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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Wird, wie wir bereits neulich nachgewiesen haben, die panslawistiscke Gefahr da
bekämpft, wo sie am wenigsten zu fürchten ist. Wichtiger als alle Umtriebe in
Galizien, alle revolutionären Manifestationen des "Slowo", des "Bajan" und
der übrigen Organe des Nuthencnthums werden von der wiener Regierung die
kindischen Demonstrationen jener proger Studenten genommen, welche in Pe¬
tersburg um die Errichtung einer ' "panslawistischeii" Universität petitionirt
haben. Ob diejenigen, welche das Gespenst einer solchen umvörÄtÄS nicht litters,-
i-um, sondern linguarum fürchte", sich wohl ein deutliches Bild von der Be¬
schaffenheit desselben gemacht und die Frage vorgelebt haben, was Nußland
dazu bewegen sollte den Mittelpunkt der panslawistischcn Agitation nach Warschau
zu verlegen und den polnischen Unabhängigkeitsgelüsten die Möglichkeit zu bieten,
bei den übrigen slawischen Stämmen Propaganda zu Gunsten der königlichen
Republik zu machen und mit den revolutuniäien Elementen der gesammten
slawischen Welt Brüderschaft zu schließen? Es wäre nicht sowohl Oestreich, als,
Rußland selbst, dem aus einer warschauer Panslawistenuniversität Gefahren
erwachsen würden. Daß man sich nichtsdestoweniger in Wien gemäßigt gesehen
hat, gegen die prager Studenten, welche die Adresse wegen der slawischen Zu¬
kunftsuniversität nach Petersburg gesandt, strafrechtlich zu Verfahren, ist dem Ein¬
druck zuzuschreiben, den der moskauer Congreß den k. k. Staatsmännern den¬
noch gemacht hat.

So haben die abgelaufenen Juliwochen allenthalben die bereits vorhandene
Verwirrung der Verhältnisse und der Gemüther gesteigert und die Gegensätze
zugespitzt. Während man im deutschen Norden mißtrauisch über den Rhein
blickt und eines Ausbruchs der fianzöfischen Eifersucht gegen das aufstrebende
Preußen gewärtig ist, sind es in Wien vorzugsweise die Gefahren aus Osten, die
man zu fürchten Grund hat. Gleich blind gegen die Eventualitäten, die von
beiden Seiten hereinbrechen können, ist aber der große deutsche Particularismus,
der nicht müde wird, in Deutschland gegen Preußen zu wühlen und von Oest¬
reich, das all seine Kräfte zusammennehmen muß. um sich im Osten den Rücken
zu decken, das Heil für die kleinstaatlich deutsche Politik zu erwarten. Den
Souveränetätsgelüsten der einzelnen Fürsten und Stämme zu Liebe sollen die
beiden Großstädten der europäischen Mine ihren natürlichen Aufgaben entfremdet
werden! Ein Unterschied ist freilich da: während Oestreich die Reminiscenzen
seiner deutschen Rolle von ehemals nicht los werden kann, immer wieder nach
Westen herut'erschielt und deshalb keinem deutlich bezeichneten Ziele der Zukunft
nachgeht, weiß Preußen sehr genau, was es zu thun hat und geht es, trotz
mannigfacher Fehltritte im Einzelnen, doch den richtigen Weg. Wer ihm auf
diesem Wege nicht folgen will, der kommt schließlich doch nur in Wien ein.




Berichtigungen:

I" der vorigen Nummer S. 3"i, Z. 6 v, u. muß es statt: apostolischen, "nachapostoli-
schen", S. 9? statt: Friedenapostel, "Hcidcnapostel" heißen.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. HerViff. -- Druck von HKthel ä- Segler in Leipzig.

Wird, wie wir bereits neulich nachgewiesen haben, die panslawistiscke Gefahr da
bekämpft, wo sie am wenigsten zu fürchten ist. Wichtiger als alle Umtriebe in
Galizien, alle revolutionären Manifestationen des „Slowo", des „Bajan" und
der übrigen Organe des Nuthencnthums werden von der wiener Regierung die
kindischen Demonstrationen jener proger Studenten genommen, welche in Pe¬
tersburg um die Errichtung einer ' „panslawistischeii" Universität petitionirt
haben. Ob diejenigen, welche das Gespenst einer solchen umvörÄtÄS nicht litters,-
i-um, sondern linguarum fürchte», sich wohl ein deutliches Bild von der Be¬
schaffenheit desselben gemacht und die Frage vorgelebt haben, was Nußland
dazu bewegen sollte den Mittelpunkt der panslawistischcn Agitation nach Warschau
zu verlegen und den polnischen Unabhängigkeitsgelüsten die Möglichkeit zu bieten,
bei den übrigen slawischen Stämmen Propaganda zu Gunsten der königlichen
Republik zu machen und mit den revolutuniäien Elementen der gesammten
slawischen Welt Brüderschaft zu schließen? Es wäre nicht sowohl Oestreich, als,
Rußland selbst, dem aus einer warschauer Panslawistenuniversität Gefahren
erwachsen würden. Daß man sich nichtsdestoweniger in Wien gemäßigt gesehen
hat, gegen die prager Studenten, welche die Adresse wegen der slawischen Zu¬
kunftsuniversität nach Petersburg gesandt, strafrechtlich zu Verfahren, ist dem Ein¬
druck zuzuschreiben, den der moskauer Congreß den k. k. Staatsmännern den¬
noch gemacht hat.

