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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Zwecke durch die illustrirten Zeitungen absorbirt würden. Was als einzelnes
Kunstblatt bis lang erschien, hat nur sehr mittelmäßigen Werth. Am leben¬
digsten sind noch immer die von Löscher und Petsch in Berlin photographirten
Schlacht- und Gefechtbilder von O. Günther (Berlin bei Linde). Viel gemachter
und unwahrer gezeichnet die photolithographisch von Korn reproducirten Blätter
von Jenny, die "böhmischen Marodeurs auf dem Schlachtfeld von Gitschin" an
der Spitze. Lüders fängt eben an, seine als Landwehrjäger bei Königgrätz
u. s. w. gemachten Erfahrungen in lithographirten Bildern zur allgemeinen
Anschauung zu bringen. Aber wenn man an die Mappen Burgers und Men-
zels denkt, so will das alles noch wenig sagen und bedeuten. Wir müssen die
Zeit abwarten, wo auch diese Schätze flüssig werden und die, wo die eigentliche
Kunst sich der großen Gegenstände bemächtigten wird, die lang ersehnt, ihr nun
in so überschwenglicher Fülle zugebracht sind. Das Material, dessen sie bedarf,
ist in hinreichender Menge für sie gesammelt. Daran haben sich seltsamer¬
weise die Photographen nicht, so wie man erwartet hätte, betheiligt. Auf¬
nahmen vom Schlachtfelde, vom Lager und Marsch, wie sie die Amerikaner
während ihres Bürgerkrieges in so großer Zahl, in so bewunderungswerther
und lehrreicher Weise geliefert haben, suchte ich bisher vergeblich. An Spe-
culationsgeist fehlt es doch diesen Herren Industriellen sonst nicht; man möchte
fast auf einen Mangel an Muth schließen, um dies Unterlassen zu erklären.
Gegenwärtig erst erscheint eine große Sammlung prächtiger photographischer
Blätter von Stichme in Berlin, Ansichten vom böhmischen Kriegsschauplatz.
Aber auch dieser Photograph ist viel zu spät gekommen, als die Spuren der
Kämpfe schon viel zu sehr verwischt waren, und zudem ist seine Auswahl gar
zu wenig von künstlerischem Geschmack und rechtem Tact für das Geeignete
geleitet gewesen, was die Objecte und besonders was die Standpunkte der Auf¬
nahme betrifft. Daß in der Masse nicht auch unbedingt vorzügliche Blätter
vorkämen, schließt das allgemeine Urtheil nicht aus. Ein Bild des Marsches
mit der "Evacuationscolonne" mit dem Lazareth-Hilfscorps der brcslauer
Studenten in weiter Gebirgs- und Waldlandschaft fiel mir unter den bisher
erschienenen durch eine seltne künstlerisch-Photographische allseitige Schönheit und
Vollendung auf. --

Aber nicht nur die Maler sind es, welche den Thaten des Heeres zu danken
haben werden. Auch die Bildhauer mögen sich bereiten: die nahe Zukunft
wird manche neue Heldenstatue, manches Denkmal jener Tage entstehen lassen,
und darin auch den jungen Talenten die künstlerischen "großen Zwecke" geben,
an denen ihre Kraft wachsen kann, wie die ihrer Meister sich an den noch von
den Freiheitskriegen in der Verherrlichung von Männern und Thaten gebotenen
so kräftig entfaltet hat.

Für unsere gesammte Kunst, auch wo ihre Richtung nicht so unmittelbar


Zwecke durch die illustrirten Zeitungen absorbirt würden. Was als einzelnes
Kunstblatt bis lang erschien, hat nur sehr mittelmäßigen Werth. Am leben¬
digsten sind noch immer die von Löscher und Petsch in Berlin photographirten
Schlacht- und Gefechtbilder von O. Günther (Berlin bei Linde). Viel gemachter
und unwahrer gezeichnet die photolithographisch von Korn reproducirten Blätter
von Jenny, die „böhmischen Marodeurs auf dem Schlachtfeld von Gitschin" an
der Spitze. Lüders fängt eben an, seine als Landwehrjäger bei Königgrätz
u. s. w. gemachten Erfahrungen in lithographirten Bildern zur allgemeinen
Anschauung zu bringen. Aber wenn man an die Mappen Burgers und Men-
zels denkt, so will das alles noch wenig sagen und bedeuten. Wir müssen die
Zeit abwarten, wo auch diese Schätze flüssig werden und die, wo die eigentliche
Kunst sich der großen Gegenstände bemächtigten wird, die lang ersehnt, ihr nun
in so überschwenglicher Fülle zugebracht sind. Das Material, dessen sie bedarf,
ist in hinreichender Menge für sie gesammelt. Daran haben sich seltsamer¬
weise die Photographen nicht, so wie man erwartet hätte, betheiligt. Auf¬
nahmen vom Schlachtfelde, vom Lager und Marsch, wie sie die Amerikaner
während ihres Bürgerkrieges in so großer Zahl, in so bewunderungswerther
und lehrreicher Weise geliefert haben, suchte ich bisher vergeblich. An Spe-
culationsgeist fehlt es doch diesen Herren Industriellen sonst nicht; man möchte
fast auf einen Mangel an Muth schließen, um dies Unterlassen zu erklären.
Gegenwärtig erst erscheint eine große Sammlung prächtiger photographischer
Blätter von Stichme in Berlin, Ansichten vom böhmischen Kriegsschauplatz.
Aber auch dieser Photograph ist viel zu spät gekommen, als die Spuren der
Kämpfe schon viel zu sehr verwischt waren, und zudem ist seine Auswahl gar
zu wenig von künstlerischem Geschmack und rechtem Tact für das Geeignete
geleitet gewesen, was die Objecte und besonders was die Standpunkte der Auf¬
nahme betrifft. Daß in der Masse nicht auch unbedingt vorzügliche Blätter
vorkämen, schließt das allgemeine Urtheil nicht aus. Ein Bild des Marsches
mit der „Evacuationscolonne" mit dem Lazareth-Hilfscorps der brcslauer
Studenten in weiter Gebirgs- und Waldlandschaft fiel mir unter den bisher
erschienenen durch eine seltne künstlerisch-Photographische allseitige Schönheit und
Vollendung auf. —

