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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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längst verlassen hatte. Zieht man ihm die Maske ab, so enthüllt sich seine
frivole Natur in den Worten: "In Zeiten wie die unsrigen kenne ich nur zwei
Mittel, dem Geiste Heiterkeit und dem Herzen die gehörige Spannkraft zu
bewahren: eine lebendige und tiefe Religiosität -- oder eine passionirte Liebe
zu einem irdischen Gegenstande. Da ich nicht unter die Ausgewählten ge¬
höre, denen jene verliehen ist, so muß ich mich an diese halten, und ich kann
mit Wahrheit sagen, daß sie mir bisher unvergleichlich gedient hat."

So elend war eine so reiche Natur durch den constanten Mißbrauch ihrer
Talente geworden! Mag auch die Fäulniß der politischen Welt, in welcher
er lebte und wirkte, ihn um so schneller verdorben haben. Er hatte doch zu
Anfang seiner Laufbahn gezeigt, wie hoch er seine Zeit überschauen, wie
treffend er ihre Krankheit und die Mittel zur Heilung nennen konnte. Aber
er selbst war in dies Getriebe versunken und hatte mit all seinen bewunderns-
werthen Geisteskräften die Verfechtung einer furchtsamen und gehaltloser
Politik übernommen. Es ist ein verlorenes Dasein gewesen. Und dahin hat
ihn der Mangel an sittlichem Willen gebracht.


Theodor Toeche.


Das deutsche Seeleuchtwesen.

Ein Leuchtthurm ist auch im Binnenlande jedermann von Jugend her
ein bekanntes Ding und ein Gegenstand, welchem sich die Phantasie mit
Vorliebe zuwendet, besonders in stürmisch kalten Winternächten, wenn die
brandenden Wogen ihren Gischt bis zu den Fenstern der Wärterwohnung
hinaufspritzen. Dagegen werden manche deutsche Zeitungsleser A>ohl zum
erstenmal von einem Leuchtschiffe gehört haben, als neulich von Berlin her
gemeldet wurde, daß ein solches, unheimlich schwarz angestrichen, in der Mün¬
dung der Eider ausgelegt sei. Was der Thurm vor dem Schiffe an herge¬
brachter Poesie und Romantik voraus haben mag, das gleicht sich aus durch
die noch größere Unbehaglichkeit der Existenz auf einem Fahrzeuge, das mitten
in einer mächtigen Strömung festgeankert liegt und seine Position zu be¬
haupten nie stärker verpflichtet ist, als gerade wenn Sturm und Wogendrang
es bedrängen.

Mit dem Feuerschiff in der Eidermündung ist übrigens das deutsche
Veleuchtungswesen keineswegs abgeschlossen. Es gjbt noch zahlreiche und
sehr empfindliche Lücken in der Beleuchtung unseres Nord- und Ostseestrandes,
auch wenn man nicht den Maßstab des französischen Grundsatzes anlegen
will: jeden Fleck der Küstengewässer unter Licht zu bringen. -- sondern nach


längst verlassen hatte. Zieht man ihm die Maske ab, so enthüllt sich seine
frivole Natur in den Worten: „In Zeiten wie die unsrigen kenne ich nur zwei
Mittel, dem Geiste Heiterkeit und dem Herzen die gehörige Spannkraft zu
bewahren: eine lebendige und tiefe Religiosität — oder eine passionirte Liebe
zu einem irdischen Gegenstande. Da ich nicht unter die Ausgewählten ge¬
höre, denen jene verliehen ist, so muß ich mich an diese halten, und ich kann
mit Wahrheit sagen, daß sie mir bisher unvergleichlich gedient hat."

So elend war eine so reiche Natur durch den constanten Mißbrauch ihrer
Talente geworden! Mag auch die Fäulniß der politischen Welt, in welcher
er lebte und wirkte, ihn um so schneller verdorben haben. Er hatte doch zu
Anfang seiner Laufbahn gezeigt, wie hoch er seine Zeit überschauen, wie
treffend er ihre Krankheit und die Mittel zur Heilung nennen konnte. Aber
er selbst war in dies Getriebe versunken und hatte mit all seinen bewunderns-
werthen Geisteskräften die Verfechtung einer furchtsamen und gehaltloser
Politik übernommen. Es ist ein verlorenes Dasein gewesen. Und dahin hat
ihn der Mangel an sittlichem Willen gebracht.


Theodor Toeche.


Das deutsche Seeleuchtwesen.

Ein Leuchtthurm ist auch im Binnenlande jedermann von Jugend her
ein bekanntes Ding und ein Gegenstand, welchem sich die Phantasie mit
Vorliebe zuwendet, besonders in stürmisch kalten Winternächten, wenn die
brandenden Wogen ihren Gischt bis zu den Fenstern der Wärterwohnung
hinaufspritzen. Dagegen werden manche deutsche Zeitungsleser A>ohl zum
erstenmal von einem Leuchtschiffe gehört haben, als neulich von Berlin her
gemeldet wurde, daß ein solches, unheimlich schwarz angestrichen, in der Mün¬
dung der Eider ausgelegt sei. Was der Thurm vor dem Schiffe an herge¬
brachter Poesie und Romantik voraus haben mag, das gleicht sich aus durch
die noch größere Unbehaglichkeit der Existenz auf einem Fahrzeuge, das mitten
in einer mächtigen Strömung festgeankert liegt und seine Position zu be¬
haupten nie stärker verpflichtet ist, als gerade wenn Sturm und Wogendrang
es bedrängen.

Mit dem Feuerschiff in der Eidermündung ist übrigens das deutsche
Veleuchtungswesen keineswegs abgeschlossen. Es gjbt noch zahlreiche und
sehr empfindliche Lücken in der Beleuchtung unseres Nord- und Ostseestrandes,
auch wenn man nicht den Maßstab des französischen Grundsatzes anlegen
will: jeden Fleck der Küstengewässer unter Licht zu bringen. — sondern nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/469>, abgerufen am 05.05.2024.