine ganze Bevöl¬
kerung, gemischt aus alleu verschiedenen Classen der Gesellschaft, stimmt und steuert
nicht nach speculativen Gesichtspunkten. Die monatlichen Haussammlungcn für die
Verwundeten — in denen einzelne Hamburger Stimmen abcnteuerlicherweisc einen
besonders drastischen Beleg für den in Bremen geübten Terrorismus erblicken wollen
—'wären unmöglich gewesen, wenn nicht ein übereinstimmendes, mächtiges Gefühl Hoch
und Niedrig beherrscht hätte. Ohne die Aussicht, in der großen Mehrzahl der Häuser
gut aufgenommen zu werden, entschließen sich Hunderte von unabhängigen Männern
nicht, von Haus zu Haus den Sammelbcutel zu tragen. Der Einfluß der gebildeten
Classen aus die weniger gebildeten aber ist in einer Handelsstadt nirgends so groß,
daß die letzteren etwa nicht riskiren sollten ihren Beitrag zu verweigern, wenn er
für «me nicht durchaus populäre Sache in Anspruch genommen würde.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/427>, abgerufen am 04.05.2024.