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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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von den geschichtlichen Ereignissen berührt wird, sonnen wir zuversichtlich von
letztern nur gedeihliche Folgen erwarten. Es geht ein frischerer Zug durch das
geistige Leben der Nation, es weht eine kräftigere Luft durch das deutsche Land,
welche auch auf sie und ihr ganzes Schaffen neubelebend wirken muß. Ob auch
jetzt schon manch kleines Hofpatronat und Mäcenatenthum, in dessen Schatten
oder an dessen Sonne Kleinkünstlerschaft behaglich gedieh, mit jenen Herrscher¬
sitzen von der deutschen Erde hinweggeweht ward, so ist der Verlust für die
rechte Kunst nur ein eingebildeter. Auch sie kann von der Concentration der
nationalen Kräfte in einem großen starken mächtigen Staatswesen durch das
gesteigerte Selbstgefühl, welches ein solches seinen Bürgern mittheilt, durch das
Zusammenfassen und die Bereicherung der künstlerischen Bildungsmittel in einem
Centralpunkt der nationalen Cultur, an Gesundheit, Tüchtigkeit und Großartigkeit
ihrer Entwicklung nur gewinnen. Welche Wunden auch der Krieg der Kunst
und den Künstlern geschlagen haben sollte -- die Folgen des Krieges
werden sie heilen und reichlich auch an ihnen vergüten.




Dioerots Leben von Rosenkranz.

Diderots Leben und Werke. Von Karl Rosenkranz. Zwei Bände. Leipzig, Brock¬
haus. 1866.

In dem Impuls, den es zur Förderung wahrhaft freier Wissenschaft dar¬
bietet, scheint uns das Hauptverdienst dieses nach vielen Richtungen hin bedeut¬
samen Buches zu liegen. Der ganze Muth eines freien Mannes und die ruhige
Besonnenheit des Philosophen gehört dazu, das Gemüth eines notorischen
Atheisten ohne Haß zu durchforschen und mit Klarheit Anderen zu erschließen.
Da aber das Interesse an der Lösung einer solchen Aufgabe ein so hohes und
allgemein menschliches ist, wissen wir es Herrn Rosenkranz aufrichtig Dank, daß
er sein Werk nicht zur blos cholerisch philosophischen Studie, sondern zu einer
im edelsten Sinne populären Monographie gestaltet hat, die bald als eine Zierde
unserer Nationalliteratur erkannt werden wird.

In der That, wenn nach Lichtenbergs treffendem Ausspruch es einem
eminent guten Buche immer so zu gehen pflegt, daß es die Guten besser, die
Schlechten schlechter macht und die Uebrigen läßt wie sie sind, so ist das vor-


von den geschichtlichen Ereignissen berührt wird, sonnen wir zuversichtlich von
letztern nur gedeihliche Folgen erwarten. Es geht ein frischerer Zug durch das
geistige Leben der Nation, es weht eine kräftigere Luft durch das deutsche Land,
welche auch auf sie und ihr ganzes Schaffen neubelebend wirken muß. Ob auch
jetzt schon manch kleines Hofpatronat und Mäcenatenthum, in dessen Schatten
oder an dessen Sonne Kleinkünstlerschaft behaglich gedieh, mit jenen Herrscher¬
sitzen von der deutschen Erde hinweggeweht ward, so ist der Verlust für die
rechte Kunst nur ein eingebildeter. Auch sie kann von der Concentration der
nationalen Kräfte in einem großen starken mächtigen Staatswesen durch das
gesteigerte Selbstgefühl, welches ein solches seinen Bürgern mittheilt, durch das
Zusammenfassen und die Bereicherung der künstlerischen Bildungsmittel in einem
Centralpunkt der nationalen Cultur, an Gesundheit, Tüchtigkeit und Großartigkeit
ihrer Entwicklung nur gewinnen. Welche Wunden auch der Krieg der Kunst
und den Künstlern geschlagen haben sollte — die Folgen des Krieges
werden sie heilen und reichlich auch an ihnen vergüten.




