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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Nase anzusehen. Ihre Gesichter führen auf ihre Art den Beweis, daß unser Leben,
grade so wie es ist, der Poesie keineswegs entbehrt. Freilich ist es gewissermaßen
eine Poesie der Prosa, was uns hier begegnet, aber herzerquickende Munterkeit und
Unbefangenheit, Frische und Freimuth ergötzen und erheben uns -- nicht in eine
andere Welt, sondern zu der, die wir als Heimath unserer Heimath im Herzen
tragen. --

Vergessen wir nicht über der Freude an diesen liebenswürdigen Werken die
braven Hände, die sie durch den Holzschnitt zum Volksgut gemacht haben. Beide
sind fast von den nämlichen ausgeführt. Ganz besonders scheinen uns, abgesehen von
Bürkners eigenen Leistungen, die Blätter, welche Günthers und Ocrtcls Namen
tragen, Handwcise und Intention am besten zu treffen und dem Material am ent¬
sprechendsten wiederzugeben. --

Uns zweigetheilten Deutschen wird diesmal nicht auf gleichem Tische beschert.
Unwillkürlich treten wir vor jede Gabe dieses Jahres mit der Frage: gehört das
uns oder Euch? In unserem Falle ist die Antwort erspart; jeder Weihnachtstisch hat
ein neutrales Plätzchen, aus welchem, nicht allemal zur Zufriedenheit der Erwartenden,
gemeinschaftliches Eigenthum liegt; und die Spenden unserer Künstler gehören an
diese Stelle. Aber eine Anmerkung sei. dazu erlaubt. Richters Werke, so sehr sie
auch besonders süddeutsches Volksthum darstellen, sind weit mehr im Norden ver¬
breitet, wo er schafft; und in noch höherem Grade gilt das von Pietsch. Im Süden
wird äußerst wenig hervorgebracht, was in dieser Richtung als Tauschobject dienen
könnte. Das ist nicht erfreulich; denn grade der Verkehr mit solchen Schätzen des
Geschmackes und Herzens spinnt die festesten Fäden. Die schmollenden Brüder, die
jetzt von einander abgewandt je ihr eigenes Leben führen, würden in solcher Gegen¬
seitigkeit der Leistungen wie in einem Spiegel sich wieder in die Augen sehen lernen.
Im Norden fehlt es dazu weder am guten Willen, noch an entsprechenden Leistungen.
Süddeutsche Literatur und Kunst ist so willkommen und so populär bei uns wie
die eigene, und jeder Markt und jeder Leserkreis bei uns straft die abgeschmackte
Redensart Lügen, daß wir nicht in gleicher Weise gemüthvoll producirten oder daß
wir die Ablehnenden wären.




Literatur.
Deutsches Leben im Glauben. 1. Bremen, C. Ed. Müller.

Eine mehr mit Pracht als mit durchgehenden Geschmack ausgestattete Samm¬
lung frommer Sprüche und Lieder, der Bibel und der deutschen Literatur von
Luthers Zeit bis auf die Gegenwart entnommen, Pendant zu dem im gleichen Ver¬
lag erschienenen Werke: Deutsches Leben in Liedern. Jedem Capitel sind Farbendruck¬
blätter vorgesetzt, welche meist mendelssvhnsche Compositionen geistlicher Gesänge in


Nase anzusehen. Ihre Gesichter führen auf ihre Art den Beweis, daß unser Leben,
grade so wie es ist, der Poesie keineswegs entbehrt. Freilich ist es gewissermaßen
eine Poesie der Prosa, was uns hier begegnet, aber herzerquickende Munterkeit und
Unbefangenheit, Frische und Freimuth ergötzen und erheben uns — nicht in eine
andere Welt, sondern zu der, die wir als Heimath unserer Heimath im Herzen
tragen. —

Vergessen wir nicht über der Freude an diesen liebenswürdigen Werken die
braven Hände, die sie durch den Holzschnitt zum Volksgut gemacht haben. Beide
sind fast von den nämlichen ausgeführt. Ganz besonders scheinen uns, abgesehen von
Bürkners eigenen Leistungen, die Blätter, welche Günthers und Ocrtcls Namen
tragen, Handwcise und Intention am besten zu treffen und dem Material am ent¬
sprechendsten wiederzugeben. —

