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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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liebe Auferstehung heute noch nicht möglich erscheint -- dann wird, wie wir
die Dinge ansehen, der Frieden aufrecht erhalten bleiben. Im entgegengesetzten
Falle kann es den Franzosen nicht erspart bleiben, durch einen blutigen Bankerott
der überkommenen Zustände hindurchzugehen, ehe sie an das andere User, und die
Segnungen eines auf sittlicher Grundlage ruhenden freien Staatswesens ge¬
langen und durch die Waffen des von ihnen angegriffenen deutschen Volks dar¬
über belehrt werden "was sie mit sich selbst anzufangen haben." Für Deutsch¬
land würde diese Eventualität die beschleunigte Erreichung des Ziels bedeuten,
aus welches unsere Nation ein mal unaufhaltsam lossteuert.




Briefe vom Reichstag.

^
III.

Gegen achtzig Männer nennt die Fraction der Nationalliberalen
die Ihren. Von der ersten Bank des linken Centrums nach der Tiefe des
Hauses gerechnet füllt ihre compacte Phalanx das ganze linke Centrum bis
an das sächsische Idiom der Bundesstaatl.-Constitutionellen und der up ewig un-
gedeckten Augustenburgerei der Schleswig-Holsteiner. Und da sich weiter vorn
schon die zersträuten Häupter der freien! Vereinigung zwischen die Nationallibe¬
ralen schieben, wie in einer ordentlichen Gebirgslandschaft die starren freien
Gletscher in das wechselnde Grün, so haben sich dafür die Nationalliberalen
auch auf dem rechten Centrum noch ungefähr zwanzig Sitze vorbehalten. Es
ist ein wohlthuendes und sun unsere parlamentarische Zukunft beruhigendes
Gefühl, sich sagen zu können, daß hier ausnahmsweise die der Anzahl nach
weitaus stärkste Partei nicht die Vertreterin behäbiger Mittelmäßigkeit ist, son¬
dern eine sehr große Zahl bedeutender Talente, mächtiger Redner, staatsmännisch-
klarblickender und durch jahrelangen parlamentarischen Kampf in allen Theilen
Norddeutschlands geschulter Köpfe besitzt. -- Gewiß haben Sie oft schon die
alten guten Schlachtenbilder Merians in seinen Chroniken gesehen, wo die
Mannen des Schwedenkrieges in viereckigen Haufen um ihr Fähnlein stehn
und todesmuthig den kaiserlichen Kanonen ins Auge schauen, die der Griffel
des Künstlers unperspectivisch vor ihrer Nase aufgefahren hat. Da stehen die


liebe Auferstehung heute noch nicht möglich erscheint — dann wird, wie wir
die Dinge ansehen, der Frieden aufrecht erhalten bleiben. Im entgegengesetzten
Falle kann es den Franzosen nicht erspart bleiben, durch einen blutigen Bankerott
der überkommenen Zustände hindurchzugehen, ehe sie an das andere User, und die
Segnungen eines auf sittlicher Grundlage ruhenden freien Staatswesens ge¬
langen und durch die Waffen des von ihnen angegriffenen deutschen Volks dar¬
über belehrt werden „was sie mit sich selbst anzufangen haben." Für Deutsch¬
land würde diese Eventualität die beschleunigte Erreichung des Ziels bedeuten,
aus welches unsere Nation ein mal unaufhaltsam lossteuert.




Briefe vom Reichstag.

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III.

Gegen achtzig Männer nennt die Fraction der Nationalliberalen
die Ihren. Von der ersten Bank des linken Centrums nach der Tiefe des
Hauses gerechnet füllt ihre compacte Phalanx das ganze linke Centrum bis
an das sächsische Idiom der Bundesstaatl.-Constitutionellen und der up ewig un-
gedeckten Augustenburgerei der Schleswig-Holsteiner. Und da sich weiter vorn
schon die zersträuten Häupter der freien! Vereinigung zwischen die Nationallibe¬
ralen schieben, wie in einer ordentlichen Gebirgslandschaft die starren freien
Gletscher in das wechselnde Grün, so haben sich dafür die Nationalliberalen
auch auf dem rechten Centrum noch ungefähr zwanzig Sitze vorbehalten. Es
ist ein wohlthuendes und sun unsere parlamentarische Zukunft beruhigendes
Gefühl, sich sagen zu können, daß hier ausnahmsweise die der Anzahl nach
weitaus stärkste Partei nicht die Vertreterin behäbiger Mittelmäßigkeit ist, son¬
dern eine sehr große Zahl bedeutender Talente, mächtiger Redner, staatsmännisch-
klarblickender und durch jahrelangen parlamentarischen Kampf in allen Theilen
Norddeutschlands geschulter Köpfe besitzt. — Gewiß haben Sie oft schon die
alten guten Schlachtenbilder Merians in seinen Chroniken gesehen, wo die
Mannen des Schwedenkrieges in viereckigen Haufen um ihr Fähnlein stehn
und todesmuthig den kaiserlichen Kanonen ins Auge schauen, die der Griffel
des Künstlers unperspectivisch vor ihrer Nase aufgefahren hat. Da stehen die


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[0164] liebe Auferstehung heute noch nicht möglich erscheint — dann wird, wie wir die Dinge ansehen, der Frieden aufrecht erhalten bleiben. Im entgegengesetzten Falle kann es den Franzosen nicht erspart bleiben, durch einen blutigen Bankerott der überkommenen Zustände hindurchzugehen, ehe sie an das andere User, und die Segnungen eines auf sittlicher Grundlage ruhenden freien Staatswesens ge¬ langen und durch die Waffen des von ihnen angegriffenen deutschen Volks dar¬ über belehrt werden „was sie mit sich selbst anzufangen haben." Für Deutsch¬ land würde diese Eventualität die beschleunigte Erreichung des Ziels bedeuten, aus welches unsere Nation ein mal unaufhaltsam lossteuert. Briefe vom Reichstag. ^ III. Gegen achtzig Männer nennt die Fraction der Nationalliberalen die Ihren. Von der ersten Bank des linken Centrums nach der Tiefe des Hauses gerechnet füllt ihre compacte Phalanx das ganze linke Centrum bis an das sächsische Idiom der Bundesstaatl.-Constitutionellen und der up ewig un- gedeckten Augustenburgerei der Schleswig-Holsteiner. Und da sich weiter vorn schon die zersträuten Häupter der freien! Vereinigung zwischen die Nationallibe¬ ralen schieben, wie in einer ordentlichen Gebirgslandschaft die starren freien Gletscher in das wechselnde Grün, so haben sich dafür die Nationalliberalen auch auf dem rechten Centrum noch ungefähr zwanzig Sitze vorbehalten. Es ist ein wohlthuendes und sun unsere parlamentarische Zukunft beruhigendes Gefühl, sich sagen zu können, daß hier ausnahmsweise die der Anzahl nach weitaus stärkste Partei nicht die Vertreterin behäbiger Mittelmäßigkeit ist, son¬ dern eine sehr große Zahl bedeutender Talente, mächtiger Redner, staatsmännisch- klarblickender und durch jahrelangen parlamentarischen Kampf in allen Theilen Norddeutschlands geschulter Köpfe besitzt. — Gewiß haben Sie oft schon die alten guten Schlachtenbilder Merians in seinen Chroniken gesehen, wo die Mannen des Schwedenkrieges in viereckigen Haufen um ihr Fähnlein stehn und todesmuthig den kaiserlichen Kanonen ins Auge schauen, die der Griffel des Künstlers unperspectivisch vor ihrer Nase aufgefahren hat. Da stehen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/164>, abgerufen am 26.04.2024.