Dioerots Leben von Rosenkranz.

Diderots Leben und Werke. Von Karl Rosenkranz. Zwei Bände. Leipzig, Brock¬
haus. 1866.

In dem Impuls, den es zur Förderung wahrhaft freier Wissenschaft dar¬
bietet, scheint uns das Hauptverdienst dieses nach vielen Richtungen hin bedeut¬
samen Buches zu liegen. Der ganze Muth eines freien Mannes und die ruhige
Besonnenheit des Philosophen gehört dazu, das Gemüth eines notorischen
Atheisten ohne Haß zu durchforschen und mit Klarheit Anderen zu erschließen.
Da aber das Interesse an der Lösung einer solchen Aufgabe ein so hohes und
allgemein menschliches ist, wissen wir es Herrn Rosenkranz aufrichtig Dank, daß
er sein Werk nicht zur blos cholerisch philosophischen Studie, sondern zu einer
im edelsten Sinne populären Monographie gestaltet hat, die bald als eine Zierde
unserer Nationalliteratur erkannt werden wird.

In der That, wenn nach Lichtenbergs treffendem Ausspruch es einem
eminent guten Buche immer so zu gehen pflegt, daß es die Guten besser, die
Schlechten schlechter macht und die Uebrigen läßt wie sie sind, so ist das vor-


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[0536] von den geschichtlichen Ereignissen berührt wird, sonnen wir zuversichtlich von letztern nur gedeihliche Folgen erwarten. Es geht ein frischerer Zug durch das geistige Leben der Nation, es weht eine kräftigere Luft durch das deutsche Land, welche auch auf sie und ihr ganzes Schaffen neubelebend wirken muß. Ob auch jetzt schon manch kleines Hofpatronat und Mäcenatenthum, in dessen Schatten oder an dessen Sonne Kleinkünstlerschaft behaglich gedieh, mit jenen Herrscher¬ sitzen von der deutschen Erde hinweggeweht ward, so ist der Verlust für die rechte Kunst nur ein eingebildeter. Auch sie kann von der Concentration der nationalen Kräfte in einem großen starken mächtigen Staatswesen durch das gesteigerte Selbstgefühl, welches ein solches seinen Bürgern mittheilt, durch das Zusammenfassen und die Bereicherung der künstlerischen Bildungsmittel in einem Centralpunkt der nationalen Cultur, an Gesundheit, Tüchtigkeit und Großartigkeit ihrer Entwicklung nur gewinnen. Welche Wunden auch der Krieg der Kunst und den Künstlern geschlagen haben sollte — die Folgen des Krieges werden sie heilen und reichlich auch an ihnen vergüten. Dioerots Leben von Rosenkranz. Diderots Leben und Werke. Von Karl Rosenkranz. Zwei Bände. Leipzig, Brock¬ haus. 1866. In dem Impuls, den es zur Förderung wahrhaft freier Wissenschaft dar¬ bietet, scheint uns das Hauptverdienst dieses nach vielen Richtungen hin bedeut¬ samen Buches zu liegen. Der ganze Muth eines freien Mannes und die ruhige Besonnenheit des Philosophen gehört dazu, das Gemüth eines notorischen Atheisten ohne Haß zu durchforschen und mit Klarheit Anderen zu erschließen. Da aber das Interesse an der Lösung einer solchen Aufgabe ein so hohes und allgemein menschliches ist, wissen wir es Herrn Rosenkranz aufrichtig Dank, daß er sein Werk nicht zur blos cholerisch philosophischen Studie, sondern zu einer im edelsten Sinne populären Monographie gestaltet hat, die bald als eine Zierde unserer Nationalliteratur erkannt werden wird. In der That, wenn nach Lichtenbergs treffendem Ausspruch es einem eminent guten Buche immer so zu gehen pflegt, daß es die Guten besser, die Schlechten schlechter macht und die Uebrigen läßt wie sie sind, so ist das vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/536>, abgerufen am 05.05.2024.