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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Sie würde mir schlecht angestanden haben, wenn ich auch nur Wielands Wort¬
führer wäre.

Alle Welt, das heißt freilich nur die wenigen Menschen meines Berührungs¬
punktes, die Herzogin, Herders, Falk und natürlich vor allen Wieland sind von
jedem neuen Blatt Ihrer Briefe höchlich erbaut. Auch über den Aristipp haben
Sie treffende Ansichten und Bemerkungen aufgestellt. Und das ist wahrlich keine
kleine Aufgabe. Besonders freut sich Wieland darüber, daß Sie der Lat's so
gut das Prognostikon stellen, und die Haupttendenz des Werks so glücklich aus¬
sprechen. Er läßt Ihnen herzlich für alles das Gute und Schöne danken, ob
er gleich im Geist voraussieht, daß ihm dieß neue Kothbcspritzun^en von der
Clique zuziehen werde. So bald er es nur mit Schicklichkeit thun kann, wird
er selbst im Merkur einmal ein lautes Wort sagen, das Ihnen Freude machen
wird. Wie sehr Herder Ihre ganze Manier billigt, hat er Ihnen selbst gesagt.
Achten Sie nur ja nicht aus die Sie umkläffenden Bologneser. Ihre Briefe
werden durch ganz Teutschland gelesen werden, während jenes Gebell im nächsten
Gäßchen schon verhallt ist. So viel heute. Nächstens einen längeren und
sachvolleren Brief. Ich bleibe unwandelbar und auf jede Probe


IhrBöttiger.
6.

Weimar, den 2. Febr. 1801.

Unser ehrlicher Sander erhält jetzt nur wenig Neuigkeiten von mir, da
Loder sein Nouvellist geworden und mir meine Zeit knapper als jemals zu¬
gemessen ist. Wundern Sie sich also, mein alter, treuer Freund keineswegs,
wenn er Ihnen nicht mittheilt, was er selbst nicht hat.

Ihre Freunde werden Ihnen auch in Weimar gewiß nicht ungetreu.
Daß der edle Herder mit seiner ihm gleichen Gattin in ihren Gesinnungen
gegen Sie unveränderlich sind, darf ich Ihnen wohl nicht erst sagen. Natürlich
machte Ihre Blocksberg-Mfion gerade in dem Augenblick, wo Goethe mit dem
Tode rang, eine widrige Sensation, und Ihre wahre und in jedem Wort von
mir unterschriebene Recension vom Seckendorfischen Taschenbuch hat auch bei
der alten Herzogin nicht zum besten gewirkt, da besonders der eine Seckendorf
durch die Blessur, die er in einem Duell mir dem jungen Dumenoir in Bel-
vedere erhielt, und die ihn noch jetzt am Stock zu gehen nöthigt, ihn zu einer
pLl-soma, miserAbilis machte. Allein wie könnte dies auf Ihr Urtheil einen
Einfluß haben. Je weniger Sie schonen, desto weniger wird man Schonung
verlangen, desto gewisser werden alle InctepeuZimts membres von unserem
unsichtbaren, aber sehr zahlreichen literarischen Parlament auf Ihrer Seite seyn.

Wie werden Sie es mit dem Angriff des elenden ***** in Braunschweig
auf Kotzebue ballen? Man hat selbst der Ankündigung dieses ^Squills als


Grenzboten III. 18V7. 55

Sie würde mir schlecht angestanden haben, wenn ich auch nur Wielands Wort¬
führer wäre.

Alle Welt, das heißt freilich nur die wenigen Menschen meines Berührungs¬
punktes, die Herzogin, Herders, Falk und natürlich vor allen Wieland sind von
jedem neuen Blatt Ihrer Briefe höchlich erbaut. Auch über den Aristipp haben
Sie treffende Ansichten und Bemerkungen aufgestellt. Und das ist wahrlich keine
kleine Aufgabe. Besonders freut sich Wieland darüber, daß Sie der Lat's so
gut das Prognostikon stellen, und die Haupttendenz des Werks so glücklich aus¬
sprechen. Er läßt Ihnen herzlich für alles das Gute und Schöne danken, ob
er gleich im Geist voraussieht, daß ihm dieß neue Kothbcspritzun^en von der
Clique zuziehen werde. So bald er es nur mit Schicklichkeit thun kann, wird
er selbst im Merkur einmal ein lautes Wort sagen, das Ihnen Freude machen
wird. Wie sehr Herder Ihre ganze Manier billigt, hat er Ihnen selbst gesagt.
Achten Sie nur ja nicht aus die Sie umkläffenden Bologneser. Ihre Briefe
werden durch ganz Teutschland gelesen werden, während jenes Gebell im nächsten
Gäßchen schon verhallt ist. So viel heute. Nächstens einen längeren und
sachvolleren Brief. Ich bleibe unwandelbar und auf jede Probe


IhrBöttiger.
6.

Weimar, den 2. Febr. 1801.