So haben die abgelaufenen Juliwochen allenthalben die bereits vorhandene
Verwirrung der Verhältnisse und der Gemüther gesteigert und die Gegensätze
zugespitzt. Während man im deutschen Norden mißtrauisch über den Rhein
blickt und eines Ausbruchs der fianzöfischen Eifersucht gegen das aufstrebende
Preußen gewärtig ist, sind es in Wien vorzugsweise die Gefahren aus Osten, die
man zu fürchten Grund hat. Gleich blind gegen die Eventualitäten, die von
beiden Seiten hereinbrechen können, ist aber der große deutsche Particularismus,
der nicht müde wird, in Deutschland gegen Preußen zu wühlen und von Oest¬
reich, das all seine Kräfte zusammennehmen muß. um sich im Osten den Rücken
zu decken, das Heil für die kleinstaatlich deutsche Politik zu erwarten. Den
Souveränetätsgelüsten der einzelnen Fürsten und Stämme zu Liebe sollen die
beiden Großstädten der europäischen Mine ihren natürlichen Aufgaben entfremdet
werden! Ein Unterschied ist freilich da: während Oestreich die Reminiscenzen
seiner deutschen Rolle von ehemals nicht los werden kann, immer wieder nach
Westen herut'erschielt und deshalb keinem deutlich bezeichneten Ziele der Zukunft
nachgeht, weiß Preußen sehr genau, was es zu thun hat und geht es, trotz
mannigfacher Fehltritte im Einzelnen, doch den richtigen Weg. Wer ihm auf
diesem Wege nicht folgen will, der kommt schließlich doch nur in Wien ein.




Berichtigungen:

I» der vorigen Nummer S. 3«i, Z. 6 v, u. muß es statt: apostolischen, „nachapostoli-
schen", S. 9? statt: Friedenapostel, „Hcidcnapostel" heißen.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. HerViff. — Druck von HKthel ä- Segler in Leipzig.
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[0210] Wird, wie wir bereits neulich nachgewiesen haben, die panslawistiscke Gefahr da bekämpft, wo sie am wenigsten zu fürchten ist. Wichtiger als alle Umtriebe in Galizien, alle revolutionären Manifestationen des „Slowo", des „Bajan" und der übrigen Organe des Nuthencnthums werden von der wiener Regierung die kindischen Demonstrationen jener proger Studenten genommen, welche in Pe¬ tersburg um die Errichtung einer ' „panslawistischeii" Universität petitionirt haben. Ob diejenigen, welche das Gespenst einer solchen umvörÄtÄS nicht litters,- i-um, sondern linguarum fürchte», sich wohl ein deutliches Bild von der Be¬ schaffenheit desselben gemacht und die Frage vorgelebt haben, was Nußland dazu bewegen sollte den Mittelpunkt der panslawistischcn Agitation nach Warschau zu verlegen und den polnischen Unabhängigkeitsgelüsten die Möglichkeit zu bieten, bei den übrigen slawischen Stämmen Propaganda zu Gunsten der königlichen Republik zu machen und mit den revolutuniäien Elementen der gesammten slawischen Welt Brüderschaft zu schließen? Es wäre nicht sowohl Oestreich, als, Rußland selbst, dem aus einer warschauer Panslawistenuniversität Gefahren erwachsen würden. Daß man sich nichtsdestoweniger in Wien gemäßigt gesehen hat, gegen die prager Studenten, welche die Adresse wegen der slawischen Zu¬ kunftsuniversität nach Petersburg gesandt, strafrechtlich zu Verfahren, ist dem Ein¬ druck zuzuschreiben, den der moskauer Congreß den k. k. Staatsmännern den¬ noch gemacht hat. So haben die abgelaufenen Juliwochen allenthalben die bereits vorhandene Verwirrung der Verhältnisse und der Gemüther gesteigert und die Gegensätze zugespitzt. Während man im deutschen Norden mißtrauisch über den Rhein blickt und eines Ausbruchs der fianzöfischen Eifersucht gegen das aufstrebende Preußen gewärtig ist, sind es in Wien vorzugsweise die Gefahren aus Osten, die man zu fürchten Grund hat. Gleich blind gegen die Eventualitäten, die von beiden Seiten hereinbrechen können, ist aber der große deutsche Particularismus, der nicht müde wird, in Deutschland gegen Preußen zu wühlen und von Oest¬ reich, das all seine Kräfte zusammennehmen muß. um sich im Osten den Rücken zu decken, das Heil für die kleinstaatlich deutsche Politik zu erwarten. Den Souveränetätsgelüsten der einzelnen Fürsten und Stämme zu Liebe sollen die beiden Großstädten der europäischen Mine ihren natürlichen Aufgaben entfremdet werden! Ein Unterschied ist freilich da: während Oestreich die Reminiscenzen seiner deutschen Rolle von ehemals nicht los werden kann, immer wieder nach Westen herut'erschielt und deshalb keinem deutlich bezeichneten Ziele der Zukunft nachgeht, weiß Preußen sehr genau, was es zu thun hat und geht es, trotz mannigfacher Fehltritte im Einzelnen, doch den richtigen Weg. Wer ihm auf diesem Wege nicht folgen will, der kommt schließlich doch nur in Wien ein. Berichtigungen: I» der vorigen Nummer S. 3«i, Z. 6 v, u. muß es statt: apostolischen, „nachapostoli- schen", S. 9? statt: Friedenapostel, „Hcidcnapostel" heißen. Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. HerViff. — Druck von HKthel ä- Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/210>, abgerufen am 08.05.2024.