Aber nicht nur die Maler sind es, welche den Thaten des Heeres zu danken
haben werden. Auch die Bildhauer mögen sich bereiten: die nahe Zukunft
wird manche neue Heldenstatue, manches Denkmal jener Tage entstehen lassen,
und darin auch den jungen Talenten die künstlerischen „großen Zwecke" geben,
an denen ihre Kraft wachsen kann, wie die ihrer Meister sich an den noch von
den Freiheitskriegen in der Verherrlichung von Männern und Thaten gebotenen
so kräftig entfaltet hat.

Für unsere gesammte Kunst, auch wo ihre Richtung nicht so unmittelbar


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[0535] Zwecke durch die illustrirten Zeitungen absorbirt würden. Was als einzelnes Kunstblatt bis lang erschien, hat nur sehr mittelmäßigen Werth. Am leben¬ digsten sind noch immer die von Löscher und Petsch in Berlin photographirten Schlacht- und Gefechtbilder von O. Günther (Berlin bei Linde). Viel gemachter und unwahrer gezeichnet die photolithographisch von Korn reproducirten Blätter von Jenny, die „böhmischen Marodeurs auf dem Schlachtfeld von Gitschin" an der Spitze. Lüders fängt eben an, seine als Landwehrjäger bei Königgrätz u. s. w. gemachten Erfahrungen in lithographirten Bildern zur allgemeinen Anschauung zu bringen. Aber wenn man an die Mappen Burgers und Men- zels denkt, so will das alles noch wenig sagen und bedeuten. Wir müssen die Zeit abwarten, wo auch diese Schätze flüssig werden und die, wo die eigentliche Kunst sich der großen Gegenstände bemächtigten wird, die lang ersehnt, ihr nun in so überschwenglicher Fülle zugebracht sind. Das Material, dessen sie bedarf, ist in hinreichender Menge für sie gesammelt. Daran haben sich seltsamer¬ weise die Photographen nicht, so wie man erwartet hätte, betheiligt. Auf¬ nahmen vom Schlachtfelde, vom Lager und Marsch, wie sie die Amerikaner während ihres Bürgerkrieges in so großer Zahl, in so bewunderungswerther und lehrreicher Weise geliefert haben, suchte ich bisher vergeblich. An Spe- culationsgeist fehlt es doch diesen Herren Industriellen sonst nicht; man möchte fast auf einen Mangel an Muth schließen, um dies Unterlassen zu erklären. Gegenwärtig erst erscheint eine große Sammlung prächtiger photographischer Blätter von Stichme in Berlin, Ansichten vom böhmischen Kriegsschauplatz. Aber auch dieser Photograph ist viel zu spät gekommen, als die Spuren der Kämpfe schon viel zu sehr verwischt waren, und zudem ist seine Auswahl gar zu wenig von künstlerischem Geschmack und rechtem Tact für das Geeignete geleitet gewesen, was die Objecte und besonders was die Standpunkte der Auf¬ nahme betrifft. Daß in der Masse nicht auch unbedingt vorzügliche Blätter vorkämen, schließt das allgemeine Urtheil nicht aus. Ein Bild des Marsches mit der „Evacuationscolonne" mit dem Lazareth-Hilfscorps der brcslauer Studenten in weiter Gebirgs- und Waldlandschaft fiel mir unter den bisher erschienenen durch eine seltne künstlerisch-Photographische allseitige Schönheit und Vollendung auf. — Aber nicht nur die Maler sind es, welche den Thaten des Heeres zu danken haben werden. Auch die Bildhauer mögen sich bereiten: die nahe Zukunft wird manche neue Heldenstatue, manches Denkmal jener Tage entstehen lassen, und darin auch den jungen Talenten die künstlerischen „großen Zwecke" geben, an denen ihre Kraft wachsen kann, wie die ihrer Meister sich an den noch von den Freiheitskriegen in der Verherrlichung von Männern und Thaten gebotenen so kräftig entfaltet hat. Für unsere gesammte Kunst, auch wo ihre Richtung nicht so unmittelbar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/535>, abgerufen am 24.05.2024.