Unser ehrlicher Sander erhält jetzt nur wenig Neuigkeiten von mir, da
Loder sein Nouvellist geworden und mir meine Zeit knapper als jemals zu¬
gemessen ist. Wundern Sie sich also, mein alter, treuer Freund keineswegs,
wenn er Ihnen nicht mittheilt, was er selbst nicht hat.

Ihre Freunde werden Ihnen auch in Weimar gewiß nicht ungetreu.
Daß der edle Herder mit seiner ihm gleichen Gattin in ihren Gesinnungen
gegen Sie unveränderlich sind, darf ich Ihnen wohl nicht erst sagen. Natürlich
machte Ihre Blocksberg-Mfion gerade in dem Augenblick, wo Goethe mit dem
Tode rang, eine widrige Sensation, und Ihre wahre und in jedem Wort von
mir unterschriebene Recension vom Seckendorfischen Taschenbuch hat auch bei
der alten Herzogin nicht zum besten gewirkt, da besonders der eine Seckendorf
durch die Blessur, die er in einem Duell mir dem jungen Dumenoir in Bel-
vedere erhielt, und die ihn noch jetzt am Stock zu gehen nöthigt, ihn zu einer
pLl-soma, miserAbilis machte. Allein wie könnte dies auf Ihr Urtheil einen
Einfluß haben. Je weniger Sie schonen, desto weniger wird man Schonung
verlangen, desto gewisser werden alle InctepeuZimts membres von unserem
unsichtbaren, aber sehr zahlreichen literarischen Parlament auf Ihrer Seite seyn.

Wie werden Sie es mit dem Angriff des elenden ***** in Braunschweig
auf Kotzebue ballen? Man hat selbst der Ankündigung dieses ^Squills als


Grenzboten III. 18V7. 55
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[0443] Sie würde mir schlecht angestanden haben, wenn ich auch nur Wielands Wort¬ führer wäre. Alle Welt, das heißt freilich nur die wenigen Menschen meines Berührungs¬ punktes, die Herzogin, Herders, Falk und natürlich vor allen Wieland sind von jedem neuen Blatt Ihrer Briefe höchlich erbaut. Auch über den Aristipp haben Sie treffende Ansichten und Bemerkungen aufgestellt. Und das ist wahrlich keine kleine Aufgabe. Besonders freut sich Wieland darüber, daß Sie der Lat's so gut das Prognostikon stellen, und die Haupttendenz des Werks so glücklich aus¬ sprechen. Er läßt Ihnen herzlich für alles das Gute und Schöne danken, ob er gleich im Geist voraussieht, daß ihm dieß neue Kothbcspritzun^en von der Clique zuziehen werde. So bald er es nur mit Schicklichkeit thun kann, wird er selbst im Merkur einmal ein lautes Wort sagen, das Ihnen Freude machen wird. Wie sehr Herder Ihre ganze Manier billigt, hat er Ihnen selbst gesagt. Achten Sie nur ja nicht aus die Sie umkläffenden Bologneser. Ihre Briefe werden durch ganz Teutschland gelesen werden, während jenes Gebell im nächsten Gäßchen schon verhallt ist. So viel heute. Nächstens einen längeren und sachvolleren Brief. Ich bleibe unwandelbar und auf jede Probe IhrBöttiger. 6. Weimar, den 2. Febr. 1801. Unser ehrlicher Sander erhält jetzt nur wenig Neuigkeiten von mir, da Loder sein Nouvellist geworden und mir meine Zeit knapper als jemals zu¬ gemessen ist. Wundern Sie sich also, mein alter, treuer Freund keineswegs, wenn er Ihnen nicht mittheilt, was er selbst nicht hat. Ihre Freunde werden Ihnen auch in Weimar gewiß nicht ungetreu. Daß der edle Herder mit seiner ihm gleichen Gattin in ihren Gesinnungen gegen Sie unveränderlich sind, darf ich Ihnen wohl nicht erst sagen. Natürlich machte Ihre Blocksberg-Mfion gerade in dem Augenblick, wo Goethe mit dem Tode rang, eine widrige Sensation, und Ihre wahre und in jedem Wort von mir unterschriebene Recension vom Seckendorfischen Taschenbuch hat auch bei der alten Herzogin nicht zum besten gewirkt, da besonders der eine Seckendorf durch die Blessur, die er in einem Duell mir dem jungen Dumenoir in Bel- vedere erhielt, und die ihn noch jetzt am Stock zu gehen nöthigt, ihn zu einer pLl-soma, miserAbilis machte. Allein wie könnte dies auf Ihr Urtheil einen Einfluß haben. Je weniger Sie schonen, desto weniger wird man Schonung verlangen, desto gewisser werden alle InctepeuZimts membres von unserem unsichtbaren, aber sehr zahlreichen literarischen Parlament auf Ihrer Seite seyn. Wie werden Sie es mit dem Angriff des elenden ***** in Braunschweig auf Kotzebue ballen? Man hat selbst der Ankündigung dieses ^Squills als Grenzboten III. 18V7. 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/443>, abgerufen am 19.05.2024.