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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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eines solchen einen Platz im Intelligenzblatt der A. L. Z. verweigert, und
darüber wollen nun die Herren Schlegels eine offene Fehde beginnen. Ich
weiß von Vieweg, daß sich Schlegel dort laut rühmt, sein Triumphbogen sei
von Goethe sehr gnädig ausgenommen worden. Kann wohl wahr sein. Aber
eben darum sollten Sie doch einige Notiz von dieser elendesten aller Miseren
nehmen. Kotzebue hat an Vulpius geschrieben, er möge der Behörde modifiziren,
daß er sich durchaus die Aufführung seiner Octavia hier verbitte, die Schiller
in Goethes Abwesenheit gewiß nicht aus den freundlichsten Absichten aufführen
ließ, ob man gleich im vorigen Jahre dem anonymen Verfasser das Möne. zu¬
rückgeschickt und geschrieben hatte, es tauge gar nicht zum Ausführen.

Vorigen Sonnabend ist das Geburtstagsstück der Tancred unter gewaltigen
Zuckungen der Backenmuskeln, die immer gähnen wollten und doch nicht durften,
ausgeführt worden. Man hatte die interessante Rolle der Amenaide der un¬
gelenken Caspers gegeben, weil die Mlle. Jagemann einigemal nicht bereit¬
willig genug war, den Launen Schillers und Goethes- zu fröhnen. Dadurch
fiel das Stück ganz.

Auch Vater Wieland ist Ihr treuer Freund und hat es Ursache. Er nennt
Sie wohl zuweilen im Scherz den teutschen Freron, aber auch das ist nicht
geschimpft.

Den elenden Brentano verdroß es, daß sein letztes Pasquill nirgends
genannt wurde. Nun hat er sich in einem neuen Product, wozu Wieland den
Schlegeln wahrscheinlich selbst mit Materialien lieferte, selbst mit pasquillirt.


Bleiben Sie mein Freund! Ich unwandelbar der Ihrige. Böttiger.
7

Weimar, den 29. April 1802.

Sie haben mir durch Ihren lieben Brief -- er wanderte wohl 14 Tage
-- wie immer Freude gemacht. Die gedruckten Briefe halte ich denn immer auch
mit an mich geschrieben und so geht unser Briefwechsel selbst dann seinen raschen
Gang fort, wenn er zu stocken scheint. Wenn ich Ihnen nur auch solche öffent¬
liche Briefe zuschreiben könnte. Dank Ihnen im Nahmen der Wahrbeit und
des Geschmacks für diesen fortgesetzten Kampf für beide. Ihre Beurtheilung
der Schillerschen Jungfrau hat hier selbst in den obersten Behörden die beste
Sensation gemacht, zumal da sie gleich mit Hr. Apels in Leipzig transscenden¬
talen Potenzenunsinn in der Allg. Lid. Z. über denselben Gegenstand zusam¬
mentraf. Wie wohl Ihre letzte Anzeige der herrlichen Adrastea Herders gethan
hat. beweise Ihnen beiliegendes sogleich zu kassirendcs Briefchen von der edeln
Frau, dergleichen ich noch nicht weiter gefunden habe.

Sie sind, wenn Sie dieß lesen, wahrscheinlich mit dem dreifach verdienten
Professordiplom (woran doch^ hoffentlich auch einige 100 Thaler gereiht sind)
Von Berlin zurückgekommen. Lassen Sie mich darüber und wie Sie es in


eines solchen einen Platz im Intelligenzblatt der A. L. Z. verweigert, und
darüber wollen nun die Herren Schlegels eine offene Fehde beginnen. Ich
weiß von Vieweg, daß sich Schlegel dort laut rühmt, sein Triumphbogen sei
von Goethe sehr gnädig ausgenommen worden. Kann wohl wahr sein. Aber
eben darum sollten Sie doch einige Notiz von dieser elendesten aller Miseren
nehmen. Kotzebue hat an Vulpius geschrieben, er möge der Behörde modifiziren,
daß er sich durchaus die Aufführung seiner Octavia hier verbitte, die Schiller
in Goethes Abwesenheit gewiß nicht aus den freundlichsten Absichten aufführen
ließ, ob man gleich im vorigen Jahre dem anonymen Verfasser das Möne. zu¬
rückgeschickt und geschrieben hatte, es tauge gar nicht zum Ausführen.

Vorigen Sonnabend ist das Geburtstagsstück der Tancred unter gewaltigen
Zuckungen der Backenmuskeln, die immer gähnen wollten und doch nicht durften,
ausgeführt worden. Man hatte die interessante Rolle der Amenaide der un¬
gelenken Caspers gegeben, weil die Mlle. Jagemann einigemal nicht bereit¬
willig genug war, den Launen Schillers und Goethes- zu fröhnen. Dadurch
fiel das Stück ganz.

Auch Vater Wieland ist Ihr treuer Freund und hat es Ursache. Er nennt
Sie wohl zuweilen im Scherz den teutschen Freron, aber auch das ist nicht
geschimpft.

Den elenden Brentano verdroß es, daß sein letztes Pasquill nirgends
genannt wurde. Nun hat er sich in einem neuen Product, wozu Wieland den
Schlegeln wahrscheinlich selbst mit Materialien lieferte, selbst mit pasquillirt.


Bleiben Sie mein Freund! Ich unwandelbar der Ihrige. Böttiger.
7

Weimar, den 29. April 1802.

Sie haben mir durch Ihren lieben Brief — er wanderte wohl 14 Tage
— wie immer Freude gemacht. Die gedruckten Briefe halte ich denn immer auch
mit an mich geschrieben und so geht unser Briefwechsel selbst dann seinen raschen
Gang fort, wenn er zu stocken scheint. Wenn ich Ihnen nur auch solche öffent¬
liche Briefe zuschreiben könnte. Dank Ihnen im Nahmen der Wahrbeit und
des Geschmacks für diesen fortgesetzten Kampf für beide. Ihre Beurtheilung
der Schillerschen Jungfrau hat hier selbst in den obersten Behörden die beste
Sensation gemacht, zumal da sie gleich mit Hr. Apels in Leipzig transscenden¬
talen Potenzenunsinn in der Allg. Lid. Z. über denselben Gegenstand zusam¬
mentraf. Wie wohl Ihre letzte Anzeige der herrlichen Adrastea Herders gethan
hat. beweise Ihnen beiliegendes sogleich zu kassirendcs Briefchen von der edeln
Frau, dergleichen ich noch nicht weiter gefunden habe.

Sie sind, wenn Sie dieß lesen, wahrscheinlich mit dem dreifach verdienten
Professordiplom (woran doch^ hoffentlich auch einige 100 Thaler gereiht sind)
Von Berlin zurückgekommen. Lassen Sie mich darüber und wie Sie es in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/444>, abgerufen am 08.05.2024.