Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

deutsche an'einem politischen Haltepunkte angekommen und für das nächste halbe
Menschenalter ist ein neues Programm nicht nöthig. Nicht blos weil keine
Verfassung so inhaltsleer ist, daß es anders sein könnte, sondern vor allem
auch weil nicht durch den Kampf gegen die Mängel des neuen Gesetzes, sondern
nur durch seinen Ausbau erreicht werden kann, was einstweilen das Wichtigste
für Preußen und für Deutschland und die Voraussetzung für die Vollendung
des begonnenen Werkes ist: daß durch eine der Verfassung und dem Bedürfniß
Preußens angemessene innere Politik das alte Verhältniß zwischen Krone und
Volk dauernd wiederhergestellt werde.

Dazu, haben wir früher gesagt, ist die Negierungsfähigteit der liberalen
Parteien erforderlich. Heißt das nicht zu viel von der neuen Ordnung erwarten?
Die HH. zur Lippe, von Muster u. f. w. sind ja, nach der Versicherung des
Kleinstaatlers, für die Preußen jetzt ganz unbesiegbar geworden, wenn sie nicht
die Kleinstaatler zu Hilfe rufen. Wir meinen, daß auf dem neuen Weg selbst
in dieser kurzen Zeit schon etwas ganz Aehnliches und gleich Schwieriges, die
Hälfte des überhaupt zu Erstrebenden, geleistet worden ist. Die feudale Partei
hat zwar seit der Revolution fast ununterbrochen am Steuer gestanden, aber
für das preußische Volt ist sie eine dem Verfassungsstaat auferlegte und aufge¬
drängte, nicht in ihm heimische und ansässige gewesen. Erst die Thätigkeit der
Partei für Deutschland hat das geändert und jedermann die Bedeutung des
conservativen Elements auch für das constitutionelle Preußen klar gemacht. Um¬
gekehrt sind die liberalen Parteien für das Nächstliegende, den Ausbau der Ver¬
fassung, eigentlich berufen gewesen und haben doch ihre billigsten Ansprüche
acht durchzusetzen vermocht. Wir tonnen nicht hoffen auf dem neuen Weg un¬
ser Ziel mit gleich raschem Anlauf zu erreichen, aber wir sind nicht weniger ge¬
wiß, die liberalen Elemente des Staats auf demselben zu der seither vergebens
erstrebten Geltung und Anerkennung zu bringen.




Roseus Geschichte der Türkei.

Staatengeschichte der neuesten Zeit Bd. XI. u. XII. Leipzig bei S. Hirzel.

Seit Preußen und Deutschland in den Kreis der Mächte getreten sind, welche
du jedem politischen Problem ein entscheidendes Wort mitzureden haben, ist die
orientalische Frage bestimmt, auch in unserer Geschichte eine große Rolle zu
spielen, hat die Kunde von der Entwickelung "weit hinten in der Türkei"
für die Deutschen eine eminente praktische Bedeutung erlangt. Die Rücksicht
auf ihre bevorstehende Lösung übt auf die deutsche Politik unserer Nachbarn
einen Einfluß aus, der ununterbrochen im Zunehmen begriffen ist. Die Frage,


deutsche an'einem politischen Haltepunkte angekommen und für das nächste halbe
Menschenalter ist ein neues Programm nicht nöthig. Nicht blos weil keine
Verfassung so inhaltsleer ist, daß es anders sein könnte, sondern vor allem
auch weil nicht durch den Kampf gegen die Mängel des neuen Gesetzes, sondern
nur durch seinen Ausbau erreicht werden kann, was einstweilen das Wichtigste
für Preußen und für Deutschland und die Voraussetzung für die Vollendung
des begonnenen Werkes ist: daß durch eine der Verfassung und dem Bedürfniß
Preußens angemessene innere Politik das alte Verhältniß zwischen Krone und
Volk dauernd wiederhergestellt werde.

