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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Der Tod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen.
Zum Gedächtniß des 10. Oktober.

Wir theilen auf den folgenden Blättern eine Aufzeichnung über den Tod
des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen mit, welche, wie uns scheint,
neben den bisher bekannten Berichten eine besondere Bedeutung beanspruchen
darf. Sie bringt Einzelnheiten bei, die wohl geeignet sind, das absichtlich und
absichtslos nach allen Richtungen gezogene Urtheil über jenes unglückliche Ereig-
niß endlich sicher zu stellen.

Wie sehr die Berichte über das Ende des Prinzen von einander abwi¬
chen, mußte jedem auffallen, der einmal Veranlassung hatte, sich mit der Ka¬
tastrophe von Saalfeld eingehend zu beschäftigen. Weder die Art des Todes,
noch die nächsten Umstände, die ihn herbeiführten, waren zweifellos beglaubigt.
Alsbald nach dem Gefechte verbreitete sich, besonders unter den beteiligten
Sachsen, die Meinung, der Prinz habe den Tod gesucht; specieller erzähl'
ten die ersten preußischen Berichte, der Tod sei ihm durch eine Kugel geworden.
Dann wieder behauptete Massenbach in seinen Denkwürdigkeiten, der Prinz sei
den Tod der Verzweiflung gestorben, und der Verfasser der angeblich aus dem
Französischen übersetzten "Gallerie preußischer Charaktere" findet dies sehr
Wahrscheinlich in der Erwägung, "mit welchen traurigen Gefühlen der Prinz
von seinen vertrautesten Freunden Abschied genommen hatte, und wie sehr er durch
seine ganze Lage im Leben zur Beschleunigung seines Schicksals gedrängt wind.'."
Der nämlichen Behauptung, mehr oder minder aus dem Leben und dem Cha-
rakter des Prinzen motivirt, begegnen wir bei den meisten französischen Schrift¬
stellern (Pascal in seiner Geschichte der französischen Armee spricht von einem
exoös ete tönieritv <ze cle äesospoir) und bei vielen deutschen.

Ganz im Gegensatz dazu kam die Erzählung auf, daß der Prinz, als ihm
mislungen war, seine flüchtigen Schwadronen wieder zum Stehen zu bringen,


Grenzboten IV. 1867. 11
Der Tod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen.
Zum Gedächtniß des 10. Oktober.

Wir theilen auf den folgenden Blättern eine Aufzeichnung über den Tod
des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen mit, welche, wie uns scheint,
neben den bisher bekannten Berichten eine besondere Bedeutung beanspruchen
darf. Sie bringt Einzelnheiten bei, die wohl geeignet sind, das absichtlich und
absichtslos nach allen Richtungen gezogene Urtheil über jenes unglückliche Ereig-
niß endlich sicher zu stellen.

Wie sehr die Berichte über das Ende des Prinzen von einander abwi¬
chen, mußte jedem auffallen, der einmal Veranlassung hatte, sich mit der Ka¬
tastrophe von Saalfeld eingehend zu beschäftigen. Weder die Art des Todes,
noch die nächsten Umstände, die ihn herbeiführten, waren zweifellos beglaubigt.
Alsbald nach dem Gefechte verbreitete sich, besonders unter den beteiligten
Sachsen, die Meinung, der Prinz habe den Tod gesucht; specieller erzähl'
ten die ersten preußischen Berichte, der Tod sei ihm durch eine Kugel geworden.
Dann wieder behauptete Massenbach in seinen Denkwürdigkeiten, der Prinz sei
den Tod der Verzweiflung gestorben, und der Verfasser der angeblich aus dem
Französischen übersetzten „Gallerie preußischer Charaktere" findet dies sehr
Wahrscheinlich in der Erwägung, „mit welchen traurigen Gefühlen der Prinz
von seinen vertrautesten Freunden Abschied genommen hatte, und wie sehr er durch
seine ganze Lage im Leben zur Beschleunigung seines Schicksals gedrängt wind.'."
Der nämlichen Behauptung, mehr oder minder aus dem Leben und dem Cha-
rakter des Prinzen motivirt, begegnen wir bei den meisten französischen Schrift¬
stellern (Pascal in seiner Geschichte der französischen Armee spricht von einem
exoös ete tönieritv <ze cle äesospoir) und bei vielen deutschen.

Ganz im Gegensatz dazu kam die Erzählung auf, daß der Prinz, als ihm
mislungen war, seine flüchtigen Schwadronen wieder zum Stehen zu bringen,


Grenzboten IV. 1867. 11
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[0085] Der Tod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Zum Gedächtniß des 10. Oktober. Wir theilen auf den folgenden Blättern eine Aufzeichnung über den Tod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen mit, welche, wie uns scheint, neben den bisher bekannten Berichten eine besondere Bedeutung beanspruchen darf. Sie bringt Einzelnheiten bei, die wohl geeignet sind, das absichtlich und absichtslos nach allen Richtungen gezogene Urtheil über jenes unglückliche Ereig- niß endlich sicher zu stellen. Wie sehr die Berichte über das Ende des Prinzen von einander abwi¬ chen, mußte jedem auffallen, der einmal Veranlassung hatte, sich mit der Ka¬ tastrophe von Saalfeld eingehend zu beschäftigen. Weder die Art des Todes, noch die nächsten Umstände, die ihn herbeiführten, waren zweifellos beglaubigt. Alsbald nach dem Gefechte verbreitete sich, besonders unter den beteiligten Sachsen, die Meinung, der Prinz habe den Tod gesucht; specieller erzähl' ten die ersten preußischen Berichte, der Tod sei ihm durch eine Kugel geworden. Dann wieder behauptete Massenbach in seinen Denkwürdigkeiten, der Prinz sei den Tod der Verzweiflung gestorben, und der Verfasser der angeblich aus dem Französischen übersetzten „Gallerie preußischer Charaktere" findet dies sehr Wahrscheinlich in der Erwägung, „mit welchen traurigen Gefühlen der Prinz von seinen vertrautesten Freunden Abschied genommen hatte, und wie sehr er durch seine ganze Lage im Leben zur Beschleunigung seines Schicksals gedrängt wind.'." Der nämlichen Behauptung, mehr oder minder aus dem Leben und dem Cha- rakter des Prinzen motivirt, begegnen wir bei den meisten französischen Schrift¬ stellern (Pascal in seiner Geschichte der französischen Armee spricht von einem exoös ete tönieritv <ze cle äesospoir) und bei vielen deutschen. Ganz im Gegensatz dazu kam die Erzählung auf, daß der Prinz, als ihm mislungen war, seine flüchtigen Schwadronen wieder zum Stehen zu bringen, Grenzboten IV. 1867. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/85>, abgerufen am 26.04.2024.