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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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suchung gezogen. Letztere schwebt noch. Die Namen meiner Denuncianten
habe ich immer noch nicht erfahren." So erzählte Herr Kling.

Dies waren die letzten Zuckungen des östreichischen Vasallenthums in Nassau.
1rg,n8still eum ceteris!




Der Krieg und der deutsche Buchhandel.

Unser moderner Buchhandel hatte bis Ende Juni dieses Jahres noch keinen
Krieg erlebt. Zwar fand ihn das Jahr 1848 ziemlich in seiner heutigen Ge¬
stalt, aber die Stürme, die damals über die Länder brausten, entbehrten doch,
so tief sie auch in die Geschäfte eingriffen, der Schrecken und Gefahren, die der
Krieg mit sich bringt. Vor einundfünfzig Jahren aber, als die Kanonen in
Deutschland das Ende eines großen Krieges verkündeten, da lag unser deutscher
Buchhandel noch in der Wiege. Damals reiste, um ihn kennen zu lernen, Friedrich
Perthes durch Deutschland. Könnten wir zwei Karten vergleichen, auf denen
die Buchhandlungen aus der Zeit der Freiheitskriege und die Firmen von heute
angegeben wären, so würde sich zeigen, welch kleine Anzahl von Städten Buch¬
handlungen besaßen und wie wenig solcher Geschäfte selbst in größeren Orten
anzutreffen waren. Wir wissen aus Perthes, daß z, B. in Barmer, Duisburg,
Lemgo, Detmold, Paderborn und Hamm Buchhandlungen sich nur mit großer
Mühe zu halten vermochten. In Osnabrück war die einzige Handlung einge¬
gangen. Die hahnsche Buchhandlung in Hannover vetsorgte die Bücherkäufer
durch Ostfriesland bis nach Holland hinüber, durch Westfalen bis zum Rhein,
südlich bis Kassel, nördlich bis Bremen. In Düsseldorf sah es elend aus; hier¬
her lieferte Frankfurt oder Baedeker in Essen Bücher. In Koblenz trieb ein
wackerer Buchbinder nebenher den Bücherverkauf.

Noch war damals, bei den mangelhaften Verkehrswegen, bei der Höhe der
Fracht und der wundervollen Mannigfaltigkeit unsrer deutschen Vaterländer, die
alle nach Kräften Chausseeg^eit erhoben, der buchhcindlerifche Verkehr verhältni߬
mäßig gering. Zweimal im Jahr, mit der Regelmäßigkeit der Tag- und Nacht¬
gleiche, öffneten sich die Schleußen buchhändlerischer Thätigkeit und ergossen ihre
Verlagswerke über die wissensdurstige Menge. Der Verkehr zwischen den Buch¬
händlern war in der Regel noch Tauschverkehr; wenig ward in klingender


suchung gezogen. Letztere schwebt noch. Die Namen meiner Denuncianten
habe ich immer noch nicht erfahren." So erzählte Herr Kling.

Dies waren die letzten Zuckungen des östreichischen Vasallenthums in Nassau.
1rg,n8still eum ceteris!




Der Krieg und der deutsche Buchhandel.

Unser moderner Buchhandel hatte bis Ende Juni dieses Jahres noch keinen
Krieg erlebt. Zwar fand ihn das Jahr 1848 ziemlich in seiner heutigen Ge¬
stalt, aber die Stürme, die damals über die Länder brausten, entbehrten doch,
so tief sie auch in die Geschäfte eingriffen, der Schrecken und Gefahren, die der
Krieg mit sich bringt. Vor einundfünfzig Jahren aber, als die Kanonen in
Deutschland das Ende eines großen Krieges verkündeten, da lag unser deutscher
Buchhandel noch in der Wiege. Damals reiste, um ihn kennen zu lernen, Friedrich
Perthes durch Deutschland. Könnten wir zwei Karten vergleichen, auf denen
die Buchhandlungen aus der Zeit der Freiheitskriege und die Firmen von heute
angegeben wären, so würde sich zeigen, welch kleine Anzahl von Städten Buch¬
handlungen besaßen und wie wenig solcher Geschäfte selbst in größeren Orten
anzutreffen waren. Wir wissen aus Perthes, daß z, B. in Barmer, Duisburg,
Lemgo, Detmold, Paderborn und Hamm Buchhandlungen sich nur mit großer
Mühe zu halten vermochten. In Osnabrück war die einzige Handlung einge¬
gangen. Die hahnsche Buchhandlung in Hannover vetsorgte die Bücherkäufer
durch Ostfriesland bis nach Holland hinüber, durch Westfalen bis zum Rhein,
südlich bis Kassel, nördlich bis Bremen. In Düsseldorf sah es elend aus; hier¬
her lieferte Frankfurt oder Baedeker in Essen Bücher. In Koblenz trieb ein
wackerer Buchbinder nebenher den Bücherverkauf.

Noch war damals, bei den mangelhaften Verkehrswegen, bei der Höhe der
Fracht und der wundervollen Mannigfaltigkeit unsrer deutschen Vaterländer, die
alle nach Kräften Chausseeg^eit erhoben, der buchhcindlerifche Verkehr verhältni߬
mäßig gering. Zweimal im Jahr, mit der Regelmäßigkeit der Tag- und Nacht¬
gleiche, öffneten sich die Schleußen buchhändlerischer Thätigkeit und ergossen ihre
Verlagswerke über die wissensdurstige Menge. Der Verkehr zwischen den Buch¬
händlern war in der Regel noch Tauschverkehr; wenig ward in klingender


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/460>, abgerufen am 04.05.2024.