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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Gesetzen, Verordnungen und überwachenden Behörden an, sondern auch
Amerika. Ein Schiff, das Zwischendecks-Passagiere in Newyork oder einem
anderen Hafen der Union landen will, muß den ziemlich strengen und theil¬
weise selbst unnöthig, ja nachtheilig beengenden amerikanischen Vorschriften eben¬
so gut nachkommen wie den diesseitigen. Allein es gibt ein Mittel, sie zu
umgehen: indem man in Quebec oder einem anderen canadischen Hafen die
ja doch meist nach dem fernen Westen bestimmte Menschenfracht ans Land
setzt. Schon aus diesem Grunde ist eine Verständigung, welche mindestens
Deutschland, England und Nordamerika, womöglich auch Frankreich, Belgien
und die Niederlande, im günstigsten Falles noch die skandinavischen Länder mit
umfaßte, im höchsten Grade wünschenswert!). nachgerade sind wir ja wohl
in vorurtheilsfreier brüdlicher Gesinnung und praktischem Geschick weit genug
vorgeschritten, um an einer verhältnißmäßig so einfachen Aufgabe nicht zu
scheitern. *




Richard Wagners ,Meistersinger in Nürnberg".
Zum erstenmale in München aufgeführt am 21. Juni 1868.

Wieder hat wahrhaft königliche Huld und Freigebigkeit die würdige, ja
glänzende Darstellung eines Werkes ermöglicht, dessen Erscheinen seit langer
Zeit das Publikum mit gespannter Erwartung entgegensah. Wie allen frü¬
heren Werken Wagners ging auch den Meistersingern ein Ruf voraus, der
die Neugierde nicht ruhen, das Interesse nicht erkalten ließ. Textbuch und
Musik pries man als das bedeutendste, was auf dem Gebiete der komischen
Oper je geleistet worden, die Dichtung als ein nicht zu übertreffendes Meister¬
werk, den Componisten als denjenigen, der nicht nur die Kraft und Genia¬
lität aller seiner Vorgänger in sich vereinigte, sondern der auch den glück¬
lichen und naiven HuMor Haydns zur vollständigen, wahrhaft erquickenden
Ausbildung gebracht haben sollte. Wagner wußte sich von jeher begeisterte
Anhänger zu gewinnen, und zahlreiche unerschrockene Kämpfer betraten, ehe
er sie selbst beschritt, für ihn die Arena. Wie alle früheren, so war auch
dieses jüngste Werk durch maßlose Reclame eingeleitet worden. Ob dem
Componisten in seinen Werken durch die Dienstfertigkeit seiner übereifriger
Freunde mit den üblichen, beinahe messianischen Weissagungen ein wirklicher
Gefallen erwiesen wurde? Wir bezweifeln es. Je mehr man bemüht ist, den
Componisten und sein Werk über alle seine Vorgänger hinaus zu heben, um


Gesetzen, Verordnungen und überwachenden Behörden an, sondern auch
Amerika. Ein Schiff, das Zwischendecks-Passagiere in Newyork oder einem
anderen Hafen der Union landen will, muß den ziemlich strengen und theil¬
weise selbst unnöthig, ja nachtheilig beengenden amerikanischen Vorschriften eben¬
so gut nachkommen wie den diesseitigen. Allein es gibt ein Mittel, sie zu
umgehen: indem man in Quebec oder einem anderen canadischen Hafen die
ja doch meist nach dem fernen Westen bestimmte Menschenfracht ans Land
setzt. Schon aus diesem Grunde ist eine Verständigung, welche mindestens
Deutschland, England und Nordamerika, womöglich auch Frankreich, Belgien
und die Niederlande, im günstigsten Falles noch die skandinavischen Länder mit
umfaßte, im höchsten Grade wünschenswert!). nachgerade sind wir ja wohl
in vorurtheilsfreier brüdlicher Gesinnung und praktischem Geschick weit genug
vorgeschritten, um an einer verhältnißmäßig so einfachen Aufgabe nicht zu
scheitern. *




Richard Wagners ,Meistersinger in Nürnberg".
Zum erstenmale in München aufgeführt am 21. Juni 1868.

Wieder hat wahrhaft königliche Huld und Freigebigkeit die würdige, ja
glänzende Darstellung eines Werkes ermöglicht, dessen Erscheinen seit langer
Zeit das Publikum mit gespannter Erwartung entgegensah. Wie allen frü¬
heren Werken Wagners ging auch den Meistersingern ein Ruf voraus, der
die Neugierde nicht ruhen, das Interesse nicht erkalten ließ. Textbuch und
Musik pries man als das bedeutendste, was auf dem Gebiete der komischen
Oper je geleistet worden, die Dichtung als ein nicht zu übertreffendes Meister¬
werk, den Componisten als denjenigen, der nicht nur die Kraft und Genia¬
lität aller seiner Vorgänger in sich vereinigte, sondern der auch den glück¬
lichen und naiven HuMor Haydns zur vollständigen, wahrhaft erquickenden
Ausbildung gebracht haben sollte. Wagner wußte sich von jeher begeisterte
Anhänger zu gewinnen, und zahlreiche unerschrockene Kämpfer betraten, ehe
er sie selbst beschritt, für ihn die Arena. Wie alle früheren, so war auch
dieses jüngste Werk durch maßlose Reclame eingeleitet worden. Ob dem
Componisten in seinen Werken durch die Dienstfertigkeit seiner übereifriger
Freunde mit den üblichen, beinahe messianischen Weissagungen ein wirklicher
Gefallen erwiesen wurde? Wir bezweifeln es. Je mehr man bemüht ist, den
Componisten und sein Werk über alle seine Vorgänger hinaus zu heben, um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/33>, abgerufen am 05.05.2024.