Dazu, haben wir früher gesagt, ist die Negierungsfähigteit der liberalen
Parteien erforderlich. Heißt das nicht zu viel von der neuen Ordnung erwarten?
Die HH. zur Lippe, von Muster u. f. w. sind ja, nach der Versicherung des
Kleinstaatlers, für die Preußen jetzt ganz unbesiegbar geworden, wenn sie nicht
die Kleinstaatler zu Hilfe rufen. Wir meinen, daß auf dem neuen Weg selbst
in dieser kurzen Zeit schon etwas ganz Aehnliches und gleich Schwieriges, die
Hälfte des überhaupt zu Erstrebenden, geleistet worden ist. Die feudale Partei
hat zwar seit der Revolution fast ununterbrochen am Steuer gestanden, aber
für das preußische Volt ist sie eine dem Verfassungsstaat auferlegte und aufge¬
drängte, nicht in ihm heimische und ansässige gewesen. Erst die Thätigkeit der
Partei für Deutschland hat das geändert und jedermann die Bedeutung des
conservativen Elements auch für das constitutionelle Preußen klar gemacht. Um¬
gekehrt sind die liberalen Parteien für das Nächstliegende, den Ausbau der Ver¬
fassung, eigentlich berufen gewesen und haben doch ihre billigsten Ansprüche
acht durchzusetzen vermocht. Wir tonnen nicht hoffen auf dem neuen Weg un¬
ser Ziel mit gleich raschem Anlauf zu erreichen, aber wir sind nicht weniger ge¬
wiß, die liberalen Elemente des Staats auf demselben zu der seither vergebens
erstrebten Geltung und Anerkennung zu bringen.




Roseus Geschichte der Türkei.

Staatengeschichte der neuesten Zeit Bd. XI. u. XII. Leipzig bei S. Hirzel.