Uns zweigetheilten Deutschen wird diesmal nicht auf gleichem Tische beschert.
Unwillkürlich treten wir vor jede Gabe dieses Jahres mit der Frage: gehört das
uns oder Euch? In unserem Falle ist die Antwort erspart; jeder Weihnachtstisch hat
ein neutrales Plätzchen, aus welchem, nicht allemal zur Zufriedenheit der Erwartenden,
gemeinschaftliches Eigenthum liegt; und die Spenden unserer Künstler gehören an
diese Stelle. Aber eine Anmerkung sei. dazu erlaubt. Richters Werke, so sehr sie
auch besonders süddeutsches Volksthum darstellen, sind weit mehr im Norden ver¬
breitet, wo er schafft; und in noch höherem Grade gilt das von Pietsch. Im Süden
wird äußerst wenig hervorgebracht, was in dieser Richtung als Tauschobject dienen
könnte. Das ist nicht erfreulich; denn grade der Verkehr mit solchen Schätzen des
Geschmackes und Herzens spinnt die festesten Fäden. Die schmollenden Brüder, die
jetzt von einander abgewandt je ihr eigenes Leben führen, würden in solcher Gegen¬
seitigkeit der Leistungen wie in einem Spiegel sich wieder in die Augen sehen lernen.
Im Norden fehlt es dazu weder am guten Willen, noch an entsprechenden Leistungen.
Süddeutsche Literatur und Kunst ist so willkommen und so populär bei uns wie
die eigene, und jeder Markt und jeder Leserkreis bei uns straft die abgeschmackte
Redensart Lügen, daß wir nicht in gleicher Weise gemüthvoll producirten oder daß
wir die Ablehnenden wären.




Literatur.
Deutsches Leben im Glauben. 1. Bremen, C. Ed. Müller.

Eine mehr mit Pracht als mit durchgehenden Geschmack ausgestattete Samm¬
lung frommer Sprüche und Lieder, der Bibel und der deutschen Literatur von
Luthers Zeit bis auf die Gegenwart entnommen, Pendant zu dem im gleichen Ver¬
lag erschienenen Werke: Deutsches Leben in Liedern. Jedem Capitel sind Farbendruck¬
blätter vorgesetzt, welche meist mendelssvhnsche Compositionen geistlicher Gesänge in


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[0553] Nase anzusehen. Ihre Gesichter führen auf ihre Art den Beweis, daß unser Leben, grade so wie es ist, der Poesie keineswegs entbehrt. Freilich ist es gewissermaßen eine Poesie der Prosa, was uns hier begegnet, aber herzerquickende Munterkeit und Unbefangenheit, Frische und Freimuth ergötzen und erheben uns — nicht in eine andere Welt, sondern zu der, die wir als Heimath unserer Heimath im Herzen tragen. — Vergessen wir nicht über der Freude an diesen liebenswürdigen Werken die braven Hände, die sie durch den Holzschnitt zum Volksgut gemacht haben. Beide sind fast von den nämlichen ausgeführt. Ganz besonders scheinen uns, abgesehen von Bürkners eigenen Leistungen, die Blätter, welche Günthers und Ocrtcls Namen tragen, Handwcise und Intention am besten zu treffen und dem Material am ent¬ sprechendsten wiederzugeben. — Uns zweigetheilten Deutschen wird diesmal nicht auf gleichem Tische beschert. Unwillkürlich treten wir vor jede Gabe dieses Jahres mit der Frage: gehört das uns oder Euch? In unserem Falle ist die Antwort erspart; jeder Weihnachtstisch hat ein neutrales Plätzchen, aus welchem, nicht allemal zur Zufriedenheit der Erwartenden, gemeinschaftliches Eigenthum liegt; und die Spenden unserer Künstler gehören an diese Stelle. Aber eine Anmerkung sei. dazu erlaubt. Richters Werke, so sehr sie auch besonders süddeutsches Volksthum darstellen, sind weit mehr im Norden ver¬ breitet, wo er schafft; und in noch höherem Grade gilt das von Pietsch. Im Süden wird äußerst wenig hervorgebracht, was in dieser Richtung als Tauschobject dienen könnte. Das ist nicht erfreulich; denn grade der Verkehr mit solchen Schätzen des Geschmackes und Herzens spinnt die festesten Fäden. Die schmollenden Brüder, die jetzt von einander abgewandt je ihr eigenes Leben führen, würden in solcher Gegen¬ seitigkeit der Leistungen wie in einem Spiegel sich wieder in die Augen sehen lernen. Im Norden fehlt es dazu weder am guten Willen, noch an entsprechenden Leistungen. Süddeutsche Literatur und Kunst ist so willkommen und so populär bei uns wie die eigene, und jeder Markt und jeder Leserkreis bei uns straft die abgeschmackte Redensart Lügen, daß wir nicht in gleicher Weise gemüthvoll producirten oder daß wir die Ablehnenden wären. Literatur. Deutsches Leben im Glauben. 1. Bremen, C. Ed. Müller. Eine mehr mit Pracht als mit durchgehenden Geschmack ausgestattete Samm¬ lung frommer Sprüche und Lieder, der Bibel und der deutschen Literatur von Luthers Zeit bis auf die Gegenwart entnommen, Pendant zu dem im gleichen Ver¬ lag erschienenen Werke: Deutsches Leben in Liedern. Jedem Capitel sind Farbendruck¬ blätter vorgesetzt, welche meist mendelssvhnsche Compositionen geistlicher Gesänge in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/553>, abgerufen am 05.05.2024.