Seit Preußen und Deutschland in den Kreis der Mächte getreten sind, welche
du jedem politischen Problem ein entscheidendes Wort mitzureden haben, ist die
orientalische Frage bestimmt, auch in unserer Geschichte eine große Rolle zu
spielen, hat die Kunde von der Entwickelung „weit hinten in der Türkei"
für die Deutschen eine eminente praktische Bedeutung erlangt. Die Rücksicht
auf ihre bevorstehende Lösung übt auf die deutsche Politik unserer Nachbarn
einen Einfluß aus, der ununterbrochen im Zunehmen begriffen ist. Die Frage,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191261"/>
          <p xml:id="ID_64" prev="#ID_63"> deutsche an'einem politischen Haltepunkte angekommen und für das nächste halbe<lb/>
Menschenalter ist ein neues Programm nicht nöthig. Nicht blos weil keine<lb/>
Verfassung so inhaltsleer ist, daß es anders sein könnte, sondern vor allem<lb/>
auch weil nicht durch den Kampf gegen die Mängel des neuen Gesetzes, sondern<lb/>
nur durch seinen Ausbau erreicht werden kann, was einstweilen das Wichtigste<lb/>
für Preußen und für Deutschland und die Voraussetzung für die Vollendung<lb/>
des begonnenen Werkes ist: daß durch eine der Verfassung und dem Bedürfniß<lb/>
Preußens angemessene innere Politik das alte Verhältniß zwischen Krone und<lb/>
Volk dauernd wiederhergestellt werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_65"> Dazu, haben wir früher gesagt, ist die Negierungsfähigteit der liberalen<lb/>
Parteien erforderlich. Heißt das nicht zu viel von der neuen Ordnung erwarten?<lb/>
Die HH. zur Lippe, von Muster u. f. w. sind ja, nach der Versicherung des<lb/>
Kleinstaatlers, für die Preußen jetzt ganz unbesiegbar geworden, wenn sie nicht<lb/>
die Kleinstaatler zu Hilfe rufen. Wir meinen, daß auf dem neuen Weg selbst<lb/>
in dieser kurzen Zeit schon etwas ganz Aehnliches und gleich Schwieriges, die<lb/>
Hälfte des überhaupt zu Erstrebenden, geleistet worden ist. Die feudale Partei<lb/>
hat zwar seit der Revolution fast ununterbrochen am Steuer gestanden, aber<lb/>
für das preußische Volt ist sie eine dem Verfassungsstaat auferlegte und aufge¬<lb/>
drängte, nicht in ihm heimische und ansässige gewesen. Erst die Thätigkeit der<lb/>
Partei für Deutschland hat das geändert und jedermann die Bedeutung des<lb/>
conservativen Elements auch für das constitutionelle Preußen klar gemacht. Um¬<lb/>
gekehrt sind die liberalen Parteien für das Nächstliegende, den Ausbau der Ver¬<lb/>
fassung, eigentlich berufen gewesen und haben doch ihre billigsten Ansprüche<lb/>
acht durchzusetzen vermocht. Wir tonnen nicht hoffen auf dem neuen Weg un¬<lb/>
ser Ziel mit gleich raschem Anlauf zu erreichen, aber wir sind nicht weniger ge¬<lb/>
wiß, die liberalen Elemente des Staats auf demselben zu der seither vergebens<lb/>
erstrebten Geltung und Anerkennung zu bringen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Roseus Geschichte der Türkei.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_66"> Staatengeschichte der neuesten Zeit Bd. XI. u. XII.  Leipzig bei S. Hirzel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_67" next="#ID_68"> Seit Preußen und Deutschland in den Kreis der Mächte getreten sind, welche<lb/>
du jedem politischen Problem ein entscheidendes Wort mitzureden haben, ist die<lb/>
orientalische Frage bestimmt, auch in unserer Geschichte eine große Rolle zu<lb/>
spielen, hat die Kunde von der Entwickelung &#x201E;weit hinten in der Türkei"<lb/>
für die Deutschen eine eminente praktische Bedeutung erlangt. Die Rücksicht<lb/>
auf ihre bevorstehende Lösung übt auf die deutsche Politik unserer Nachbarn<lb/>
einen Einfluß aus, der ununterbrochen im Zunehmen begriffen ist. Die Frage,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] deutsche an'einem politischen Haltepunkte angekommen und für das nächste halbe Menschenalter ist ein neues Programm nicht nöthig. Nicht blos weil keine Verfassung so inhaltsleer ist, daß es anders sein könnte, sondern vor allem auch weil nicht durch den Kampf gegen die Mängel des neuen Gesetzes, sondern nur durch seinen Ausbau erreicht werden kann, was einstweilen das Wichtigste für Preußen und für Deutschland und die Voraussetzung für die Vollendung des begonnenen Werkes ist: daß durch eine der Verfassung und dem Bedürfniß Preußens angemessene innere Politik das alte Verhältniß zwischen Krone und Volk dauernd wiederhergestellt werde. Dazu, haben wir früher gesagt, ist die Negierungsfähigteit der liberalen Parteien erforderlich. Heißt das nicht zu viel von der neuen Ordnung erwarten? Die HH. zur Lippe, von Muster u. f. w. sind ja, nach der Versicherung des Kleinstaatlers, für die Preußen jetzt ganz unbesiegbar geworden, wenn sie nicht die Kleinstaatler zu Hilfe rufen. Wir meinen, daß auf dem neuen Weg selbst in dieser kurzen Zeit schon etwas ganz Aehnliches und gleich Schwieriges, die Hälfte des überhaupt zu Erstrebenden, geleistet worden ist. Die feudale Partei hat zwar seit der Revolution fast ununterbrochen am Steuer gestanden, aber für das preußische Volt ist sie eine dem Verfassungsstaat auferlegte und aufge¬ drängte, nicht in ihm heimische und ansässige gewesen. Erst die Thätigkeit der Partei für Deutschland hat das geändert und jedermann die Bedeutung des conservativen Elements auch für das constitutionelle Preußen klar gemacht. Um¬ gekehrt sind die liberalen Parteien für das Nächstliegende, den Ausbau der Ver¬ fassung, eigentlich berufen gewesen und haben doch ihre billigsten Ansprüche acht durchzusetzen vermocht. Wir tonnen nicht hoffen auf dem neuen Weg un¬ ser Ziel mit gleich raschem Anlauf zu erreichen, aber wir sind nicht weniger ge¬ wiß, die liberalen Elemente des Staats auf demselben zu der seither vergebens erstrebten Geltung und Anerkennung zu bringen. Roseus Geschichte der Türkei. Staatengeschichte der neuesten Zeit Bd. XI. u. XII. Leipzig bei S. Hirzel. Seit Preußen und Deutschland in den Kreis der Mächte getreten sind, welche du jedem politischen Problem ein entscheidendes Wort mitzureden haben, ist die orientalische Frage bestimmt, auch in unserer Geschichte eine große Rolle zu spielen, hat die Kunde von der Entwickelung „weit hinten in der Türkei" für die Deutschen eine eminente praktische Bedeutung erlangt. Die Rücksicht auf ihre bevorstehende Lösung übt auf die deutsche Politik unserer Nachbarn einen Einfluß aus, der ununterbrochen im Zunehmen begriffen ist. Die Frage,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/31
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/31>, abgerufen am 09.05.2024.